Garten

[266] Garten, ein meist in der Nähe der Wohnung eingehegtes Stück Land, das durch sorgfältige, erhöhte Kultur und geschmackvolle Anordnung dem Nutzen und der Annehmlichkeit des Besitzers dienen soll.

Je nach den Zwecken unterscheiden wir Nutz- und Ziergarten, Blumen- oder Baumgarten, wozu noch der botanische oder Versuchsgarten zum wissenschaftlichen Studium der Pflanzenarten kommt. Zur Pflege in kalter Jahreszeit dient der Wintergarten (s. Gewächshaus).

Schon die Aegypter pflegten ihre Villenanlagen mit Gärten zu umgeben, die von einer Mauer umzogen waren und durch ein Prachtportal zugänglich gemacht wurden. Von den babylonischen Gartenanlagen sind insbesondere die sogenannten »hängenden Gärten« der Semiramis berühmt geworden. Wir müssen uns dieselben als großartig angelegte künstliche Terrassen denken, die mit Blumengärten und Parkanlagen versehen waren, in denen zahme und wilde Tiere gehalten wurden und die überdies mit Fontänen, Pavillons und Tempeln in reichster Weise geschmückt erschienen. Ebenso haben die Griechen und Römer ihre Wohnhäuser zumeist mit schönen Gartenanlagen in Verbindung gebracht. In Griechenland waren es namentlich die Arbeitssäle der Frauen, die mit Zier- oder Gemüsegärten in Verbindung standen. Aber auch jedes größere römische Wohnhaus hatte am Ende des Hinterhauses einen Blumengarten (xystus) aufzuweisen, wie wir dies an den zahlreichen aufgedeckten Wohngebäuden in Pompeji nachweisen können. Im übrigen boten die Landsitze der Kaiserzeit gewaltige Gartenanlagen mit reichem architektonischen Schmuck, z.B. Villa Hadriana bei Tibur. Die Gärten des Mittelalters scheinen anfangs hauptsächlich Nutzgärten gewesen zu sein, doch wurden später auch Ziergärten angelegt mit regelmäßigen viereckigen Beeten. Derartige Anlagen finden sich beispielsweise auf Abbildungen der Wohnhäuser der reichen Nürnberger Patrizier. Eingehendere geschichtliche Notizen in [8]–[12], [15], [19]–[21].

Eine sehr große Bedeutung wurde der Gartenkunst vom 16. bis zu Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich beigelegt. Das Charakteristische derselben bestand namentlich in Anwendung geometrischer Grundformen für Beete und Wegeinteilungen sowie in dem Beschneiden von Bäumen und Sträuchern zu hohen rechtwinkligen grünenden Mauern oder niedrigeren Einfassungen. Zuweilen gab man den Bäumen auch phantastische Formen, insbesondere von Pyramiden, Vasen, Säulen u.s.w. Außerdem wurden auch Baumalleen errichtet, die einen Gang bildeten, der mit einem vegetabilischen Tonnengewölbe überspannt erschien. In der Nähe des Hauses wurden mit großem Geschick die sogenannten »Parterres« angelegt. Es sind dies Beete, die eine Art Blumenmosaik bilden, indem die Blumen zu ornamentalen Formen zusammengestellt wurden. Diese künstlichen Gartenformen erhielten überdies an passenden Stellen eine wirkungsvolle Belebung durch Vasen, durch reichlich aufgestellte Statuen und schließlich durch oft sehr imposante Wasserwerke, Fontänen, Springbrunnen und Grottenbauten [1], [15], [20]. – Zu den bedeutendsten Anlagen gehören insbesondere jene von St. Cloud, Versailles, Verneuil. Die großartigen Anlagen, die in diesem Stil in Frankreich ausgeführt wurden und denen man eine bedeutende Wirkung nicht absprechen kann, solange sie sich in den entsprechen den Schranken hielten, fanden in Deutschland, Oesterreich und dem übrigen Europa allenthalben reichliche Nachahmung.

Im entschiedensten Gegensatz zu der französischen Gartenbaukunst stehen die englischen Gartenanlagen, die namentlich zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts in größerem Stile durchgeführt wurden. Nach dem englischen Geschmack wurden die Bäume und Sträucher gar nicht beschnitten, sondern von Jugend auf so gelassen, wie sie die Natur geschaffen. Dazu kam noch eine seltene Pflege des Rasens, der bei dem feuchten Klima Englands, vorzüglicher Erde und sorgfältiger Behandlung in steter augenerfreuender Frische blieb [3], [6]. Wir können diesen Stil als eine Idealisierung der Landschaft bezeichnen.

In Deutschland und Oesterreich werden nicht selten die beiden Geschmacksrichtungen zu vereinigen gesucht; namentlich bei großen Anlagen pflegt man mit Recht in der Nähe des Schlosses oder Wohngebäudes geometrische Formen der Gartenelemente zu wählen, die sich mit[266] der Architektur des Gebäudes in Einklang zu setzen haben, während man weiter weg von dem Schlösse immer mehr die Natur walten läßt, so zwar, daß das Ganze am Ende in eine englische Parkanlage ausklingt.

Dabei wird der Nutz- und Gemüsegarten nicht zu entbehren und zu entfernt vom Wohnhaus zu verlegen sein; doch kann er in seiner schmucklosen Einförmigkeit mit immergrünen Hecken (etwa 2 m hoch) umgeben, dem Auge entzogen und so der Blick voll auf den Ziergarten geleitet werden. Hier wird durch einen Wechsel von Blumenbeeten, eingehegten Wegen, von Wasserbecken und Wiesenflächen, von niederen Gebüschen, von Baumgruppen und Laubgängen, belebt durch überraschende Durchblicke sowie Licht- und Schattenwirkungen ein angenehmes Bild zu erstreben sein. – Wasser soll nicht nur in Springbrunnen oder Teichen das Auge erfreuen, sondern auch in Fülle zur Tränkung der Pflanzen vorhanden sein. Bei Anbringung von Bauten (s. Gartengebäude) walte größte Vorsicht, da eine Ueberhäufung leicht die gute Wirkung zu stören vermag.


Literatur: [1] Dezalliers d'Argenville, La théorie et la pratique du jardinage d'après les principes de Lenôtre, 4. Aufl., Paris 1747. – [2] Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Leipzig 1775–80. – [3] Price, Essays on the picturesque in gardening, London 1780. – [4] v. Sckell, Beiträge zur bildenden Gartenkunst, 2. Aufl., München 1825. – [5] Pückler-Muskau, s. v., Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, Stuttgart 1834. – [6] Downing, Treatise on the theory and practice of landscape-gardening, 4. Aufl., London 1849. – [7] Wörmann, Der Garteningenieur, Berlin 1860–74. – [8] Dietrich, Geschichte des Gartenbaus, Leipzig 1863. – [9] Jäger, Allgemeines Gartenbuch, Leipzig 1864. – [10] Hüttig, Geschichte des Gartenbaues, Berlin 1879. – [11] Taeke, Der Garten, seine Kunst und Kunstgeschichte, Stuttgart 1884. – [12] Tuckermann, Die Gartenkunst der italienischen Renaissancezeit, Berlin 1885. – [12a] Latham, Charles, The Gardens of Italy, 2 Bde., Southampton 1905. – [13] v. Ompteda, Rheinische Gärten, Berlin 1885. – [14] Jessen, Gartenanlagen und Gartendekoration, Berlin 1887. – [15] Mangin, Histoire des jardins, Paris 1887. – [16] Petzold, Die Landschaftsgärtnerei, 2. Aufl., Leipzig 1888. – [17] Hallier, Grundzüge der landschaftlichen Gartenbaukunst, Leipzig 1890. – [18] Schneider, Die Aesthetik der Gartenkunst, Leipzig 1890. – [19] Rümpler, Gartenbaulexikon, 2. Aufl., Berlin 1890. – [20] Kaufmann, Der Garten im Mittelalter und während der Renaissance, Berlin 1892. – [21] v. Fischer-Benzon, Altdeutsche Gartenflora, Kiel 1894. – [22] Abel, L., Gartenarchitektur, Wien 1876.

Weinbrenner.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 266-267.
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