Löschen des Kalkes

[187] Löschen des Kalkes. Die Aufgabe des Löschens von gebranntem Kalk oder Aetzkalk besteht darin: ihn in Kalkhydrat zu verwandeln. Dies geschieht in sogenannten »Kalkkästen« oder »Löschbänken« durch Begießen mit möglichst weichem Wasser; unbrauchbar sind mineralische, kohlensäurehaltige Wasser und Meerwasser.

Zunächst saugt der durch das Ausscheiden der Kohlensäure beim Brennen porös gewordene Kalk das Wasser begierig auf, erhitzt sich nach kurzer Zeit und zerfällt zu einem trockenen Pulver, dem Kalkhydrat, das je nach der Reinheit des Kalkes einen bedeutend oder nur wenig größeren Rauminhalt als der gebrannte Kalk einnimmt. Man nennt diese Raumvergrößerung das Gedeihen des Kalkes und spricht, je nachdem das Gedeihen ein bedeutendes oder weniger bedeutendes ist, von fettem und magerem Kalk. Nachdem der gebrannte Kalk durch den Zusatz von Wasser vollständig zu Pulver zerfallen ist, wird unter stetem Umrühren noch mehr Wasser zugeschüttet, bis eine gleichmäßige, weiße Flüssigkeit, die Kalkmilch, entsteht, welche man durch Oeffnen des an der Löschbank angebrachten Schiebers in die »Kalkgrube« abfließen läßt, deren Seitenwände mindestens mit Brettern zu verschalen sind. Bei dem so »eingesumpften« Kalk verdunstet oder versickert das überflüssige Wasser und die noch nicht aufgeschlossenen Kalkteilchen können sich unterdessen vollständig lösen. Der anfangs ziemlich dünne Brei verdickt sich allmählich, ohne daß ein Setzen der Masse eintritt, und zum Schutz gegen die Einwirkung der in der Luft vorhandenen Kohlensäure wird er am besten mit einer Sandschicht überdeckt, da er sonst an der Oberfläche durch Umbildung in kohlensauern Kalk eine Raumverminderung erfahren und Risse erhalten würde. Zur Mörtelbereitung (s. Mörtel) wird die jedesmal erforderliche Menge aus der käsigen Masse herausgestochen. Wendet man vor Herstellung der Kalkmilch beim Löschen des Kalkes zu wenig Wasser an, so bildet sich zwar auch Kalkhydrat als Pulver, aber der Kalk »gedeiht« nicht. Solcher Kalk fühlt sich, mit Wasser zu einem Brei angerührt, sandig an, und die Maurer nennen dies das »Verbrennen« des Kalkes. Wird dagegen zu viel Wasser verwendet, so wird der Kalk »ersäuft«. Als praktische Regel gilt: auf ein Gewichtsteil gebrannten Kalk 2–3 Gewichtsteile Wasser zu verwenden. Dabei erhält man aus 100 kg gebranntem Kalk durchschnittlich 300–350 kg Kalkbrei.[187]

Das Löschen von magerem und hydraulischem Kalk geschieht vielfach in der Weise, daß man den gebrannten Kalk in etwa faustgroße Stücke zerschlägt und diese in einem weitmaschigen Korbe so lange in Wasser taucht, bis die Oberfläche zu sprudeln beginnt, worauf der Inhalt des Korbes in einen Karten geschüttet wird. Nach erfolgter Dampfentwicklung, die hier für die Arbeiter sehr lästig werden kann, ist der Kalk zu Staub zerfallen, kühlt sich allmählich ab und muß bis zur Verwendung für die Mörtelbereitung durch Matten abgedeckt werden. Der mit diesem Kalk zubereitete Mörtel ist weniger seit, aber ausgiebiger und etwas hydraulisch. Für die mageren und hydraulischen Kalke wird jedoch in der Regel das Trockenlöschen angewendet, welches darin besteht, daß der Kalk auf einem Bretterboden mit so viel Sand, als zur Mörtelbereitung erforderlich ist, umgeben und dann bis zum Zerfallen bespritzt wird, worauf er unter Zuschütten von Wasser mit dem Sande vermengt und noch warm als ganz steifer Mörtel vermauert wird. – Eine andre Art des trockenen Löschens ist die, daß man den Kalk, gewöhnlich Schwarzkalk, in Haufen von 1 m Breite und etwa gleicher Höhe zusammenlegt, ihn mit einer Sanddecke abdeckt und auf diese mit Gießkannen möglichst gleichmäßig Wasser schüttet [1]. Auch Schichten von 5–6 cm Höhe können aus den gebrannten Kalkstücken hergestellt werden, die einzeln, solange der Kalk noch das Wasser ansaugt, zu begießen sind, worauf der ganze Haufen ebenfalls mit Sand überdeckt wird [2]. Unter der Sanddecke zerfallen die Kalkstücke in beiden Fällen zu seinem Kalkhydratpulver, das unmittelbar zur Mörtelbereitung benutzt werden kann.


Literatur: Handbuch d. Arch., Teil 1, Bd. 1, S. 121, 125–127; Gottgetreu, Baumaterialien, Berlin 1875, S. 202 u. 217. – [1] Panzer, Bereitung des Mörtels aus hydraulischem Kalk, 1852. – [2] Manger, Hilfsbuch zur Anfertigung von Bauanschlägen, 4. Aufl., von R. Neumann, Berlin 1879, 1. Abt., S. 90.

L. v. Willmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 187-188.
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