Fistel

[315] Fistel (Fistula, Chir.), 1) Fistulöses Geschwür, oft röhrenförmiges Geschwür (Ulcus fistulosum, s.d.), das sich unter der Haut od. zwischen andern Theilen fortsetzt, also größtentheis bedeckt ist u. sich immer mehr od. weniger hartnäckig in der Heilung zeigt; bes. 2) die Eigentliche F., ein krankhafter Kanal, welcher in einen Behäl (er od. Kanal des Körpers geht, dessen Inhalt sich durch denselben widernatürlich entleert, mit einem anfangs schleimhautähnlichen, später callösen Überzuge, meist Folge von Entzündungen, welche die Wände von Kanälen, Höhlungen u. Organe zerstören, od. Verschwärungen, seltener von Verwundungen. Nicht immer lassen sich beide Zustände genau trennen. Theils nach den leidenden Theilen, theils nach den ausgeleerten Flüssigkeiten unterscheidet man folgende F-n: a) Mastdarmfistel (F. ani), in der Nähe des Afters, entweder blos bis zur Wand desselben reichend u. sich außen öffnend, od. diese auch zugleich durchdringend, od. auch nur im Innern desselben eine Öffnung ohne äußere Öffnung u. einen Kanal bildend; b) Gallenfistel (F. biliosa), entleert Galle u. führt aus der Gallenblase od. aus den Gallengängen in die äußere Haut des Unterleibes od. in einen Darm, um sich da zu öffnen; c) Hornhautfistel (F. corneae), röhriges streifenartiges Geschwür der Hornhaut, dieselbe durchdringend od. nicht; d) Zahnfistel (F. dentaria), Hohlgeschwür des Zahnfleisches, meist von den Zähnen od. den Kieferknochen ausgehend; e) Thränenfistel (F. lacrymalis), beruht auf Verstopfung, Verengerung od. Verschließung der die Thränen ableitenden Kanale des Thränensacks u. des Nasenkanals durch Schleim, Auflockerung, Anschwellung od. Verhärtung ihrer Häute, ist einfach od. mit Entzündung, [315] Eiterung od. mit F-n der Thränenkanäle u. ihrer Nachbarschaft od. Knochenfraß des Thränenbeins complicirt, meist auf dyskrasischem Zustande, vorzüglich skrophulösem od. venerischem wurzelnd; f) Speichelfistel (F. salivalis), betrifft vorzüglich die Ohrspeicheldrüse u. ihren Kanal u. entleert Speichel durch die Wange; g) Harnfistel (F. urinaria), führt aus den Harnwegen, vorzüglich der Harnröhre u. der Blase (Blasenfistel) nach äußeren od. inneren Theilen u. Höhlungen, od. bildet von denselben ausgehende Hohlgeschwüre ohne anderweitige Öffnungen, od. sich nach außen öffnende u. nur bis in die Nähe der Harnwege gelangende Hohlgeschwüre; h) Kothfistel (F. stercorea), in die Höhle des Darmkanals führende, widernatürliche, veraltete Öffnung in der Bauchwand, durch welche, liegt die Öffnung des Darms näher nach dem Magen hin, mehr Chymus, liegt sie mehr abwärts, mehr Koth ausgeleert wird, mit Verwachsung der Darmöffnung u. der Bauchwand, theilweise od. gänzliche Zerstörung eines Darmringes u. entweder noch offenem od. geschlossenem (Widernatürlicher After, Anus praeternaturalis) Wege durch den Mastdarm; entsteht in Folge von, die Bauchwand u. den Darm durchbohrenden Wunden od. Abscessen u. in Brand übergegangenen Brüchen u. stört die Ernährung um so mehr, je höher die Öffnung des Darms liegt. Durch anhaltende Rückenlage, Sorge für gehörigen Abfluß des Koths, nährende Diät, öftere Klystiere u. Abführungsmittel, so wie passende Behandlung der Wunde gelingt es bisweilen, die Koth-F. zu heilen, indem sich die äußere Öffnung schließt, der Darm sich zurückzieht u. das nachgezogene Darmfell eine trichterförmige Öffnung für den Durchgang des Koths bildet. Bilden dagegen bei völliger Zerstörung eines Darmrings die beiden Darmstücke in ihrer Verbindung nach hinten einen spitzigen Winkel u. die Communication des Darms störenden Vorsprung, so muß dieser durch die Dupuytrensche Scheere entfernt werden. Die eigentl. F. heilt selten durch die Naturkraft u. innerliche Mittel. Die Heilung derselben bezweckt eine organische Verschließung der F. u. die Ableitung der sie unterhaltenden Flüssigkeitnach einem anderen Wege. Jenes geschieht, indem die Ränder derselben nach vorhergegangener Ausschneidung oder Kauterisation vereinigt werden, od. indem man die F. unterbindet, od. mit dem Messer od. der Scheere aufspaltet, od. wohl auch den ganzen Kanal schneidet; dieses, indem man den natürlichen Ausführungsgang eines Theiles wieder öffnet od. einen neuen bildet, od. das absondernde Organ durch Compression od. Kauterisation zu seiner Function untauglich macht. 3) (Fistelstimme, Musik), so v.w. Falset.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 315-316.
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