Siebenundzwanziger

* Es ist ein Siebenundzwanziger. (Schles.)

Zur Bezeichnung eines Mannes, der in seiner Sache zu Hause, aber für dieselbe mehr aus Starrsinn als aus vernünftigen Gründen eingenommen ist. Die Redensart hat in folgender Begebenheit ihren Grund. Zu Anfange des Dreissigjährigen Kriegs war ein grosser Theil der schlesischen Geistlichkeit mehr reformirt als lutherisch gesinnt. Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz und Wohlau, der den deshalb entstandenen Streitigkeiten äusserst feind war, wünschte eine Vereinigung beider Kirchen und befahl deshalb den Geistlichen zusammenzukommen, um diese Vereinigung zu Stande zu bringen. Ein Theil der lutherischen Geistlichkeit war dazu bereit; nur siebenundzwanzig echte (d.h. sehr starre und buchstabengläubige) Lutheraner widersetzten sich diesem Vorhaben und sandten eine Gesandtschaft an den Herzog nach Parchwitz, ihn zu bitten, den alten Glauben der Lutheraner zu schützen. Sie richteten aber nichts aus; der Herzog liess sie mit einem sehr ungünstigen Bescheid von sich. Als darauf mehrere von ihnen öffentlich gegen die Reformirten predigten, setzte er einige derselben von ihrem Amte ab. Dies bewog die übrigen, desto strenger an ihren Vorstellungen zu hängen; und so musste die schon so oft versuchte Vereinigung der Lutheraner und Reformirten natürlich unterbleiben. Man schrieb dies der Verbindung jener siebenundzwanzig Geistlichen zu, und nannte seit dieser Zeit jeden beharrlichen und in seiner Sache gewissen Mann einen Siebenundzwanziger. (Fülleborn, Bresl. Erzähler, 1806.) Am passendsten dürfte nun wol die Redensart auf solche angewandt werden, welche auf den Buchstaben irgendeines religiösen oder wissenschaftlichen Bekenntnisses geschworen haben, davon nicht abgehen, weil es die Worte ihres Meisters sind, wenn auch der Geist längst vorwärts geschritten ist und sie nur die Schale noch haben. Jene starrköpfigen Siebenundzwanziger sind in unsern Tagen wieder sehr zahlreich aufgetaucht, und sind noch ebenso wie 1628. Die zwei Jahrhunderte sind für sie nicht dagewesen. Es gibt aber Granitblöcke, die noch länger auf demselben Platze stehen und genau noch so aussehen, wie vor tausend Jahren.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 555.
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