Samaritervereine

[512] Samaritervereine, Vereine für erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen. Anfänge zu Samaritervereinen lassen sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen, besonders in England und dessen Kolonien. Aus dem Jahre 1417 existiert eine holländische Verordnung, betreffend Samariterwesen. Gegen das Ende des 18. Jahrh. gibt es schon eine ganze Reihe von Verfügungen in den verschiedenen Ländern, die verordnen, den in Not befindlichen Nebenmenschen beizuspringen, und Anleitung zur Wiederbelebung Verunglückter geben. In jener Zeit entstanden die ersten organisierten Rettungsgesellschaften in Holland. 1882 gründete dann v. Esmarch nach englischem Muster den Deutschen Samariterverein in Kiel, hielt auch Unterrichtskurse ab und schrieb einen Leitfaden für Samariterschulen. In den folgenden Jahren breitete sich die Bewegung rasch aus, so daß 1895 unter Leitung des Leipziger Arztes Aßmus der Deutsche Samariterbund, eine Zusammenfassung der Landes- oder Provinzial-S., gegründet werden konnte, der 1896 den ersten deutschen Samaritertag in Berlin abhielt. Der Samariterbund mit dem Sitz in Leipzig (Organ: »Zeitschrift für Samariter- und Rettungswesen«, Leipz. 1895 ff.) hat zum Zweck den Zusammenschluß der Einzelvereine, die Ausbreitung und einheitliche Gestaltung des Rettungswesens, Herbeiführung einer Statistik, Verbindung mit den entsprechenden Roten Kreuz-Vereinen und Einfluß auf die Gestaltung des Samariterunterrichts; Leitung und Verwaltung liegt in den Händen von Ärzten. Die einzelnen S. haben spezialisiertere Programme, z. B. in Leipzig Leistung der ersten Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen, Transport der Verunglückten, Sorge für rasche ärztliche Hilfe (Sanitätswachen), Erteilung von Unterricht, vor allem an Schutzleute, Feuerwehrleute, Post- u. Eisenbahnbeamte, Bau- und Werkmeister, aber auch an sonstige hilfswillige Personen; die Stadt Leipzig zahlt dem Verein einen jährlichen Zuschuß von 25,000 Mk., er hält jährlich etwa 14 Lehrkurse ab, die Wachen beschäftigen 31 diensttuende Ärzte, die erste Hilfe wird in 8–9000 Fällen jährlich geleistet. Ähnliche Einrichtungen, zum Teil in größerm Maßstabe, besitzen von deutschen Großstädten nach Berlin, Bremen, Breslau, Dresden, Frankfurt a. M., Hamburg, Altona, Hannover, Kiel, Köln, Königsberg, Lübeck, München, Nürnberg, Stettin, Stuttgart. – England hat seit 1877 einen gut organisierten Samariterdienst in der St. John's Ambulance Association in London, die für ganz England und die Kolonien tätig ist. Österreich-Ungarn besitzt in Wien und vielen andern Städten freiwillige Rettungsgesellschaften. In Frankreich besitzen namentlich Paris und Bordeaux in den Stations d'ambulance, bez. in der Société des Ambulances urbaines hoch entwickelte Samaritergesellschaften. In Japan untersteht das gesamte Rettungswesen dem Ministerium, die erforderlichen Mittel werden durch Steuern und einen jährlichen Regierungszuschuß aufgebracht. Vgl. v. Esmarch, Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen (21. Aufl., Leipz. 1906), Samariterbriefe (Kiel 1886) und Samaritertafeln (das. 1890); Liebe, Jakobsohn und Meyer, Handbuch der Krankenversorgung und Krankenpflege, 2. Bd. (Berl. 1903); George Meyer, Das Samariter- und Rettungswesen im Deutschen Reiche (Münch. 1897); Sultan und Schreiber, Die erste Hilfe in Notfällen (für Ärzte; Leipz. 1903); Baur, Lehrbuch für den Samariterunterricht (Wiesb. 1903); Wegner, Der Lehrer als Samariter (Leipz. 1904); Guttmann, Der Samariter des Touristen (Berl. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 512.
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