[577] 1. Der Weise von Meissen.
Während die Christen einen »dummen ⇒ Jungen« (s.d. 70) von Meissen als Sprichwort im Munde führen, haben die Juden ein diesem ganz entgegengesetztes Sprichwort; sie reden nämlich von einem »Weisen aus Meissen«. Die Entstehung dieses jüdischen, gewichtigen Sprichworts, das nur dann gebraucht wird, wenn der Jude die höchste menschliche Weisheit und tiefste religiöse Gelehrsamkeit bezeichnen will, ist einzig darin zu suchen, dass im Mittelalter die Stadt Meissen (besonders im 13. Jahrhundert) nicht nur die Metropole der Juden in den Marken Meissen, Osterland u.s.w. war, wo deren viele sogar ansässig waren und daselbst fast gleiche Rechte mit den Christen genossen, sondern hier auch das grösste Sanhedrin der Juden in Deutschland war, in welchem die jüdischen Gelehrten und Rabbi gebildet wurden. Noch sind die Namen Judenberg, der als Begräbnissplatz bezeichnet wird, und Judenthor übrig. In der Umgebung Meissens findet man hier und da noch sehr alte jüdische Leichensteine mit Jahreszahlen jüdischer Zeitrechnung aus den Jahren von 1200-1350 und nach 1370 (dazwischen fällt die grosse allgemeine Judenverfolgung in Deutschland), theilweise in Gebäuden, an Brunnen und Weinbergsmauern als Baumaterial benutzt und vermauert. (Sachsengrün, Dresden 1865, S. 23.)
2. Heute binde ich auff Meissen, Thüringen und Pleissen, und alles, was meinen Eltern je geward. Gott helffe mir zu dieser Fahrt, als wir vor Gott Recht haben.
»Also ritte er, der Markgraf Friedrich, dem der Spruch zugeschrieben ward, an die Schwaben, die im Heere des Kaisers Albrecht kämpften, und schlug sie in der Schlacht bei Lucka.« (S. ⇒ Glücken 18). Friedrich soll schon vor derselben sehr freudigen Muthes gewesen sein und zu seinem Rüstmeister gesagt haben: »Binde mir den Helm auf, da die Wappen der drei Länder Meissen, Thüringen und Osterland darauf stehen, denn ich will dieselben heute entweder erhalten oder ganz verlieren.« Und daher der obige alte Spruch.
3. Meissen wird ertrinken, Freiberg versinken; Dresen wird man zusammenkehren mit Besen. – Grässe, Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen (Dresden 1855), S. 203.