Literaturgeschichte

[426] Literaturgeschichte, die Darstellung des geistigen Lebens der Menschheit in seinem Fortschritte, in sofern sich dasselbe in den schriftlichen Denkmalen bekundet. Die L. ist somit ein Zweig der Culturgeschichte; sie stellt dar den Ursprung, den Fortgang, die Blüthe u. das Hinwelken der Wissenschaften u. der schönen Redekünste, mit Erwähnung der Personen, die als Wohlthäter der Menschen in beiden Fächern, u. der Werke, durch welche sie, viele noch nach Jahrtausenden u. in schon verhallten Sprachen, zu uns reden. Früher beschränkte sich die L., wie z.B. in Reimann's Versuch einer Einleitung in die Historiam litterariam (6 Bde., Halle 1713) fast nur auf Anführung der einzelnen Schriftwerke nebst Angaben über deren Inhalt, Schicksale, Bearbeitungen, Übersetzungen etc. sowie auf Nachrichten von ihren Verfassern, dem Leben derselben, den Umständen, uuter denen sie schrieben, u. anderen äußerlichen Dingen; in neuerer Zeit betrachtet man die Aufzählung von Schriften u. deren Verfassern (die Bibliographie u. literärische Biographie [s. b.], welche man auch wohl unter dem Namen Literär- od. Literargeschichte von der wirklichen L. unterscheidet) als Nebensache u. richtet das Hauptaugenmerk auf den Entwickelungsgang des Inhalts der redenden Künste u. der Wissenschaften, zeigt, wie diese sich theils von innen heraus, theils begünstigt durch mancherlei äußere Umstände ausbildeten, wie der menschliche Geist jetzt zu der höchsten Höhe sich emporschwang, jetzt wieder sank, u. breitet so das, was der menschliche Geist aus dem Reiche der Wissenschaft u. Kunst als Ausbeute davon getragen hat, vor dem Auge des Lesers aus. Wiewohl sie bei Epoche machenden Werken u. Männern gern verweilt, erwähnt sie doch mehr das, wodurch das Feld der Wahrheit u. Schönheit angebaut u. erweitert ist. Werke dieser Art über die allgemeine L. verfaßten Eichhorn, Geschichte der Literatur von ihrem Anfange bis auf die neuesten Zeiten, 2. Aufl., Gött. 1818, 12 Bde.; Wachler, Handbuch der Geschichte der Literatur, 3. Aufl., Lpz. 1833, 4 Bde., u. Gräße, Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt, ebd. 1837–59, 3 Bde., in vielen Abtheilungen; in compendiarischer Form Gräße Handbuch, 3 Bde., Lpz. 1847–1850; Leitfaden, 2. Aufl. ebd. 1857, u. Merleker Musologie, ebd. 1856. Vortreffliche Arbeiten hat die neuere Zeit über die Geschichte der Nationalliteraturen einzelner Völker geliefert.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 426.
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