Kopfgrind

[704] Kopfgrind (Tinea capitis, Porrigo), befaßt verschiedene chronische Ausschläge des behaarten Kopfes nach der im Ganzen mehr zufälligen, allen gemeinsamen Form des Ausgangs in Grindbildung. Zu dem K. gehört der Kleiengrind, s.d. Der Asbestartige K. (Tinea amiantacea s. asbestina), aus aufrechtstehenden, glänzenden, weißen Schuppen bestehend, welche scheidenartig ein od. mehrere Haare umfassen u. mit ihnen in die Höhe wachsen. Wenn sie größere Flecken einnimmt, gibt sie der Kopfhaut ein asbestartiges, faserig glänzendes Ansehen. Der Räudige K. (Flechtengrind, T. serpiginosa), entsteht aus deutlichen Flechten- (herpetischen) Bläschen; bei Vertrocknung der Bläschen entstehen Schorfe wie bei der Milchborke, welche zuweilen vom Kopf herab zur Stirn u. ins Gesicht wandern, daher auch Milchschorf genannt. Der Feuchte K. (T. muciflua s. mucosa), ist der eigentliche Milchschorf (s.d.), welcher vom Gesicht nach den behaarten Theilen des Kopfes wandert u. hier mit seinen Krusten die Haare verklebt; befällt zumeist Kinder mit blondem, seidenartig weichem Haare. Der Körner-K. (T. granulata s. granulacea), läßt an mehreren Stellen des behaarten Kopfes, bes. am Scheitel- u. Hinterkopfe, dunkle, braune od. braunröthlich gefärbte, unregelmäßige, körnige Schorfe von verschiedener Größe bemerken, welche von einer aus Pusteln od. Bläschen ausschwitzenden, schnell vertrocknenden u. verhärtenden Flüssigkeit herrühren u. durch Kratzen, sowie Wachsthum der Haare in hanskornähnliche Stücke zersprengt werden. Er befällt zumeist dunkelhaarige Kinder vom dritten Lebensjahre bis zur Pubertät u. wird bes. von viel Ungeziefer begleitet. Der Waben-K. (T, favosa, Favus), entsteht durch Entwickelung einer eigenthümlichen, gelben Schimmel- od. Pilzmasse (Achorion Schönleinii) in dem gemeinsamen Ausführungsgange der Haar- u. Talgdrüsen; zuerst stellt er kleine, schwefelgelbe, von einem Haare durchbohrte Punkte u. Bläschen dar, welche sodann zu der als Favus bezeichneten Form von schüsselförmigen, einem umgekehrten Krebssteinchen ähnlichen, gelben Schorfen emporwachsen u. dabei die Haut überragen, dieselbe aber zugleich gruben- od. napfförmig auseinander drängen. Nach u. nach rücken sie in Form der Waben eines Bienenstockes an einander od. verschmelzen zu breiteren, schildförmigen Gruppen (T. scutulata), od. wachsen zu bohnengroßen (T. lupinosa) od. unregelmäßigen, durch Kratzen u. Aufplatzen zerklüfteten (T. suberosa) Grundmassen an. Die Haarzwiebeln schwellen an, erkranken, vertrocknen endlich u. fallen aus. Die unterliegende Haut geräth leicht durch fast unwillkürliches Kratzen in eiternde Entzündung (T. maligna s. ulcerosa) od. in schwammige Wucherung (T. ficosa) u. die Weichtheile können bis auf den Knochen zerstört werden. Bisweilen verbreitet sich der Favus auf das Gesicht u. wird hier oft mit dem Ansprung od. Milchschorf verwechselt. Die Lymphdrüsen am Halse schwellen zuweilen bedeutend an, verhärten od. verjauchen zuletzt. Der Waben- K. ist ansteckend u. gilt für erblich, entwickelt sich aber vorzüglich durch Unreinlichkeit u. Vernachlässigung, zumal der Haarpflege, bei gleichzeitiger schlechter, Nahrung u. Wohnung; er dauert oft bis über die Pubertätsjahre hinaus, hinterläßt stets kahle Stellen, auf denen die Haare ausgefallen u. die Haardrüschen[704] verkümmert sind u. die Haut häufig in Narbensubstanz verwandelt ist. Der Kahlgrind (T. tondens), s.d. Die K-e kommen am häufigsten,. keineswegs aber ausschließlich w; Kindesalter bis zur Pubertät hin vor, u. man glaubt, daß diese Anlage durch eine in diesem Alter bestehende Richtung der Nildungssäfte nach dem Kopfe bedingt sei. Zuweilen hängen sie mit Skropheln, Würmern Hautausschlägen zusammen, od. sind die Folge unzweckmäßiger Diät, Vernachlässigung der Reinlichkeit u. zu warmer Kopfbedeckung. Bei der ärmeren Volksklasse sind Waben- u. Flechtengrind häufig, bei den wohlhabenderen der keuchte u. de: Körner-K Häufig gellen sich zu K. Drüsenanschwellungen am Halse, welche mit Abheilung desselben wieder schwinden. Alle Arten des K-s sind langwierig u. oft schwer heilbar; manche von ihnen gelten sogar für heilsam, als wenn sie innere Krankheiten abwenden könnten. Bei vielen K-en scheint dagegen das Gehirn leicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden, wenn man mich nicht von zurückgetretenen Kopfausschlägen reden darf. Die Heilung des K-es ist verschieden je nach den Ursachen u. verschiedenen Art u. bei allen aber ist Reinlichkeit gleich nothwendig, welche durch Abschneiden des Haares an den kranken Stellen sehr gefördert wird, dann wendet man außer lauwarmen Waschungen mit Seifenwasser od. Milch, Einreibungen mit Al u. verschiedenen Salben an, ja beim Wabengrind sogar Ätzmittel. Die ältere Methode, den Wabengrind zu heilen, bestand darin, daß man die Haare mit Streifen von Pechpflaster bedeckte u. dann Plötzlich mit denselben ausriß, hierzu auch wohl die Bedeckung des ganzen Kopfes mit der Pechhaube wählte (Dropacismus), welche aber jetzt nicht mehr in Anwendung kommt. Vgl. Willan, A pract. treat. on porrigo, Lond. 1314; Plumbe Pract. essay on porrigo, ebd. 1821; Petersenn, De tinea capitis, Dorp. 1825; Mahon, Recherches sur le siège et la nature des teignes, Par. 1829.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 704-705.
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