Scherff

[743] Scherff, Wilhelm von, preuß. General, geb. 6. Febr. 1834 in Frankfurt a. M., trat 1852 in die preußische Armee, machte die Feldzüge 1866 und 1870/71 als Generalstabsoffizier mit, wurde Abteilungschef im Großen Generalstab, war 1873–78 Lehrer an der Kriegsakademie und 1878–79 Mitglied der Grenzregulierungskommission in Bulgarien. Nach seiner Rückkehr wurde er Kommandeur des 29. Infanterieregiments, 1882 Chef des Generalstabes des 11. Armeekorps, 1883 Brigadekommandeur, 1888 Generalleutnant und Kommandeur der 33. und 1889 der 18. Division. 1891 nahm er den Abschied und lebt als General der Infanterie z. D. in München. S. ist einer der bekanntesten zurzeit lebenden deutschen Militärschriftsteller. In der Taktik ist er der Hauptvertreter einer Richtung, die das deutsche Infanterie-Exerzierreglement von 1888 wegen der darin jedem Unterführer gelassenen großen Freiheit in der Gefechtsführung heftig angreift und im Interesse des Gesamterfolges ein mehr gebundenes Angriffsverfahren verlangt (Scherffscher Normal- oder Einheitsangriff) im Gegensatze zu dem vom Reglement vertretenen kampftaktisch freien, sogen. »Auftragsverfahren«. Die Erfolge des japanischen durchaus freien Angriffsverfahrens im russisch-japanischen Kriege geben jedoch S. nicht recht, und das neue deutsche Reglement von 1906 betont infolgedessen die Freiheit des Unterführers noch mehr, als es früher geschah. S. schrieb: »Gymnastik und Fechtkunst in der Armee« (mit Görne und Mertens, Berl. 1858); »Anleitung zum Betrieb der Gymnastik und der Fechtkunst in der Armee« (anonym, 1861); »Zur Taktik der Zündnadel-Infanterie« (1863); »Die Schlacht bei Beaune la Rolande« (1872); »Studien zur neuen Infanterietaktik« (1873–74,4 Hefte); »Zwei- oder dreigliederig?« (1874); »Die Infanterie auf dem Exerzierplatz« (1875); »Die Lehre von der Truppenverwendung als Vorschule für die Kunst der Truppenführung« (1876–79, 2 Bde.; 2. Aufl. u. d. T.: »Von der Kriegführung«, 1883); »Einige taktische Grundsätze als Anhalt für die Ausbildung der Infanterie« (1879); »Reglementarische Studien« (1891–92,2 Hefte); »Delbrück und Bernhardi« (1892); »Praktische Taktik und taktische Theorie« (1893); »Unsere heutige Infanterietaktik im Spiegel der Augustkämpfe 1870 um Metz« (1893); »Kriegslehren in kriegsgeschichtlichen Beispielen der Neuzeit« (1894–97,5 Hefte); »Die Lehre vom Kriege auf der Grundlage seiner neuzeitlichen Erscheinungsformen« (1897); »Der Schlachtenangriff« (1898–1900, 2 Tle.); »Die Division v. Beyer im Mainfeldzug 1866« (1899); »Einheitsangriff oder individualisierter Angriff nach den Erfahrungen des südafrikanischen Krieges« (1902); »Gewehr und Gelände im heutigen Angriffskämpfe« (1904); »Vergleichender Rückblick auf die neueste Tagesliteratur über den Infanterieangriff« (1906), sämtlich in Berlin erschien en; ferner zahlreiche Aufsätze im »Militär-Wochenblatt« und in den »Süddeutschen Monatsheften« 1904–05 die Studie »Einführung in das Studium des Krieges«. In der Sammlung »Militärische Klassiker des In- und Auslandes« hat S. Clausewitz' Werk »Vom Kriege« herausgegeben (Dresd. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 743.
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