Hugenotten

[361] Hugenotten, Huguenots, Name der Protestanten in Frankreich, ursprünglich ein Spottname, der laut de Thou von Tours ausging, wo die Volkssage den König Hugo Capet herumgeistern ließ und wo die Protestanten ihre geheimen nächtlichen Zusammenkünfte abhielten, laut Castelnau aber auf eine sehr geringe und längst verrufene Scheidemünze aus Hugo Capets Zeit anspielt. Der Protestantismus drang aus Deutschland und der Schweiz frühzeitig in Frankreich ein (vgl. Calvin), obwohl Franz I. (1515–1547) u. Heinrich II. (1547–1559) aus politischen Gründen [361] nur die Protestanten im deutschen Reich unterstützten, die einheimischen H. dagegen mit blutiger Strenge niederzuhalten suchten: Verfolgung der Waldenser 1545, Edict von Chateaubriand 1551. (Vgl. Chambre ardente.) Weit weniger der religiöse Eifer als die antimonarchischen Plane der franz. Großen und der republikanische Geist des Calvinismus förderten die Zersplitterung Frankreichs in ein katholisches und hugenottisches. Unter Franz II. (s. d.) reiste die erste große Verschwörung der Bourboniden und H., die von Amboise; sie wurde entdeckt 1560 u. kostete 1200 Menschen das Leben, aber Katharina von Medici ließ die Guisen ihre Racheplane nicht vollenden, sondern sie machte den Anton von Navarra zum Generalstatthalter und nur das Parlament verhinderte, daß die H. nicht sofort Religionsfreiheit bekamen. Das Religionsgespräch von Poissy (1561) war ohne Segen wie alle derartigen Gespräche jener Zeit, desto fruchtbarer aber der Umstand, daß Condé zum Haupt der H. wurde, denn sofort entschied sich der Generalstatthalter für die Katholiken und Guisen, und die an sich unbedeutenden Streithändel zu Vassy gaben das Signal zu jenen religiös-politischen Bürgerkriegen, durch welche Frankreich bis zum Ende des 16. Jahrh. furchtbar verheert und von beiden Parteien das Ausland, von den H. England und die protest. Fürsten Deutschlands, von ihren Gegnern Spanien, in innere Angelegenheiten hineingezogen wurde u. um so leichter hineingezogen werden konnte, weil schon jene Zeit den Sieg der franz. H. als den Sieg des Protestantismus auf dem europäischen Festlande betrachtete. Eine Uebersicht der bis 1593 geführten, an beiderseitigen Gewaltthaten u. Verbrechen überreichen H.kriege genügt, um die Einsicht zu mehren, daß Frankreich nur durch die Vorsehung vor dem Schicksale Deutschlands: Verlust jeder Nationaleinheit, Zersplitterung in viele Souveränitäten und Abhängigkeit vom Ausland, bewahrt wurde. – I. H.krieg, von den H. im April 1562 begonnen, die unter Condé viele feste Plätze gewannen, dann unterlagen und namentlich durch die Ermordung des Herzogs von Guise den ihnen günstigen Frieden von Amboise (19. März 1563) erlangten. Der Friede war beiderseits nicht aufrichtig, daher II. H.krieg 1566; furchtbare Verheerung besonders im Süden und Westen, bis beiderseitige Ermüdung 1568 zum Frieden von Longjumeau, einer Bestätigung des Friedens von Amboise führte. III. H.krieg 1569; Niederlagen der H. bei Jarnac u. Montoncour, ihr Sieg bei Luçon, Friede von Germain en Laye, der von den H. fast nur noch die Fortentrichtung des Zehnten an die kath. Geistlichkeit und äußere Feier der kirchl. Feste verlangte. Die Bartholomäusnacht (s. Bluthochzeit), eine furchtbare Antwort auf die Michelade in Nîmes sowie auf viele Friedensbrüche der H., entzündete den IV. H.krieg 1572; heldenmüthige Vertheidigung in La Rochelle; Friedensedict von Boulogne 1573, in Folge dessen die H. eine Art republikanischen Staates im franz. Staat und eine Armee zu organisiren vermögen. V. H.krieg 1574, wo die s. g. Politiker d.h. die mit Katharina von Medici und den Guisen unzufriedenen Katholiken zu den H. halten (Union zu Nîmes im Febr. 1575), Friede von Beaulieu 1576, wodurch Heinrich III. (s. d.) den H. kirchliche u. politische Gleichberechtigung im ganzen Lande mit Ausnahme von Paris gewährte, dazu 11 Sicherheitsplätze und 8 Parlamente. Stiftung der hl. Ligue durch die Guisen; Versammlung von Blois, wo die den H. gemachten Zugeständnisse zurückgenommen wurden, daher VI. H.krieg seit Anfang 1577, Friede von Bergerac im Sept. 1577. Vertrag von Nerac 1579, Bruch desselben durch Heinrich von Navarra, daher VII. Bürgerkrieg, an dem sich die H. jedoch nicht mehr lebhaft betheiligten u. der 1580 durch den Frieden von Flex beendigt wird. Der Herzog von Guise stiftet eine neue Ligue (31. Dez. 1584), diese beginnt den VIII. H.krieg im Einverständniß mit dem Papst und Spanien; der durch den Vertrag von Nemours (Juli 1585) beschlossenen Vernichtung der H. beugt Heinrich von Navarra durch kluge Maßregeln u. den Sieg bei Coutras (1587) [362] vor, wird 1589 Kronerbe, schlägt seine Gegner nieder, wird nach Heinrichs III. Ermordung König und schneidet dem Krieg seinen Nerv ab, indem er 1593 wiederum katholisch u. von Paris (die Pariser Ligue und Barricaden hatten ihm zuletzt am meisten zu schaffen gemacht), ebenfalls anerkannt wird und das berühmte Edict von Nantes erläßt (13. Apr. 1598). Weil viele H. den Protestantismus als ausschließliche Staatsreligion anerkannt wissen, andere Frankreich als Republik, die meisten immer u. überall Beeinträchtigungen des Edictes von Nantes sehen wollten, waren viele H. mit den 92 offenen, 38 geheimen Artikeln und den 3 königl. Gnadenbriefen des Edictes noch keineswegs zufrieden, sondern unterstützten 1615 den Aufstand Condéʼs, begannen unter Aufstachelungen der Engländer wiederum Krieg, 1621 unter Rohan u. Soubise, 1626 von La Rochelle aus und ruhten nicht, bis Richelieu im Herbst 1628 La Rochelle eroberte u. ihnen im Frieden von Alais 1629 die letzten festen Plätze nahm, damit die polit. Gefährlichkeit der H. brach und diese als Secte ruhig gewähren ließ. Erst als Ludwig XIV. auf der Höhe seines Ruhmes seine Allmacht durch Errichtung einer Staatskirche (s. Gallikanische Kirche) vollenden und doch zugleich den Ruhm eines kirchlichen Eiferers erringen wollte, entzog er den H. allmälig ihre Rechte, suchte sie gewaltsam zu bekehren (siehe: Dragonaden) und schadete Frankreich sehr durch die Aufhebung des Edictes von Nantes (23. Okt. 1658), ohne daß Religion und Kirche etwas dadurch gewonnen hätten (vgl. Camisarden). Im 18. Jahrh. wurde 1724 ein strenges Gesetz gegen die Duldung der H. und 1745, nachdem die H. ohne Scheu eine Nationalsynode abgehalten hatten, ein wahrhaft drakonisches gegen sie erlassen, aber es blieb unausgeführt u. Ludwig XVI., der schon 1777 den protest. Necker zum Generalcontroleur der Finanzen gemacht, gewährte 1787 durch ein Edict den H. mittelbare Anerkennung. Die Nationalversammlung von 1789 gewährte allgemeine Religionsfreiheit, der Code Napoléon den H. u. Juden bürgerl. u. polit. Gleichberechtigung mit den Katholiken und dabei ist es im Ganzen bis heute verblieben, nur daß nach der Restauration die H. über Anfeindung und Beeinträchtigungen, nach der Julirevolution die Katholiken über Bevorzugung der H. und Juden häufig klagten. Vgl. Capefigue: Histoire de la réforme, de la ligue et du règne de Henri IV; Barthold: Deutschland u. die H., Geschichte des Einflusses der Deutschen auf Frankreichs kirchl. u. bürgerl. Verhältnisse etc., Bremen 1848 ff.; s. d. Art. Frankreich Bd. II. S. 759 ff.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 361-363.
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