[339] Alkoholometrie, die Lehre von der Bestimmung des Alkoholgehaltes in Flüssigkeiten. Es gibt kein Mittel, den Alkohol aus einer Flüssigkeit mit quantitativer Genauigkeit abzuscheiden, um ihn direkt wägen zu können. Da aber Alkohol spezifisch leichter ist als Wasser, so kann man aus dem spezifischen Gewicht einer Flüssigkeit ihren Alkoholgehalt berechnen, falls sie nicht andre Stoffe enthält, die ebenfalls auf das spezifische Gewicht einwirken. Wein und Bier kann man also nicht mit dem Aräometer auf ihren Alkoholgehalt prüfen.
Alkohol mischt sich mit Wasser unter Verdichtung, 53,939 Lit. Alkohol und 49,836 L. Wasser geben 100 L. (also Kontraktion um 3,775 L.). Anderseits vergrößert sich das Volumen, wenn man sehr verdünnten Alkohol mit Wasser mischt. Das Gesetz, nach dem diese Volumveränderungen erfolgen, ist nicht bekannt; man kann daher das spezifische Gewicht von Mischungen nicht berechnen, sondern nur empirisch bestimmen. Auf solchen von Gilpin ausgeführten und von Tralles vervollständigten und umgerechneten Versuchen beruht die A. in Deutschland, England, Rußland etc.; die französischen Ermittelungen von Gay-Lussac stimmen mit den Gilpinschen überein. Die Angaben über den Alkoholgehalt einer Flüssigkeit erfolgen in Gewichts- oder in Volumprozenten. 100 L. Alkohol geben mit 100 L. Wasser 192,75 L. Gemisch, mithin enthalten 100 L. Gemisch 51,8 L. Alkohol, der Alkoholgehalt des Gemisches beträgt 51,8 Volumprozent. 100 L. Wasser wiegen 100 kg, 100 L. Alkohol nur 79,45 kg, und so berechnet sich der Alkoholgehalt des Gemisches zu 44,2 Gewichtsprozent. Letztere Angabe ist stets unzweideutig; das Volumen der Flüssigkeiten ändert sich dagegen mit der Temperatur, und deshalb muß bei Angaben in Volumprozenten stets auch die Temperatur angegeben werden. Die Normaltemperatur, auf die sich in Deutschland und bei dem Alkoholometer von Tralles alle Angaben beziehen, ist 15°, und obige Angabe (51,8 Volumprozent) bedeutet also, daß aus 100 L. dieses Gemisches bei 15°51,8 L. Alkohol von 15° gewonnen werden können. Ein gleiches Gemisch kann aber wegen der oben angegebenen Verhältnisse nicht aus 51,8 L. Alkohol und 48,2 L. Wasser hergestellt werden. Dagegen ist die Angabe in Gewichtsprozenten auch zur Herstellung von bestimmten Gemischen verwendbar. Will man nach Angabe in Volumprozenten eine Mischung anfertigen, so verwandelt man die Volumprozente in Gewichtsprozente durch Multiplikation derselben mit dem spezifischen Gewichte des Alkohols und Division des Produkts durch das spezifische Gewicht der verlangten Mischung.
Das spezifische Gewicht der alkoholischen Flüssigkeiten kann mit Hilfe eines Dichtefläschchens oder der Westphalschen Wage bestimmt werden, gewöhnlich aber benutzt man Aräometer, deren Skalen für A. statt der spezifischen Gewichte die denselben entsprechenden Alkoholgehalte angeben (Alkoholometer, Branntweinwage). Man beobachtet bei beliebiger Temperatur, bestimmt diese mittels Thermometers, das bei dem Thermoalkoholometer mit dem Instrument verbunden ist, und benutzt eine Tabelle, nach der die gefundene Zahl (der scheinbare Alkoholgehalt) korrigiert wird. Sehr gebräuchlich ist das Volumprozent-Alkoholometer von Tralles. Das Richtersche Alkoholometer hat eine Gewichtsprozentskala, ebenso das[339] deutsche amtliche Alkoholometer.
Die Angaben nach Gay- Lussac (12°) stimmen mit denen nach Tralles überein. Auch die Aräometer von Baumé, Beck und Cartier sind noch im Gebrauch. In England vergleicht man den Spiritus mit einem proof spirit (von 57,09 Proz. Tralles), dessen Stärke mit 0 bezeichnet wird. 100 Gallons Spiritus von 20° underproof können aus 80 Gallons proof spirit und dem nötigen Wasser hergestellt werden. Zu 100 Gallons Spiritus von 20° overproof können noch 20 Gallons Wasser hinzugesetzt werden, um ihn auf die Stärke von proof spirit zu bringen. Das englische Aräometer (Hydrometer) von Sikes tritt beim Eintauchen in eine weingeistige Flüssigkeit mit der ganzen Skala heraus und wird durch Auflegen von Gewichten zum Einsinken gebracht; aus der Angabe der Skala ermittelt man in einer Tabelle den Alkoholgehalt der Flüssigkeit.
Zur Prüfung von Wein, Bier etc. auf ihren Alkoholgehalt mißt man 100 ccm der Flüssigkeit ab, spült das Meßglas mit etwa 50 ccm Wasser, gießt dies zu den 100 ccm in den Siedekolben und destilliert unter Anwendung eines guten Kühlapparats nahezu 100 ccm ab. Man ergänzt dann das Destillat durch Zugießen von Wasser genau auf 100 ccm, schüttelt um und ermittelt den Alkoholgehalt des Destillats, der gleich dem Alkoholgehalt der ursprünglichen Flüssigkeit ist, mittels des Alkoholometers.
Den in Deutschland amtlich benutzten Destillationsapparat zeigt Fig. 1. A ist das Destillationsgefäß, B der Kühlapparat mit innen verzinnter Messingschlange. Das Rohr C wird mittels zweier Schrauben u. Lederplättchen an A und B befestigt. Geißlers Vaporimeter (Fig. 2) gründet sich darauf, daß beim Erhitzen einer weingeistigen Flüssigkeit die Spannkraft der Dämpfe bei einer bestimmten Temperatur um so größer ist, je mehr Alkohol sie enthält. Das Instrument besteht aus einem Fläschchen a zur Aufnahme der Probe, das in Wasserdampf, der sich aus dem Gefäß c entwickelt, erhitzt wird. Die Dämpfe der alkoholischen Flüssigkeit drücken auf das Quecksilber in einem mit dem Fläschchen verbundenen Barometerrohr b und treiben es um so höher, je größer ihre Spannkraft ist. Die Skala des Barometers zeigt zugleich den Alkoholgehalt an. d ist ein Thermometer. Enthält die zu untersuchende Flüssigkeit Kohlensäure, so setzt man zunächst etwas gebrannten Kalk zu und filtriert. Silbermanns Dilatometer gründet sich darauf, daß sich Alkohol beim Erwärmen vom Nullpunkt bis zum Siedepunkt etwa 3,5 mal so stark ausdehnt als Wasser. Der Apparat ist ein Thermometerrohr, in das man die Probe füllt, und mit einer einfachen Vorrichtung zur Entfernung der Gase aus der Flüssigkeit versehen. Man erwärmt die Probe von 25 auf 50° und beobachtet, wie stark sie sich dabei ausdehnt. Die Skala des Rohrs gibt sofort die Alkoholprozente an. Beim Ebullioskop bestimmt man den Siedepunkt der Flüssigkeit und ermittelt aus einer Tabelle den entsprechenden Alkoholgehalt. Vgl. Kupffer, Handbuch der A. (Berl. 1865); Brix, Das Alkoholometer und dessen Anwendung (3. Aufl., das. 1864); Fischern, Praktische A. (2. Aufl., Dresd. 1872); Homann, Das Gewichtsalkoholometer und seine Anwendung (Berl. 1889); »Anleitung zur steueramtlichen Ermittelung des Alkoholgehalts im Branntwein« (7. Aufl., das. 1899); Windisch, Tafel zur Ermittelung des Alkoholgehaltes von Alkohol-Wassermischungen (amtlich, das. 1893).
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