Hagestolz

[847] Hagestolz, 1) im Althochdeutschen (haga-stalt, hai-staldi) ein Lohnknecht, ein Anfänger in einer Sache, bes. aber ein einzeln Wohnender, nicht einer Familie Angehöriger u. kein liegendes Gut Besitzend er; 2) jetzt Einer, welcher nicht durch körperliches od. bürgerliches Unvermögen veranlaßt, sondern aus eigenem Willen über die Jugendjahre hinaus im ehelosen Stande bleibt. Die Griechen hatten scharfe Gesetze gegen die H-e (s. Agamu Dike); Lykurg belegte sie sogar mit entehrenden Strafen (s. Lakonika). In Rom erhob man seit 403 v. Chr. zum Besten des Staatsschatzes von den H-en (Caelibes) eine Abgabe (Aes uxorium, Hagestol ensteuer). Nach der vom Kaier Augustus erlassen Lex Julia et Papia Popaea konnten dieselben auch Nichts aus einem Testamente erwerben, wenn sie sich nicht noch innerhalb 100 Tagen nach dem Tode des Testators verehelichten. Ausgenommen hiervon waren nur diejenigen, welche wegen jugendlichen od. zu hohen Alters keine Ehe schließen können, Spadonen, Vestalische Jungfrauen, Witwen u. geschiedene Frauen, indem den ersteren ein Jahr, den letzteren ein halbes Jahr Freiheit verstattet war Auch erstreckte sich diese Unfähigkeit zum Erwerb aus Testamenten nur auf Testamente von solchen Personen, welche mit dem H-n entweder nur in einem über den sechsten Grad der Verwandtschaft hinausgehenden Grade od. gar nicht verwandt waren. Das den H-n dadurch verkümmerte Erbe fiel regelmäßig zunächst den anderen zur Erbschaft Berufenen, welche Kinder (Jus liberorum) hatten, u. in Ermangelung solcher dem Fiscus anheim. Auch machte früher in Deutschland in einigen Districten von Braunschweig (hier 1730 aufgehoben), Hannover, Württemberg u. der Pfalz der Landes- od. Gutsherr Ansprüche auf die Erwerb- u. Errungenschaft (nicht Erb-, Lehn- u. Stammgüter) derer, welche bis ins 50. Jahr unverheirathet blieben, od., vor dem 30. Jahre kinderlos verwirtwet, sich nicht wieder verheirathet hatten. Dies Recht hieß das Hagestolzenrecht od. Hagestolziat, Vgl. Wernher, De jure hagestolziatus, Wittenb. 1724; Scherz, De jure hagest., Strasb. 1726; Kreß, De jure hagest. in ducatu Guelpherb., Helmst. 1727.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 847.
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