[673] Fledermäuse (Chiroptera insectivora Wagn., hierzu Tafel »Fledermäuse I u. II«), Unterordnung der Handflügler (Chiroptera), Tiere mit kurzer Schnauze, unvollständig entwickeltem, krallenlosem Zeigefinger, großen, mit Klappen bedeckten Ohren und Flughaut (vgl. Handflügler). Sie halten Winterschlaf, einige aber, wie die Speckmaus und die nordische Fledermaus Vesperugo Nilsonii und V. noctula, auch die Teichfledermaus (Vespertilio dasycnema), ziehen zum Winter scharenweise nach dem Süden. Auf Trinidad tritt eine Fledermaus als Bestäuberin von Leguminosenblüten auf, indem sie in den Blüten sich aufhaltenden Insekten nachstellt. Gosio hat nachgewiesen, daß die F. für Pestgift empfänglich sind, und daß auf ihnen lebende Flöhe gelegentlich auf den Menschen übergehen und das Pestgift übertragen können. Bei den Blattnasen (Istiophora Spix.) ist die Nase mit einem mehr oder weniger entwickelten, die Nasenlöcher umgebenden häutigen Besatz versehen. Dieser besteht aus einem hufeisenförmigen, nach der Schnauzenspitze konvexen Stück, in dessen Konkavität sich ein zweites, sattelförmiges, nach hinten häufig sich in einen Fortsatz erhebendes Stück findet. Überragt wird dies durch ein mit breiter Basis entspringendes, lanzettförmig zugespitztes Nasenblatt. Die hierher gehörigen F. finden sich in den heißen und gemäßigten Ländern aller Erdteile und nähren sich von Insekten; die meisten von ihnen saugen aber Blut, und einige fressen Früchte. Sie zerfallen in fünf Familien, von denen die der Blattnasen (Phyllostomatidae) die heißen Gegenden Amerikas und seine Inseln bewohnt. Man findet sie meist in großen Wäldern, in hohlen Stämmen, zwischen Blättern, mehr einzeln als gesellig. Die Blutsauger fallen Pferde, Esel, Maultiere, Kühe, Hühner, auch den Menschen an, erzeugen fast schmerzlos eine sehr kleine, flache Wunde und saugen aus dieser Blut aus, dessen Menge aber zu unbedeutend ist, um die gebissenen Tiere wesentlich zu benachteiligen. Wie die Wunde erzeugt wird, ist nicht sicher festgestellt; daß die F. dabei mit den Flughäuten fächeln, ist eine Fabel. Die größte Art ist der Vampir (Vampyrus spectrum Geoffr., Tafel I, Fig. 4 u. 5), in Brasilien und Guayana. Er wird 16 cm lang und 70 cm breit, hat einen dicken, langen Kopf mit sehr vorgezogener Schnauze, große, länglichrunde Ohren, ein kleines, schmales, lanzettartiges Nasenplättchen auf breitem Stiel, zwei grosse, nackte Warzen vorn auf der Unterlippe und eine glatte Oberlippe. Der Pelz ist oben dunkelbraun, unten gelblich graubraun, die Flughaut braun. Er lebt hauptsächlich von Insekten und Früchten, gehört aber[673] erweislich nicht zu den Blutsaugern. Die ägyptische Klappnase (Rhinopoma microphyllum Geoffr., Tafel I, Fig. 1), etwa 5 cm lang, mit fast ebenso langem, dünnem Schwanz und 20 cm Flugbreite, langhaarig, lichtgrau, findet sich in so großen Scharen in Höhlen und Mauerlöchern, daß ihr Kot den Boden in starker Schicht bedeckt. Wahrscheinlich stammt also von ihr wenigstens ein Teil des in den Handel kommenden Fledermausguanos. In Europa findet sich die Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae), deren Arten einen sehr stark entwickelten Nasenaufsatz, ohne häutig entwickelten Ohrdeckel, mit breiten, verhältnismäßig kurzen Flughäuten und sehr kurzem Schwanz besitzen. Die kleine Hufeisennase (Rhinolophus hippocrepis Bonap.), 6 cm lang, 22 cm breit, ist grauweißlich, oben etwas dunkler, lebt in Höhlen, Mauerlöchern, unterirdischen Gewölben etc., oft zu Hunderten, von Südengland bis zum Kaukasus, hält ziemlich lange Winterschlaf, fliegt erst bei eintretender Dunkelheit und sehr unsicher, lebt von Insekten, saugt aber auch Blut, z. B. von andern Fledermäusen und Tauben, wirft gewöhnlich zwei Junge. Häufiger ist die große Hufeisennase (R. ferrum equinum Keys. et Blas., Tafel I, Fig. 2 u. 3), die 9 cm lang und über 30 cm breit wird und eine sehr große Nasenplatte und ziemlich große Ohren hat; das Männchen ist oben aschgrau, unten hellgrau, das Weibchen oben licht rötlichbraun, unten rötlichgrau. Sie findet sich in Mitteleuropa bis Algerien und dem Libanon, geht im Sommer im Gebirge bis 2000 m Höhe, lebt gesellig, erscheint im ersten Frühjahr abends spät und fliegt nicht sehr gewandt und nicht hoch.
Die zur zweiten Gruppe der F., den Glattnasen (Gymnorhina Wagn.), gehörenden Tiere haben keinen blattartigen Anhang an der Nase, aber stets einen Ohrdeckel; sie finden sich überall, nur nicht in kalten Gegenden, am häufigsten in südlichen Ländern, meist an dunkeln, einsamen Orten, bisweilen in Wäldern, zwischen dem Laub, auch in einzeln stehenden hohlen Bäumen, in Höhlen und Schluchten, Gewölben, Ruinen, im Gebirge und in der Ebene, selbst an den Küsten. Gewöhnlich leben sie gesellig, und besonders zum Winterschlaf scharen sie sich zusammen. Diesen beginnen sie früh im Herbst und dehnen ihn ziemlich weit bis ins Frühjahr aus. Die meisten fliegen während der Dämmerung und in den ersten Nachtstunden, ruhen von Mitternacht bis gegen Morgen und jagen dann abermals. Sie fliegen sehr gewandt und entgehen Raubvögeln durch geschickte Wendungen, klettern auch gut, laufen aber auf der Erde sehr ungeschickt. Die Nahrung besteht aus Insekten, namentlich Nachtschmetterlingen, Eintagsfliegen, Käfern etc.; sie vertilgen deren eine große Zahl und werden dadurch sehr nützlich, gelegentlich fressen sie auch kleine Wirbeltiere. Gesichts- und Geruchsinn sind wenig, Gehör und Gefühl aber auffallend stark entwickelt; die Stimme besteht in einem starken, pfeifenden Zwitschern, bisweilen in durchdringendem Geschrei. Sie begatten sich im Herbst, die Befruchtung erfolgt aber erst im Frühjahr, und bald darauf werfen sie 12 Junge, die, an den Zitzen hängend, von der Mutter im Fluge herumgetragen werden. Sie lassen sich zähmen und werden oft sehr zutraulich. Von den drei Familien ist die der Vespertilionidae Wagn. am wichtigsten. Die gemeine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus Keys. et Blas., Tafel II, Fig. 2) ist 8,4 cm lang, 24 cm breit, mit 3,5 cm langen Ohren; der Pelz ist graubraun, unten etwas heller, das Gesicht bis an den Hinterrand der Nasenlöcher lang behaart mit langen, weißen Barthaaren; Flughaut und Ohren licht graubraun. Sie findet sich in Europa bis 60° nördl. Br., in Nordafrika, Westasien und Ostindien. ist bei uns eine der gemeinsten Arten, lebt gern in der Nähe menschlicher Wohnungen, fliegt ziemlich spat nachts und ziemlich hoch, nicht sehr schnell, besonders an lichten Stellen im Walde, in Baumgärten, Alleen, schläft bei Tage und im Winter in Gebäuden und hohlen Bäumen und erscheint spät im Frühjahr. Die frühfliegende Fledermaus (Vesperugo noctula Keys. et Blas., Tafel II, Fig. 4 u. 5) wird 11 cm lang, 37,2 cm breit, ist rötlichbraun, an den Ohren und Flughäuten dunkel schwarzbraun, findet sich in Europa bis Norddeutschland, fliegt hoch, erscheint abends zuerst, oft schon einige Stunden vor Sonnenuntergang, lebt meist in Wäldern, in der Nähe menschlicher Wohnungen nur, wenn ausgedehnte Baumpflanzungen vorhanden sind; sie ist äußerst gefräßig und hält langen, tiefen Winterschlaf. Die Zwergfledermaus (V. pipistrellus Keys. et Blas. Tafel II, Fig. 3) ist 6,7 cm lang, 1718 cm breit, oberseits gelblich rostbraun, unterseits mehr gelblichbraun, an den dickhäutigen Ohr- und Flughäuten dunkel braunschwarz. Sie findet sich in ganz Europa und Asien bis zum 60.° nördl. Br. und ist in Deutschland die gemeinste Art. Abends erscheint sie sehr pünktlich, aber je nach Jahreszeit und Witterung zu verschiedener Stunde. Ihr Flug ist sehr gewandt. Sie lebt sehr gesellig und schart sich namentlich während des kurzen und ununterbrochenen Winterschlafes zu Hunderten und Tausenden, die große Klumpen bilden. Die Mopsfledermaus (Synotus barbastellus Keys. et Blas., Tafel II, Fig. 1), 9 cm lang, 26 cm breit, oberseits dunkel schwarzbraun, unterseits etwas heller graubraun, lebt in England, Frankreich, Italien, Deutschland, Schweden und der Krim, besonders in waldreichen, gebirgigen Gegenden, auch hoch in den Alpen, überwintert meist einsam und hält sehr kurzen und ununterbrochenen Winterschlaf. Sie fliegt sehr früh und bei jeder Witterung, meist an Waldrändern und in Baumgärten, seltener zwischen den Häusern der Dörfer, und nährt sich hauptsächlich von Schmetterlingen; sie ist verträglich, einigermaßen zähmbar und hält ziemlich gut in der Gefangenschaft aus. Vgl. Koch, Das Wesentliche der Chiropteren (Wiesbad. 1865); Matschie, Die Megachiroptera des Berliner Museums für Naturkunde (Berl. 1899ff.).
Meyers-1905: Fledermäuse [2]
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