Mutterkuchen

[333] Mutterkuchen (Placenta, Fruchtkuchen), das Organ, durch das der Embryo im Mutterleibe mit der Gebärmutter in Zusammenhang steht. Bei manchen lebendiggebärenden Haifischen bilden sich auf dem blutgefäßreichen Dottersack (s. Tafel »Embryo I«, Fig. 3 u. 5) zottige Vorsprünge, die in die Schleimhaut der Gebärmutter eingreifen und so (als Dottersackplacenta) eine Verbindung mit der Mutter bewirken. Unter den Säugetieren kann eine derartige Verbindung zwischen dem Körper der Mutter und dem Embryo noch bei Beuteltieren (Dasyurus) vorkommen, während die übrigen einen echten M. entwickeln. Man unterscheidet an ihm den mütterlichen und den embryonalen Teil. Ersterer wird von einem Stück der Wandung der Gebärmutter, letzterer von dem ihm anliegenden Teil der äußern Embryonalhülle (des Chorions) gebildet (s. Embryonalhüllen). Dieses treibt Zotten in die sehr blutgefäßreich gewordene Gebärmutterwand, so daß der Embryo fest in dieser wurzelt und gewissermaßen Nahrung aus ihr saugt. Innerhalb des Mutterkuchens strömt das Blut in weiten Gefäßen mit ganz dünner Wandung; diesen liegen die gleichfalls sehr zarten Gefäße des Embryos (s. d.) dicht an, und so kann das embryonale Blut durch die Wände hindurch aus dem mütterlichen Nahrung und Sauerstoff aufnehmen sowie allerlei unbrauchbare Stoffe dahin abgeben. Bei der Geburt nun ziehen sich entweder die Zotien des Chorions einfach aus den Vertiefungen in der Wand der Gebärmutter heraus, so daß von letzterer nichts verloren geht (bei den Mammalia nondeciduata [Indeciduata, Adeciduata]: bei Walen, Huftieren u.a.m.), oder es löst sich das Stück der Wandung als sogen. Decidua mit ab (bei den Mammalia deciduata: Nagetieren, Raubtieren, Fledermäusen, Affen, Menschen) und bildet mit den Eihäuten die Nachgeburt. Auch die Form des Mutterkuchens ist sehr verschieden; umgibt er das Ei wie ein Gürtel, so heißt er ringförmig (Placenta zonaria der Raubtiere), liegt er nur an einer Stelle dem Ei auf, so ist er scheibenförmig (P. discoidea, z. B. beim Menschen), ist er in vielen kleinen Lappen (Kotyledonen) über das ganze Ei zerstreut, so heißt er Placenta multiplex (bei den Wiederkäuern) etc. Beim Menschen ist er scheiben- oder kuchen förmig, 3–4 cm dick, hat 16–21 cm im Durchmesser und wiegt 1/2-1kg (s. Tafel »Embryo II«, Fig. 2). Beim Menschen sitzt der M. an der vordern oder hintern Wand des Gebärmutterkörpers. Unter Vorliegen des Mutterkuchens (Placenta praevia) versteht man den abnormen Sitz desselben im untern Abschnitt der Gebärmutter, wobei er den innern Muttermund ganz oder zum Teil überlagert. Diese Anomalie führt bei Beginn der Wehentätigkeit zu teilweiser Ablösung des Mutterkuchens von seiner Anhaftungsstelle und gibt dadurch Anlaß zu heftigen Blutungen, die für Mutter und Kind mit Lebensgefahr verbunden sind. Die Therapie muß auf Stillung der Blutung und möglichst baldige und schonen de Entbindung gerichtet sein. Außer diesem pathologischen Sitz des Mutterkuchens kommen eine ganze Reihe von entzündlichen Veränderungen am M. zur Beobachtung, deren Ursache nicht immer mit Sicherheit festgestellt werden kann. Von Geschwülsten sind besonders die Cysten am M. zu nennen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 333.
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