[242] Volksvertretung (Volksrepräsentation), das aus gewählten oder sonstwie bestellten Mitgliedern (Abgeordnete, Deputierte, Landstände, Repräsentanten) zusammengesetzte Vertretungsorgan (Landtag, Parlament, Gesetzgeben der Körper), das die Interessen des Volkes gegenüber der Regierung wahrnimmt, und dem ein Recht der Mitwirkung bezüglich wichtiger Staatshandlungen, namentlich der Gesetzgebung und der Ordnung des Staatshaushaltes, zusteht. Die V. der heutigen Repräsentativverfassung (Repräsentativsystem) in der konstitutionellen Monarchie unterscheidet sich von dem frühern landständischen System dadurch, daß nach letzterm nur gewisse bevorrechtete Stände (»Landstände«) zur Bildung der Vertretungskörper berufen waren, während die heutige V. eine Vertretung des Volkes in seiner Gesamtheit bezweckt, so daß die Abgeordneten nicht lediglich als Vertreter ihres Standes oder ihres Wahlkreises erscheinen, auch an Weisungen ihrer Wähler (»imperatives Mandat«) nicht gebunden sind (parlamentarisches, konstitutionelles System). Dasselbe gilt von der repräsentativen Demokratie (s. d.). In den größern Staaten besteht nach dem Vorgang Englands die Einteilung der V. in zwei Körperschaften (Zweikammersystem, im Gegensatz zum Einkammersystem der Kleinstaaten), von denen die Zweite Kammer (Unterhaus, Abgeordnetenhaus, Volkskammer) lediglich aus Wahlen der Staatsbürger hervorgeht, während die Erste Kammer (Oberhaus, Herrenhaus, Pairskammer, Senat) auf Grund von Ernennungen durch die Krone, ständischer Wahlen und besonderer Notabilität oder vermöge erblichen Rechtes zusammengesetzt wird. Doch ist in manchen Staaten, wie in Frankreich und Belgien, auch die Erste Kammer (Senat) Wahlkammer. Die Erste Kammer soll ein konservatives Gegengewicht der Zweiten Kammer gegenüber bilden; zugleich soll durch das Zweikammersystem eine gründliche Erörterung der politischen Fragen gefördert und der Grundsatz[242] der Mehrheitsentscheidung, welcher der Abstimmung in den Kammern zugrunde liegt, gemildert werden. Die deutsche Reichsverfassung hat das Zweikammersystem nicht: denn der Bundesrat ist keine Kammer, sondern das Organ der verbündeten Regierungen. Obgleich das ständische System aufgegeben wurde, ist doch die Bezeichnung Stände (Landstände) für die Landtage vielfach geblieben. Die Wahlen sind durch besondere Wahlgesetze geregelt (s. Wahl). Über die Volksvertretungen der einzelnen Staaten vgl. die betreffenden Artikel (z. B. Frankreich, Preußen etc.) und den Artikel »Reichstag«.