[305] Schlüsselgewalt (Potestas clavium, P. solvendi ligandique), 1) im weitern Sinne der ganze Umfang der Kirchengewalt, bes. die Ausübung der Kirchenzucht; 2) im engern Sinne (Amt der Schlüssel), die Befugniß des Geistlichen den Beichtenden vor dem Genuß des Abendmahls die Sünden zu vergeben (Löseschlüssel), wenn sie die Buße thun, od. nicht zu vergeben, sondern zu behalten (Bindeschlüssel), wenn sie nicht Buße thun (Potestas remittendi et retinendi peccata), u. zugleich die Macht die Excommunication zu verhängen. Die Sache gründet sich auf die Stellen Matth. 16, 19. u. 18, 18. bes. Joh. 20, 23., wo Jesus dem Petrus u. dann den übrigen Aposteln die Macht gibt zu lösen u. zu binden u. daran die Verheißung knüpft, was sie auf Erden binden od. lösen würden, solle auch im Himmel gebunden u. gelöst sein. Deutlich ist indeß die Macht Sünden zu vergeben nur in der Johannisstelle ausgesprochen, in den Matthäusstellen beziehen sich die bildlichen Ausdrücke von binden u. lösen nach dem neutestamentlichen Sprachgebrauch in der Bedeutung von erlauben u. verbieten, bestätigen u. aufheben nur auf die sociale Sphäre des Gemeindelebens, auf das Aufnehmen u. das Ausschließen aus der Gemeinde (Excommunication, Bann). In der Katholischen Kirche wird dem Papste, als dem Nachfolger des Apostels Petrus, die S. über den ganzen Erdkreis zugeschrieben u. dieselbe den Bischöfen für ihre Diöcese u. dem Priester bei der Priesterweihe übertragen, u. der Geistliche ertheilt die Vergebung der Sünde als solcher kraft seines Amtes; in der Protestantischen Kirche verheißt sie der Geistliche im Namen Gottes, so daß sie blos eine aussprechende, feierlich versichernde (declarativa), u. die Bedingung der Erkenntniß, Reue, des Glaubens u. der Besserung voraussetzende (conditionata), nicht übertragende, zueignende (collativa) u. richterliche, richtende (judicaria) ist. Auch die Excommunication wird in der Protestantischen Kirche nicht mehr geübt, in der Katholischen Kirche übt sie als großen Bann nur der Papst, als kleinen Bann auch die Bischöfe. Das Hauptstück von der S. (Amt der Schlüssel) im Kleinen lutherischen Katechismus ist übrigens nicht von Luther selbst, sondern erst seit 1554 auf Veranlassung Joh. Knipstrows in denselben gekommen, aber in das Concordienbuch nicht aufgenommen worden; vgl. Mohnike, Das sechste Hauptstück des Lutherischen Katechismus, Strats 1830.