Schluß

[286] Schluß (syllogismos, syllogismus, ratiocinatio) ist (als Schließen) die Ableitung eines Urteils aus einem (»unmittelbarer Schluß«, Folgerung, s. d.) oder mehreren Urteilen (»mittelbarer Schluß«, »Vernunftschluß«). Er ist ein Urteil als logische Folge aus anderen Urteilen als Gründen, die Anwendung des Satzes vom Grunde (s. d.) auf Urteile selbst. Das Schließen ist ein Verfahren, durch welches der logische Zusammenhang unter Urteilen hergestellt und damit[286] die Einheit und Stetigkeit des Denkens bewahrt wird. Durch der, Schließen werden Erkenntnisse, die in Urteilen implicite liegen, aber nicht für sich bewußt sind, selbständig appercipiert, expliciert, klar gemacht und so erst für neue Urteile fruchtbar gemacht. Das Schließen dient der Erweiterung und Vertiefung unserer Erkenntnis, es läßt uns unsere Erfahrungen und Einsichten zur Deutung neuer Erlebnisse verwerten, es füllt die Lücken der Erfahrung aus und ergänzt die Erfahrung über sich hinaus durch Fortgang ins Transcendente (u. d.). Der vollständige (mittelbare) Schloß besteht aus den beiden Prämissen (praemissae. Vordersätze) und dem Schlußsatze (conclusio). Prämissen sind die Urteile, die einen Begriff gemeinsam haben. es ist dies der Mittelbegriff (terminus medius, M). Derjenige Begriff, der im Schlußsatze Prädicat ist, heißt Oberbegriff (terminus maior), derjenige, der das Subject der Conclusion bildet, Unterbegriff (terminus minor). Obersatz (propositio maior) ist jene Prämisse, die den Oberbegriff, Untersatz (propositio minor) jene, die den Unterbegriff enthält. Die Prämissen bilden die Materie des Schlusses. seine Form hängt ab von der Stellung der Begriffe (termini). Prämissen und Conclusion heißen die Elemente des Schlusses. Schlüsse vom Besonderen aufs Allgemeine heißen Inductionsschlüsse (s. d.). der Schluß vom Allgemeinen aufs Besondere heißt Syllogismus im engeren Sinne. Nach der Relation (H. d.) der Prämissen gibt es kategorische, hypothetische (s. d.), disjunctive (s. d.) Schlüsse. Ferner gibt es einfache und zusammengesetzte, vollständige und verkürzte Schlüsse. Für die kategorischen Schlüsse gelten als Regeln: 1! Aus bloß verneinenden Prämissen folgt nichts Gültiges (»ex mere negativis nihil sequitur«). 2) Aus bloß particulären Prämissen folgt nichts (»ex mere particularibus nihil sequitur«). 3) Aus einem particulären Obersatz in Verbindung mit einem verneinenden Untersatz folgt nichts. 4) Sind beide Prämissen bejahend, so ist es auch der Schlußsatz. 5) Ist eine Prämisse particulär, so ist auch der Schlußsatz particulär (»conclusio sequitur partem debiliorem«).

Bei PLATO hat syllogizesthai die Bedeutung des Folgerns aus Gegebenem (Phileb. 41 C. Theaet. 186 D). Nach ARISTOTELES ist der Schluß (syllogismos) logos, en hô tethentôn tinôn heteron ti tôn keimenôn ex anankês symbainei dia tôn keimenôn (Anal. pr. I 1, 24b 18). Die Prämissen (protaseis) enthalten die akra (extrema) und den horos mesos (terminus medius). Zu unterscheiden sind: Inductionsschluß (ho dia tês epagôgês syllogismos, l. c. II 23, 68b 13 squ.) und Syllogismus (ho dia tou mesou syllogismos, ib.). Ferner syllogismos apodeiktikos und dialektikos (Anal. post. I 2, 72 a 5), eristischer, rhetorischer Schluß (s. Enthymem, Epicheirem). Die Stoiker definieren den Schluß (logos) als systêma ek lêmmatôn kai epiphoras (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. II, 135 squ.. Adv. Math. VIII, 302). Die Schlüsse zerfallen in synaktikoi (gültige) und asynaktoi (Pyrrh. hyp. II, 137). der Schluß ist atelês (unvollständig) oder teleios (vollständig). Die hypothetischen (s. d.) Schlüsse werden schon erörtert. – Die Skeptiker behaupten, jeder Syllogismus sei ein Zirkelschluß, indem der Obersatz, auf den die Conclusion sich stützt, zu seiner Gültigkeit schon die der Conclusion voraussetze (Pyrrh. hyp. Tl, 193 squ., 20,4 squ.).

Nach DUNS SCOTUS ist der Syllogismus »oratio, in qua quibusdam positis ab his quae posita sunt, aliquid accidit de necessitate, eo quod haec sunt« (Analyt. prior. I, qu. 5). – Nach PETRUS RAMUS ist der Syllogismus »argumenti cum quaestione firma necessariaque collocatio, unde quaestio ipsa concluditur[287] atque aestimatur« (Dial. inst. p. 29). Die Unnützlichkeit des Syllogismus behauptet J. B. VAN HELMONT. Die Erkenntnis der Übereinstimmung der Dinge ist schon vor dem Schlusse notwendig (Logica inutil. p. 41 ff). Auch F. BACON bekämpft die Wertschätzung des Syllogismus, der keine Erkenntnisse der Dinge verschaffe. »Syllogismus ad principia scientiarum non adhibetur, ad media axiomata frustra adhibetur, cum sit subtilitati naturae longe impar. Assensum itaque oonstringit, non res« (NoV. Organ. I, 13). »Syllogismus ex propositionibus constat, propositiones ex verbis, verba notionum tesserae sunt. Itaque si notiones ipsae (id quod basis rei est) confusae sint et temere a rebus abstractae, nihil in iis, quae superstruuntur, est firmitudinis. Itaque spes est in inductione vera« (l. c. 1, 14. De dign. V, 2). Von der formalen Syllogistik bemerkt DESCARTES: »Animadverti quantum ad Logicam, syllogismorum formas aliaque fere omnia eius praecepta non tam prodesse ad ea quae ignoramus investiganda, quam ad ea quae iam scimus aliis exponenda« (De meth. p. 11). Nach HOBBES ist das Schließen ein Rechnen (Leviath. I, 5. so auch später LEIDENFROST, De mente humana, 1793, C. 8, § 4). Der Schluß ist »oratio, quae constat tribus proportionibus, ex quibus duabus sequitur tertia« »additio trium nominum« (De corp. C. 4, 1). Nach LOCKE besteht das Schließen »nur in der Einführung eines zuvor als wahr angenommenen Satzes« (Ess. IV, ch. 17, § 4). Der Syllogismus zeigt »die Verbindung der Gründe in jedem einzelnen Falle, aber nichts mehr« (ib.). Er hat daher geringen Wert. »Die Wahrheit und Vernünftigkeit wird besser erkannt, wenn die Vorstellungen einfach hintereinander geordnet werden, und daher bedarf man auch bei seinen eigenen Untersuchungen des Syllogismus zur eigenen Überzeugung nicht.... denn ehe man die Verbindung zwischen der Mittelvorstellung und den beiden andern Vorstellungen, zwischen die sie zu stehen kommt, erkannt hat, und wenn dies der Fall ist, so sieht man auch schon, ob die Folgerung richtig oder falsch ist. deshalb kommt der Syllogismus zur Feststellung dessen zu spät« (ib.). D'ARGENS bemerkt: »Si le syllogisme était nécessaire a la recherche de la vérité, la raison que Dieu nous a donnée, seroit si faible et si imparfaite, qu'elle auroit besoin de lunettes pour appercevoir« (Philos. du Bons-Sens I, 261).

CHR. WOLF erklärt den Schluß (ratiocinatio) als »iudiciorum ex aliis praeviis formatio« (Psychol. empir. § 366). »Est ratiocinatio operatio mentis, qua ex duabus propositionibus terminum communem habentibus formatur tertia, combinando terminos in utraque diversos« (Log. § 50, 332). »Wenn wir einen Satz aus zwei andern herausbringen, nennen wir es schließen, und die Art zu schließen einen Schluß« (Vern. Ged. 1, § 340). Über das Princip des Schließens handeln REUSCH (Syst. logic. 1734), CRUSIUS (Weg zur Gewißheit, 1717), BAUMGARTEN (Acroasis logica, 1765, § 297, 324), BUFFIER (Première Logique, 1725, § 109) u. a. Nach H. S. REIMARUS bestehen die mittelbaren Schlüsse (Vernunftschlüsse) »in der deutlichen Einsicht des Zusammenhangs zweier Urteile mit einem dritten« (Vernunftlehre, S. 201). Sie entstehen durch »Vergleichung zweier Begriffe mit einem dritten« (l. c. S. 202). »Ein Vernunftschluß ist... eine deutliche Einsicht der Einstimmung oder des Widerspruchs zweier Begriffe vermittelst eines dritten oder Mittelbegriffs« (l. c. S. 203). Ähnlich FEDER (Log. u. Met. S. 93 ff.). Nach PLATNER ist der Schluß (sprachlich) »ein Urteil mit beigefügtem Grunde«, psychologisch »ein Urteil mit eingesehener Abhängigkeit von einem andern Urteile« (Philos. Aphor. I, § 625).

KANT definiert das Schließen als »diejenige Function des Denkens....[288] wodurch ein Urteil aus einem andern hergeleitet wird. – Ein Schluß überhaupt ist also die Ableitung eines Urteils aus dem andern« (Log. § 41). EH gibt unmittelbare und mittelbare Schlüsse (l. c. § 42). Erstere heißen Verstandesschlüsse, letztere sind Vernunftschlüsse oder Schlüsse der Urteilskraft (l. c. § 43). Letztere sind »gewisse Schlußarten, aus besondern Begriffen zu allgemeinen zu kommen« (l. c. § 82). Ein Vernunftschluß ist die »Erkenntnis der Notwendigkeit eines Satzes durch die Subsumtion seiner Bedingung unter eine gegebene allgemeine Regel« (l. c. § 56), »ein jedes Urteil durch ein mittelbares Merkmal« (WW. II, 56). »Liegt das geschlossene Urteil schon so in dem ersten, daß es ohne Vermittlung einer dritten Vorstellung daraus abgeleitet werden kann, so heißt der Schluß unmittelbar (consequentia immediata). ich möchte ihn lieber den Vestandesschluß nennen. Ist aber, außer der zum Grunde gelegten Erkenntnis, noch ein anderes Urteil nötig, um die Folge zu bewirken, so heißt der Schluß Vernunftschluß« (Krit. d. rein. Vern. S. 267). »In jedem Vernunftschlusse denke ich zuerst eine Regel (maior) durch den Verstand. Zweitens subsumiere ich ein Erkenntnis unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Urteilskraft. Endlich bestimme ich mein Erkenntnis durch das Prädicat der Regel (conclusio), mithin a priori durch die Vernunft« (l. c. S. 268). Der Vernunftschluß geht nicht auf Anschauungen, sondern auf Begriffe und Urteile. »Vernunfteinheit ist... nicht Einheit einer möglichen Erfahrung« (l. c. S. 269 f.). Der Vernunftschluß »ist selbst nichts anderes als ein Urteil vermittelst der Subsumtion seiner Bedingung unter eine allgemeine Regel« (l. c. S. 270). Nach KIESEWETTER ist ein Schluß »die Handlung, wodurch man die Wahrheit oder Falschheit eines Urteils aus einem andern herleitet« (Gr. d. Log. § 91. Allg. Log. 1801, I, § 228 ff.. vgl. HOFFBAUER, Anfangsgr. d. Log. 1794, § 317. CHR. WEISS, Log. 1801, § 216). Nach FRIES ist der Schluß »die Ableitung eines Urteils aus andern Urteilen« (Syst. d. Log. S. 189 ff.) G. E. SCHULZE definiert: »Das Schließen ist diejenige Handlung des Verstandes, wodurch. die Gewißheit der in einem Urteile enthaltenen Aussage aus dem schon vorhandenen Bewußtsein der Gewißheit anderer Urteile abgeleitet (deduciert) wird« (Gr. d. allg. Log. S. 99 ff.). Nach KRUG ist der Schluß »ein Inbegriff von Urteilen, die als Grund und Folge zusammenhangen« (Handb. d. Philos. I, 169). Das Schließen ist ein »vermitteltes Urteilen«, »eine Geistestätigkeit, wodurch eine Mehrheit von Urteilen im Bewußtsein zu einem sich selbst begründenden Ganzen verknüpft wird« (ib.). CALKER bestimmt: »Schluß ist diejenige Verbindung ursprünglich zusammengehörender Vorstellungen, welche nach dem Verhältnis des Besondern zu einem Allgemeinen und einem höheren Allgemeinen gedacht wird.« »Es ist folglich diejenige Denkform, in welcher ein Urteil aus anderen Urteilen abgeleitet wird« (Denklehre S. 241, 348 ff., 400 ff.). Nach BACHMANN ist ein Schluß »eine solche Verbindung von Urteilen, wo, deshalb weil eins oder mehrere gesetzt worden sind, auch ein anderes notwendig gesetzt werden muß« (Syst. d. Log. S. 150 ff, 182 ff.). »Ohne den Schluß wäre in unserem Wissen alles vereinzelt.... nirgends ein stetiger Übergang von dem einen zum andern, ein Durchgeführtes, ein Ganzes« (l. c. S. 151). Als rein analytischen Denkproceß faßt den Syllogismus SCHLEIERMACHER auf (Dial. § 327 f.), auch BENEKE (Syst. d. Log. I, 217 ff. Lehrb. d. Psychol.3, S. 114). Nach APELT ist der Schluß ein hypothetisches Urteil, dessen Vordersätze die Prämissen sind, dessen Nachsatz die Conclusion ist (Theor. d. Induct. S. 1). Nach J. J. WAGNER kann jeder [289] Syllogismus als hypothetisches Urteil dargestellt werden (Organ. d. menschl. Erk. S. 186). Nach LICHTENFELS ist das Schließen »das ein Urteil begründende Denken« (Gr. d. Psychol. S. 122). Nach HEGEL ist der Schluß »die Wiederherstellung des Begriffs im Urteil«, der »vollständig gesetzte Begriff« (Log. III, 19), »die Einheit des Begriffes und des Urteils«. Er ist »das Vernünftige und alles Vernünftige«, der »wesentliche Grund alles Wahren«. »Alles ist ein Schluß« (Encykl. § 181. Log. III, 126). »Der unmittelbare Schluß ist, daß die Begriffsbestimmungen als abstracte gegeneinander nur in äußerem Verhältnis stehen, so daß die beiden Extreme die Einzelheit und Allgemeinheit, der Begriff aber als die beide zusammenschließende Mitte gleichfalls nur die abstracte Besonderheit ist. Hiermit sind die Extreme ebenso sehr gegeneinander, wie gegen ihre Mitte gleichgültig für sich bestehend gesetzt. Dieser Schluß ist somit das Vernünftige als begrifflos – der formelle Verstandesschluß. – Des Subject wird darin mit einer andern Bestimmtheit zusammengeschlossen. oder das Allgemeine subsumiert durch diese Vermittlung ein ihm äußerliches Subject. Der vernünftige Schluß dagegen ist, daß das Subject durch die Vermittlung sich mit sich selbst zusammenschließt« (Encykl. § 182). Die Schlüsse zerfallen in qualitative (Schl. des Daseins), Reflexionsschlüsse (Schl. der Allheit, Induction, Analogie), Notwendigkeitsschlüsse (kategorische, hypothetische, disjunctive Schl., l. c. § 183 ff.). Nach K. ROSENKRANZ ist der Schluß »diejenige Form des Begriffs, die ihn aus der Beziehung nur zweier Momente zur totalen Einheit mit sich dadurch zurückführt, daß die gegenseitige Selbstvermittlung der Begriffsbestimmungen gesetzt wird« (Syst. d. Wissensch. S. 109). Zu unterscheiden sind: I. Inhärenzschluß, II Subsumtionsschluß: 1) Schluß der Empirie oder Einheit, 2) Schluß der Induction oder Vielheit, 3) Schluß der Analogie oder Allheit, III. Relationsschluß (l. c. S. 110 ff.. vgl. H. F. W. HINRICHS, Grundl. d. Philos. d. Log. S. 150 ff.. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre S. 182 ff.).

Nach SCHILLING ist das Schließen das Durchlaufen von Reihen von Begriffen und Urteilen (Lehrb. d. Psychol. S. 150 ff.. vgl. HERBART, Lehrb. zur Einl.5, S. 107 ff.). Nach SCHOPENHAUER ist ein Schluß »die Operation unserer Vernunft, vermöge welcher aus zwei Urteilen, durch Vergleichen derselben, ein drittes entsteht, ohne daß dabei irgend anderweitige Erkenntnis zu Hülfe genommen würde« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 10). Was der Schließende erfährt, wußte er schon implicite, aber er wußte es nicht, daß er es wußte (ib.). Urteile, nicht bloße Begriffe, sind der Stoff des Schlusses (ib.).

Nach W. HAMILTON ist das Schließen (reasoning) »an act of mediate comparison or judgment. for to reason is to recognise that two notions stand to each other in the relation of a whole and its parts, through a precognition that these notions severally stand in the same relation to a third« (Lect. III, p. 268 ff., 274, vgl. p. 279). Nach J. ST. MILL heißt schließen »einen Satz (Urteil) aus einem vorhergehenden Urteil oder Urteilen folgern, ihm als einer Folgerung aus etwas anderem Glauben schenken oder für ihn Glauben in Anaspruch nehmen« (Log. I, 196). Der Syllogismus ist in Wahrheit ein Schluß vom Besonderen aufs Besondere. Der allgemeine Obersatz ist ein Register der vollzogenen Schlüsse vom Besonderen aufs Besondere, eine kurze Formel, noch mehr zu vollziehen, ein Memorandum der einzelnen vorgestellten Tatsachen (l. c. I, 2, oh. 3. Examin.5, p. 438 f.). Der Obersatz nimmt vorweg, was erst noch zu erweisen ist, so daß der Syllogismus, im üblichen Sinne verstanden,[290] eine petitio principii enthält. Der Schluß beruht auf der Substitution des Ähnlichen (»substitution of similars« bei JEVONS). Nach A. BAIN ist das Folgern nur »a transaction from one wording to another wording of the same fact« (Log. I, 108 ff.). Nach H. SPENCER ist das Schließen »die Vergleichung von Beziehungen und die Deduction aus der Vergleichung« (Psychol. II, § 309, S. 110 ff.. vgl. über »quantitatives Schließen« § 276). LEWES erklärt: »A ratiocination is a judgment.« Der Syllogismus hat nur zwei Termini (wie schon HERBART). »The conclusion identifies the major and minor premiss: it resumes what they have assumed and subsumed« (Probl. II, 154 ff.). Nach SULLY ist der Schluß »eine Bewegung oder ein Übergang des Denkens von etwas Bekannten zu etwas bisher Unbekanntem, das aber jetzt als eine Folgerung aus dem ersten bekannt wurde« (Handb. d. Psychol. S. 286 ff.. Hum. Mind ch. 12. vgl. JAMES, Psychol. ch. 22. VENN, Empir. Logic. BRADLEY, Princ. of Log. II – III. BOSANQUET, Knowledge und Reality). Nach BALDWIN ist der Schluß (psychologisch) »the apperceptive act whereby a relation is asserted between two concepts in consequence of the previous assertion of the same relation between each of these two concepts and a third« (Handb. of Psychol. I2, ch. 14, p. 300). Logisch ist der Syllogismus »the apperceptive act whereby we reach a new stage in the growth of a concept, in consequence of its twofold modification in the judgment« (l. c. p. 301 ff.). – Nach RAVAISSON heißt schließen, »von einem Begriffe auf die in ihm enthaltenen Begriffe übergehen« (Die franz. Philos. S. 264. vgl. LACHELIER, Ètude sur la théor. du syllog., Rév. philos. 1876. RABIER, Log. p. 35 ff., 48 ff.). Nach BINET geht jeder Schluß vom einzelnen zum einzelnen (Psychol. de raisonnem. p. 9, 82, 149. vgl. RIBOT, L'évol. des idées général). A. FOUILLÉE erklärt: »Le raisonnement est une sorte d'expérimentation idéale et anticipée, une série d'actions imaginaires, conséquemment une esquisse de volitions ou appétitions liées a des processus sensori-moteurs s'engendrant l'un l'autre« (Psychol. des idées-forces II, 341 ff.).

ULRICI betrachtet den Schluß als »Ausdruck der logischen Notwendigkeit, daß, was von dem Allgemeinen gilt, auch von dem unter ihm Befaßten (einzelnen) gelten muß, daß also mit jedem allgemeinen Urteile implicite eine Anzahl einzelner Urteile gesetzt sind« (Log. S. 529). Nach LOTZE ist ein Schluß »jede Verknüpfung zweier Urteile zur Erzeugung eines gültigen dritten, das nicht in der bloßen Summierung jener beiden besteht« (Log.2, 13. 109). Nach VOLKMANN ist der Schluß »ein durch Vermittlung zustande gekommenes Urteil verbunden mit dem Bewußtsein dieser Vermittlung« (Lehrb. d. Psychol. II4, 292 f.). Nach DROBISCH sind die Schlüsse »die Formen der mittelbaren Verknüpfung und Trennung von Begriffen«, »Formen der mittelbaren Begründung von Urteilen« (Neue Darstell. d. Log.5, § 10). Nach ÜBERWEG ist der Schluß »die Ableitung eines Urteils aus irgend welchen gegebenen Elementen« (Log.4, § 74). E. DÜHRING definiert den Schluß als »die Verbindung von zwei gedanklichen Sätzen zu einem dritten Satze« (Log. S. 54). Nach J. BERGMANN ist der Schluß »der Fortgang von einem Urteile oder einer Verbindung von Urteilen zu einem daraus folgenden inhaltlich neuen Urteile als einem daraus folgenden« (Grundprobl. d. Log.2, S. 139). Nach HAGEMANN ist der Schluß eine »vermittelte Begriffsbestimmung«, die »Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren anderen Urteilen« (Log u. Noët. S. 51). Die unmittelbaren Schlüsse sind Schlüsse a. aus der Identität oder Äquipollenz, b. aus der Subalternation, c. aus der Opposition, d. aus der Conversion, e. aus der Modalität[291] (l. c. S. 51 f.). Nach GUTBERLET ist der Schluß »derjenige Denkproceß, in welchem man durch Vergleichung zweier Begriffe mit einem dritten deren Identität oder Verschiedenheit erkennt«. »Der sprachliche adäquate Ausdruck dieses Schlusses heißt Syllogismus« (Log. u. Erk.2, S. 62 ff.). Nach A. SPIR enthält das Schließen »1) die Constatierung der Identität oder Übereinstimmung zweier Fälle in einer Hinsicht, und 2) die Behauptung von deren Identität oder Übereinstimmung in anderen Hinsichten« (Denk. u. Wirkl. II, 224). Nach G. THIELE ist das Schließen »das Übergehen vom bloßen An-sich-sein einer Wahrheit zum Setzen derselben, das Entdecken eines Neuen auf Grund des bereits Bekannten«. Es ist »das bewegende und leitende Princip aller Kategorientätigkeit« (Philos. d. Selbstbew. S. 189). Als »empirische Gesetze des Denkens« betrachtet die Schlußformen HEYMANS (Ges. u. Elem. d. wiss. Denk. S. 62).

SIGWART erklärt: »Ein Folgern oder Schliefen im psychologischen Sinne findet überall da statt, wo wir zu dem Glauben an die Wahrheit eines Urteils nicht unmittelbar durch die in ihm verknüpften Subjects- und Prädicatsvorstellungen, sondern durch den Glauben an die Wahrheit eines oder mehrerer anderer Urteile bestimmt werden.« Der kategorische Syllogismus hat eine höhere Aufgabe nur dann, wenn er in den Dienst der Begriffsbildung gestellt, oder wenn sein Obersatz nicht ein bloßes Begriffsurteil, sondern ein synthetischer Satz ist (Log. I2, 422 ff.). Im logischen Sinne ist ein Schluß da, wo der Schluß durch ein evidentes Gesetz gerechtfertigt wird (vgl. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1881, S. 119 ff.). Nach B. ERDMANN sind Schlüsse »alle Denkvorgänge, durch welche aus gegebenen Urteilen, einem oder mehreren, von diesen logisch verschiedene denknotwendig abgeleitet werden« (Log. I, 429). Der Syllogismus ist »die denknotwendige Ableitung eines Urteils über die nicht gemeinsamen Bestandteile zweier gegebenen Urteile, die einen ihrer materialen Bestandteile gemeinsam haben« (l. c. S. 492). Über den Calcul des Schließens handelt E. SCHRÖDER (Vorles. üb. d. Algebra d. Log. I, 1890). – Nach WUNDT ist Schließen »jede Gedankenverbindung, durch welche aus gegebenen Urteilen neue Urteile hervorgehen« (Log. I, 270). Der Schluß ist eine Erweiterung des Urteilsprocesses (ib.). Der Schlußsatz ist kein selbständiges Urteil, »stellt nur eine Verbindung, die schon in den Prämissen besteht, in einem besondern Urteile dar, in welchem der Mittelbegriff eliminiert ist« (l. c. S. 272). Gesetz des Schließens ist der Satz vom Grunde (l. c. S. 281), auch das »allgemeine Relationsprincip«: »Wenn verschiedene Urteile durch Begriffe, die ihnen gemeinsam angehören, in ein Verhältnis zueinander gesetzt sind, so stehen auch die nicht gemeinsamen Begriffe solcher Urteile in einem Verhältnis, welches in einem neuen Urteil seinen Ausdruck findet« (l. c. S. 282). Es ist nicht richtig, daß der Schlußsatz logisch nichts Neues enthalte. »Ein Urteil, zu dessen Ableitung wir einer bestimmten Gedankenarbeit bedürfen, ist für unser logisches Denken in den Elementen, aus denen wir es abgeleitet haben, noch nicht enthalten, wenn diese Elemente auch objectiv die Tatsache, die wir in der Conclusion formulieren wollen, bereits einschliefen mögen. Schon die einfache Elimination des Mittelbegriffes aus den zwei Gleichungen x = y und y = z enthält eine solche Gedankenarbeit freilich in sehr primitiver Gestalt« (l. c. S. 286). »Überall..., wo wir eine logische Reconstruction der Elemente der Erkenntnisentwicklung ausführen, da nehmen die Verbindungen der Urteile die Form des Schlusses an« (l. c. S. 288). »In Wahrheit ist die Bedeutung des Schlusses eine ebenso fundamentale und allseitige wie die des Urteils. Wie jede Behauptung, ob sie nun eine[292] Erzählung, eine Beschreibung oder eine Erklärung in sich schließe, in dem Urteil ihren Ausdruck findet, so ist der Schluß der unerläßliche Bestandteil einer jeden Begründung und Beweisführung« (l. c. S. 289). Die einfachen Schloßformen sind: I. Identitätsschlüsse. »Wir bezeichnen einen jeden Schluß der aus zwei Identitäten eine dritte folgert, als einen Identitätsschluß. Die beiden Zwecke, denen der Identitätsschluß dienen kann, sind: 1) Ableitung einer neuen Definition aus zwei gegebenen Definitionen, und 2) Ableitung einer neuen Gleichung aus zwei gegebenen Gleichungen« (definierender Identitätsschluß, Gleichungsschluß, l. c. S. 291 f.). II. Subsumtionsschlüsse. »Der Subsumtionsschluß ordnet entweder einen einzelnen Begriff einer allgemeinen Gattung unter, oder er wendet eine allgemeine Regel auf einen speciellen Fall an... Die Subsumtion eines speciellen Individual- oder Artbegriffs unter eine Gattung dient der classificatorischen Ordnung unserer Begriffe, die Subsumtion eines einzelnen Falls unter eine allgemeine Regel dient der Anwendung allgemeiner Gesetze auf einzelne Erscheinungsgebiete. Wir können daher die erste Form als den classificierenden, die zweite als den exemplificierenden Subsumtionsschluß bezeichnen« (l. c. S. 293). a. Im classificierenden Schluß hat die allgemeinere Prämisse die zweite, im exemplificierenden hat sie die erste Stelle. beide Schlüsse stimmen aber darin überein, daß der erste Mittelbegriff in beiden Prämissen seine Stelle wechselt, und daß die allgemeinere Prämisse in der Regel ein Identitätsurteil ißt. »Beide Formen entsprechen demnach in ihrer äußeren Form denjenigen Schlüssen, welche die Aristotelische Logik der ersten Figur zurechnet« (l. c. S. 299). b. Wahrscheinlichkeitsschluß. Er »folgert aus der Möglichkeit verschiedener Fälle, die bei einem zu erwartenden und in bezug auf seine Beschaffenheit unbestimmten Ereignisse stattfinden können, auf die Wahrscheinlichkeit eines einzelnen dieser Fälle« (l. c. S. 303). Es gibt apriorische und empirische Wahrscheinlichkeitsschlüsse (l. c. S. 308). c. Analogieschluß. Er entsteht, »wenn aus der nachgewiesenen Übereinstimmung mehrerer Gegenstände oder Ereignisse die Übereinstimmung der nämlichen Gegenstände in bezug auf andere Eigenschaften oder Bedingungen gefolgert wird« (l. c. S. 309). III. Bedingungs- und Begründungsschlüsse. IV. Beziehungsschlüsse, d.h. »solche Urteilsverbindungen, bei denen ein völlig bestimmter Schluß aus dem Verhältnis der übrigen Begriffe zum Mittelbegriff nicht sich ergibt, sondern nur die Folgerung zulässig ist, da, zwischen den in der Conclusion verbundenen Begriffen irgend eine Beziehung bestehe« (l. c. S. 322). a. Vergleichungs-, b. Verbindungsschluß (l. c. S. 324 ff.). JODL erklärt den Schluß als »die Ableitung eines Urteils... aus anderen Urteilen, mittelst gemeinsamer Bestandteile, vermöge deren eine Verschmelzung oder ein Zusammenschließen dieser Urteile in ähnlicher Weise stattfindet, wie sich in Associationen und Urteilen mentale Elemente auf Grund eines in ihnen Identischen oder Gleichartigen zusammenschließen« (Lehrb. d. Psych. S. 634). Nach HILLEBRAND ist der Schluß »ein durch ein oder mehrere Urteile motiviertes Urteil« (Die neuen Theor. d. kategor. Schlüsse S. 11. vgl. S. 69 ff.). Es gibt Syllogismen mit vier Termini (S, M, P, p), von denen zwei einander contradictorisch entgegengesetzt sind (l. c. S. 73 f.). SCHUPPE: Das Schließen ist kein neuer Denkact, sondern wesentlich Urteilen, nicht etwa, weil die conclusio immer ein Urteil ist, sondern weil der ins Bewußtsein tretende Zusammenhang zwischen ihr und den Prämissen nur als Urteil gedacht werden kann, und weil schließlich jedes Urteil (mit Ausnahme der unmittelbaren Erkenntnis von Identität und Verschiedenheit einfachster Sinnesdaten)[293] den Anspruch macht, ein begründetes zu sein, gleichviel ob begründende Prämissen genannt werden oder nicht (Log. S. 38). »Der Schluß a1 = a2 = a3 also a1 = a3. zeigt seinen Nerv in dem undefinierbaren Wesen des Identitätsbegriffes. Der Sinn des letzteren... ist der, daß es absolut dasselbe ist, ob ich a2 oder a1 sage, also ob ich a2 = a3 oder a1 = a3 sage, und wenn a1 = a2 aber nicht b ist, ob ich a2 nicht gleich b oder a1 nicht = b sage. Das Schließen reduciert sich also einfach auf das Bewußtsein dieser Identität« (l. c. S. 48). »Das Causalitätsprincip schafft die Begriffseinheiten, aus welchen die Prämissen bestehen, und läßt erst wirklich allgemeine Sätze bilden, aber die Schlüssigkeit leistet allein das Identitätsprincip« (l. c. S. 50). Nach R. WAHLE besteht das Schließen »nicht in einer Function, die etwas Neues über dem Urteilen hinaus bieten würde, sondern nur darin, daß die Vorstellungen oder Vorstellungskreise, von welchen Urteile handeln, durch andere Urteile erst näher bestimmt werden« (Das Ganze d. Philos. S. 390). Nach A. MEINONG ist das Schlußurteil ein Urteil über die Verträglichkeit oder Unverträglichkeit zweier Urteile (Hume- Stud. II, 106 f.). Nach W. JERUSALEM ist Schließen »nichts anderes als ein Urteilen, das mit dem Bewußtsein der Gründe verbunden ist, welche uns veranlassen, das erschlossene Urteil für wahr zu halten« (Lehrb. d. Psychol.3, El. 126). H. GOMPERZ definiert den Schluß als »den in zwei Sätzen auftretenden sprachlichen Ausdruck für ein durch Association verbundenes Vorstellungspaar, von denen die zweite neu ist und als eine Überzeugung gedacht wird« (Psychol. d. log. Grundtats. S. 78). Vgl. A. V. BERGER, Raumansch. u. formale Log. 1886. Vgl. Schlußfigur, Schloßmodi, Schlußkette, Sorites, Enthymem, Epicheirem, Quantification.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 286-294.
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