Katechismus

[373] Katechismus (v. gr.), eine kurze Anweisung über irgend einen Gegenstand des menschlichen Wissens, zu mehrer Deutlichkeit gewöhnlich in Fragen u. Antworten abgefaßt; bes. versteht man darunter ein solches Lehrbuch der Religion. Die Katechismen kamen für die Volkslehre im Mittelalter bei den von der Römischen Kirche abfallenden Parteien, zuerst bei den Waldensern, auf, aber des Namens K. bedienten sich wohl zuerst die Böhmischen Brüder. Die Lehrbücher enthielten nur das Apostolische Symbolum, die zehn Gebote u. das Vaterunser. Auch Luther beschränkte sich in seinem[373] ersten K. von 1520 (Eine kurze Form, die zehn Gebote u. den Glauben zu betrachten u. das Vaterunser zu beten), aber die Erfahrungen, welche er bei der Kirchenvisitation im Jahre 1527 u. 28 über die Unwissenheit des Volkes u. dessen Lehrer gemacht hatte, veranlaßte ihn, zuerst den größeren für die evangelischen Prediger, dann den kleineren K. für den Unterricht des Volkes zu verfassen; beide zuerst 1529 gedruckt u. bes. der letztere unzählige Mal aufgelegt. Luther schrieb sie deutsch u. die lateinische Übersetzung in den Symbolischen Büchern, in welche sie im 16. Jahrh. aufgenommen wurden, ist wahrscheinlich von Selnecker. Der Kleine K. Luthers enthält a) die sechs Hauptstücke, nämlich: die zehn Gebote; die drei Artikel des christlichen Glaubens; das Vaterunser, od. die sieben Bitten; die Lehre von der Taufe; das Amt der Schlüssel; die Lehre vom Abendmahl. (Das Amt der Schlüssel ist nicht von Luther selbst u. daher in manchen neueren Ausgaben des K. wieder verschwunden, doch ist dafür die Lehre von der Beichte eingeschoben). b) Als Anhang, nicht von Luther, sind beigegeben: mehre Gebete; die Haustafel, eine Anweisung zum Verhalten für alle Stände u. Verhältnisse; Fragstücke für Communicanten. In der Reformirten Kirche erschienen, zu St. Gallen 1527, gleich darauf zu Basel von Öcolampadius u. zu Zürich 1534 von Leo Judä, zu Genf 1536 von Calvin, 1543 von Peter Virnt, zu Bern 1552 von Megander, zu Strasburg 1534 von Bucer u.a., verschiedene K., unter welchen der Genfer u. der Heidelberger od. Pfälzische den bedeutendsten Einfluß gewannen. Der Genfer K. von Calvin französisch geschrieben, dann lateinisch übersetzt, wurde von mehren Nationalsynoden der reformirten Franzosen 1594–1660 als symbolisches Buch betrachtet u. in Genf, in der Französischen Schweiz, den wallonischen Gemeinden, den Niederlanden, bei den sämmtlichen reformirten Gemeinden in Frankreich u. selbst in Ungarn als öffentliches Lehrbuch eingeführt. Die von der Lutherischen wesentlich abweichende Ordnung handelt die Religionslehre in 55 Sectionen nach den Sonn- u. Festtagen so ab, daß, nach einer Einleitung über den Zweck der Schöpfung des Menschen, Gott zu erkennen u. zu verehren, zuerst von dem Glauben u. Vertrauen Gottes u. der Rechtfertigung, dann von dem Gehorsam gegen Gott mit Einschluß der Lehre von der Buße u. der zehn Gebote, ferner vom Gebet, der Dankbarkeit vom Worte Gottes u. Predigtamte u. endlich von den Sacramenten geredet wird. Noch größeres Ansehen erlangte der Heidelberger K. (s.d.), der in 3 Theilen die Lehre von dem Sündenfall der Menschen, von der Erlösung u. von der Dankbarkeit abhandelt. Außer mehren Auszügen aus diesem K., welcher den Genfer K. theilweise verdrängte, sind der Kleine pfälzische K., in die dasige erneuerte Kirchenordnung 1685 eingerückt, u. der von der Dortrechter Synode ausgegangene Kurze Begriff der christlichen Religion die bemerkenswerthesten. Der Züricher K., aus den Katechismen L. Judä's 1534 u. Heinrich Bullingers entstanden u. bei der 1609 veranstalteten Durchsicht mit dem Heidelberger in Übereinstimmung gebracht, wurde 1639 bestätigt u. allgemein eingeführt. Der kurze, blos aus 24 Fragestücken bestehende, in die Liturgie auf Befehl Eduards VI. eingerückte K. der Englischen Episkopalkirche (Church Catechism) enthält eine Erklärung des Taufgelübdes, eine Umschreibung der Artikel, die zehn Gebote u. das Vaterunser u. den später auf Befehl Jakobs I. hinzugefügten, von Overal verfaßten Unterricht von den Sacramenten. Der K. der Presbyterianischen Kirche in England (The Assembly-Catechism, so genannt weil er auf Antrag der Synode in Westminster gegen die Hierarchie erschien), war zuerst größer u. erschien dann im Auszug; er handelt von den Glaubenslehren, von Gott, der Heiligen Schrift, Vorsehung, Sündenfall etc., von den Pflichten nach den zehn Geboten, vom Gebrauch der Heiligen Schrift, von den Sacramenten, dem Gebet etc.; er ist von der Englischen u. Schottischen Kirche recipirt. Die Evangelische Brüdergemeinde, obwohl in ihr einige K. geschrieben worden, gebraucht fast ausschließlich das in kurzen Sätzen mit Bibelstellen abgefaßte Büchlein: Der Hauptinhalt der Lehre Jesu Christi, Barby 1778. Bei den Arminianern ist der von Uytenbogaert verfaßte, 1640 erschienene remonstrantische K. nicht symbolisch. Eben so gestehen die Anabaptisten, deren erster K. von Menno Simonis 1033 erschien, keinem derselben ein bedeutendes Ansehen zu. Dagegen gelten den Socinianern der Rakauische K., so gen. von seinem Druckorte, begonnen von G. Pauli, verbessert von F. Socinus u. P. Statorius, vollendet von Valentin Schmalcius u. Hieronymus Moscovius, der größere 1605, ursprünglich in Polnischer Sprache, der kleinere 1629 u. öfters erläutert, als Symbolische Schriften. Die Quäker erhielten zuerst, angeblich von ihrem Stifter, G. Fox, 1660 einen, in Form eines Gesprächs zwischen Vater u. Sohn geschriebenen, 1673 aber einen von Rob. Barclay aus lauter biblischen Stellen zusammengesetzten K. Die Katholiken sorgten seit dem 16. Jahrh. auch für Katechismen, u. es wurden am weitesten verbreitet die beiden, auf Befehl des Kaisers Ferdinand I., von Petrus Canisius verfaßten K.; der Größere K. 1574: Summa doctrinae et instit. christ.; der Kleinere K. fast in alle Sprachen übersetzt, mehr als 400 Mal aufgelegt, aber nach Aufhebung des Jesuitenordens von dem K. des Abt Felbiger verdrängt. Die größte Celebrität erlangte der Tridentinische od. Römische K., welcher auf den Antrag des Concils zu Trident von den Cardinälen Sirletus, Antonianus, Borromäus u. zwei Bischöfen unter Assistenz eines Theologen umgearbeitet u. von dem Papst Pius V. bestätigt wurde. Die Griechische Kirche besitzt vom Jahre 1642 den sogen. Orthodoxen K. Ἔκϑεσις τῆς τῶν Ῥώσων πίστεως), später: das rechtgläubige Bekenntniß der Katholischen u. Apostolischen morgenländischen Kirche von Peter Mogilas, von dem Patriarchen Parthenius zu Constantinopel geprüft, von ihm u. mehren Patriarchen bestätigt, in russischer, slavonischer, griechischer, lateinischer, deutscher u. holländischer Sprache in der ganzen Griechischen Kirche angenommen. Außerdem gibt es, da dieser K. zu voluminös u. für das Volk zu schwer war, mehre griechische u. bes. russische Kleinere K.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 373-374.
Lizenz:
Faksimiles:
373 | 374
Kategorien: