Tänzer

[243] Tänzer (Chorizantes, Choreatae, Dansatores, Tripudiantes), religiöse Schwärmer im 14. Jahrh. am Niederrhein, welche, weil sie ihren Tanz (Chorea St. Johannis, Danse de St. jean) zu Ehren des St. Johannes aufführten, auch Johannistänzer hießen u. aus Oberdeutschland gekommen, zuerst 1374 in Aachen auftraten. Dabei faßten sich Männer u. Frauen halbnackt u. bekränzt an der Hand, bildeten entweder einen Kreis od. stellten sich paarweis einander gegenüber u. tanzten auf den Gassen, in Häusern u. Kirchen, unter einförmigem Gesang u. Zuruf wilde Sprünge machend, bis sie erschöpft zu Boden fielen. Darauf stellten sich Convulsionen mit heftigen Schmerzen im Unterleibe ein, welche erst wichen, wenn ihnen der Unterleib mit Tüchern eingeschnürt od. sie mit Faustschlägen od. Fußtritten auf den Leib behandelt worden waren. Auch Visionen u. Verzuckungen wollten sie in dem Zustande der Convulsionen haben. In Kurzem hatte sich diese Tanzwuth bis nach Belgien u. Frankreich verbreitet; zahllose Menschen schlössen sich ihnen an, verließen Haus u. Hof, Kinder entliefen ihren Eltern, Gesindel aller Art lief mit. Sie waren Verächter der Kirche; am Tage tanzten sie in Städten u. Dörfern in den Kirchen vor den Altären u. Marienbildern, die Nächte wurden mit geschlechtlichen Ausschweifungen hingebracht. Viele starben in Folge der Aufregung. Der von ihnen öffentlich beschimpfte u. verwünschte Clerus suchte durch Processionen, Messen u. Litaneien dem Unwesen ein Ende zu machen, da dies nichts half, so wurde der Exorcismus gegen sie als vom Tanzteufel Besessene angewendet, was namentlich in Lüttich eine gute Wirkung that. Aber erst nach Verlauf eines Jahres hörte diese Manie mit eintretender Abspannung u. Erschöpfung auf u. nur einzelne Johannistänzer zeigten sich in den folgenden 3–4 Jahren in niederländischen Städten. 1418 traten wieder T. in Strasburg auf; indeß wurden sie in die Kapelle des St. Veit geführt u. hier durch, über sie gelesene Messen curirt; daher hießen sie hier St. Veitstänzer (verschieden von den am Veitstanz [s.d.] Leidenden). Ob die Tanzwuth eine physische od. eine moralische Epidemie war, ist unentschieden. Vgl. Hecker, Die Tanzwuth, eine Volkskrankheit im Mittelalter, Verl. 1832.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 243.
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