Schweidnitz

[606] Schweidnitz, 1) sonst unmittelbares Fürstenthum in Nieder-Schlesien, begrenzt von Böhmen u. den Fürstenthümern Münsterberg, Jauer, Liegnitz, Breslau u. Brieg; 44 QM., 225,000 Ew.; jetzt getheilt in die Kreise Reichenbach, S., Strigau u. Waldenburg. Die Geschichte s. Schlesien (Gesch.). 2) Kreis des Regierungsbezirks Breslau; 10, re QM., 71,000 Ew.; von dem Zobtengebirge u. den Vorbergen des Waldenburger Gebirges durchzogen, wohlbewässert u. fruchtbar; 3) Kreisstadt darin u. vormalige Hauptstadt des Fürstenthums S., an der Weistritz u. an der Niederschlesisch-Märkischen Bahn; Festung dritten Ranges, indem vor der alten Befestigung mit Wall u. Graben, etwa 3–506 Schritte entfernt, 1747 von Friedrich dem Großen vier detachirte Forts in Form von sechseckigen, hinten offenen Sternschanzen mit einem Mantel u. zwei Forts von unregelmäßiger Gestalt angelegt u. diese Werke durch Curtinen verbunden sind, deren jede eine viereckige Redoute in der Mitte hatte. Vor der Fronte liegen drei detachirte Redouten od. Fleschen, andere sind durch Inundation gedeckt, vor den nicht inundirten Fronten sind Gegenminen angebracht. Diese Werke sind seit 1816 mit einigen Veränderungen hergestellt worden. S. ist Sitz der Kreisbehörden, hat königliches Besserungshaus im vormaligen Jesuitencollegium, 5 Kirchen (darunter katholische Pfarrkirche), Gymnasium, Ursulinerkloster mit Mädchenschule, Waisen- u. Wohlthätigkeitsinstitut, Hospital, Armen- u. Arbeitshaus, Theater, 2 Freimaurerlogen: Hercules u. Wahre Eintracht; Wollen- u. Leinweberei, Leder- u. Stärkefabriken, Pfefferkuchen u. Handschuhe, Fabriken in Papier, Rübenzucker, Mostricht, Essig, Zündwaaren etc., besuchte Getreide-, Vieh-, Wollen- u. Garnmärkte; 15,100 Ew. – S. gehörte bis ins 13. Jahrh. zu Breslau, wurde aber unter Herzog Bolko I. (regierte 1290–1302) mit dem Gebiet zu einem Fürstenthum erhoben u. erhielt bald das Übergewicht über die benachbarten Städte Jauer u. Münsterberg. Unter Bolko II., Bernhards Sohn, erhielten die Schweidnitzer 1345 das wichtige Privilegium mit ihren Ausfuhrartikeln nach Rußland durch Polen zu ziehen. Als Agnes, Bolkos II. Gemahlin, 1392 starb, fiel S. an Böhmen. 1517–22 waren Münzstreitigkeiten daselbst, s.u. Schlesien (Gesch.) S. 241. 1631 wurde S. von den Protestanten besetzt, 1633 von Wallenstein vergeblich belagert, aber später eingenommen; 1642 wurde es wieder von Torstenson belagert, u. bei einem mißlungenen Ersatzversuche fiel Franz Albert, Herzog van Lauenburg, General der Kaiserlichen.[606] S. blieb nun bei der Krone Böhmen bis 1741, wo es durch des Breslauer Frieden an Preußen abgetreten u. nun zur Festung umgeschaffen ward. 1757 wurde S. von den Österreichern unter Nadasdy, 1759 von den Preußen unter Treskow, 1761 wieder von den Österreichern unter Laudon u. nochmals von den Preußen unter Tauenzien eingenommen; letztere Belagerung war bes. durch den Minenkrieg merkwürdig, s. Siebenjähriger Krieg. Im Februar 1807 fiel es in die Hände der Franzosen, welche die Außenwerke sprengten, s. Preußisch-Russischer Krieg S. 577. Es wurde als Festung 1813 flüchtig, 1816 u. später besser wieder hergestellt. Den 31. Juli u. 1. August 1848 blutige Auftritte zwischen Militär u. Bürgern. Vgl. Julian Schmidt, Geschichte der Stadt S., Schweidn. 1848, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 606-607.
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