[210] Begrüssung nennt man die meist vom Herkommen eingeführten Zeichen und Redensarten, durch die sich Menschen im Umgange miteinander Achtung, Ergebenheit, Zuneigung, Wohlwollen oder blos eine gewisse höfliche Aufmerksamkeit zu erkennen geben. Bei den nach europ. Weise civilisirten Völkern ist die Entblößung des Kopfes eines der verbreitetsten jener Zeichen, scheint aber erst im 16. und 17. Jahrh. allgemein Sitte geworden zu sein, obgleich sie in Gegenwart sehr vornehmer Personen längst üblich war. Ebenso gelten Umarmung, Handdruck und Kuß auch außer Europa bei vielen Nationen als Beweise der Achtung und Liebe, werden aber so verschieden angewendet, daß in dem einen Lande für sehr artig und anständig gilt, was im andern ungezogen wäre. In Frankreich und Deutschland hielten und halten es noch zum Theil die Frauen für eine Handlung seiner Sitte, wenn ihnen Männer die Hand küssen, während dies in Italien eine nur den nächsten Freunden erlaubte Vertraulichkeit und eine Beleidigung in Rußland sein würde, wo die Frauen auf die Stirn geküßt sein wollen. Ebenso würde man die bei uns übliche Sitte, daß sich Männer auf Mund und Wange küssen, in England mindestens lächerlich finden, wo der Handdruck als ebenso inniger Gruß gilt und man weit eher ein Frauenzimmer küssen dürfte, ohne den Anstand zu verletzen. Wechselseitige Berührungen spielen im Allgemeinen beim Ausdruck freundschaftlicher Gesinnungen eine Hauptrolle; so drücken zwei sich begrüßende Lappländer ihre Nasen fest aneinander; die Bewohner der neuen Philippinen nehmen Hand oder Fuß Dessen, den sie grüßen wollen und reiben sich damit das Gesicht; auf den Gesellschafts- und Freundschaftsinseln berührt man die Nasenspitze des zu Grüßenden, was dieser dadurch erwidert, daß er des Andern Hand ihm derb an Nase und Mund reibt. Fast bei allen asiat. Völkern sind die Begrüßungen sehr umständlich, vielfältig je nach dem Stande und Range der Personen und tragen meist das Gepräge sklavischer Denkungsart. Der Hindu in Bengalen berührt während einer tiefen Verbeugung Brust, Erde und Stirn mit der Hand und nennt sich des Andern unterthänigsten Sklaven; in Siam wirst sich der Geringere vor dem Vornehmen zu Boden, der hierauf Jemand von seinem Gefolge abschickt und untersuchen läßt, ob er etwas Übelriechendes genossen oder bei sich habe. Ist das der Fall, so gibt ihm der Vornehme mit einem Fußtritte das Zeichen zu schleuniger Entfernung, im andern Falle hebt ihn der Diener auf. Frauen werden dort mit dem Namen der kostbarsten Dinge und sie mögen noch so alt sein, immer mit »jung«, z.B. junger Himmel, junge Sonne, begrüßt. Bei den Chinesen erfodert die Menge der [210] Begrüßungsarten ein förmliches Studium, da jede Standesverschiedenheit darauf Einfluß hat. In Japan streift der Geringe zu Ehren des Höhern seine Sandalen ab, verbirgt die rechte Hand im linken Ärmel, senkt die Arme dann bis zu den Knieen und ruft: »Augh augh!« d.h. »Thu' mir nichts zu Leid«, indem er an dem Andern vorüberwankt. Auch in Afrika sind sklavische Begrüßungen üblich; so knien Abyssinier und andere Völker nieder und küssen die Erde. Viele Negerstämme ziehen sich so heftig an den Fingern, daß die Gelenke knacken, und auf der Goldküste umarmt man sich dabei. Die reitenden Mauren jagen auf den zu Begrüßenden los, als wollten sie ihn niederreiten und feuern ihm unter der Nase ihr Gewehr ab; bei einigen Völkern zieht man sich gar die Kleider aus, und der traulichste Gruß der Beduinen ist, einander den Bart zu küssen.
Verbeugungen und Entblößung des Hauptes sind bei vielen europ. Nationen ausreichend zu Begrüßung der vornehmsten Personen; die Russen pflegen sich dagegen vor ihren Gebietern niederzuwerfen und deren Knie zu umfassen, die Polen verneigen sich bis zur Erde, die Böhmen küssen die Kleider ihrer Vorgesetzten, der Türke verbeugt sich mit über der Brust gekreuzten Armen. Auch bedient man sich vieler Redensarten bei Begrüßungen, die zum Theil, wie unser »Guten Morgen« und »Guten Abend« von der Tageszeit bestimmt werden, wo man mit Jemand zusammentrifft. Der Ausdruck: »Gott grüß' Euch!« bedeutet eigentlich »Gott mach' Euch groß«, indem grüßen von dem plattdeutschen Worte gröten, d.h. großmachen, herkommt. In den katholischen deutschen Ländern hört man häufig den von Papst Benedict XIII. 1728 empfohlenen katholischen Bundesgruß »Gelobt sei Jesus Christus«, welcher mit »In Ewigkeit Amen!« erwidert wird. Ehedem hatte auch jedes Gewerbe seinen besondern Handwerksgruß, mit dem sich die wandernden Gesellen bei den Meistern meldeten, um Arbeit oder den gewöhnlichen Zehrpfennig zu erhalten; weil aber viel Misbrauch damit getrieben wurde, verbot 1731 ein Reichstagsbeschluß diese Sitte, zu welcher auch der noch übliche Bergmannsgruß »Glück auf!« gehört. – Die seit dem 16. Jahrh. in Deutschland eingeführten militairischen Begrüßungen, das Salutiren genannt, bestehen in Berührung der Kopfbedeckung, Senken der Fahnen, des Degens, Erheben der Gewehre, Rühren des Spiels u.s.w. Schiffe, die sich begegnen, begrüßen einander durch Abfeuerung der Kanonen, Herablassen oder Aufziehen der Flagge und Zuruf der Mannschaft, auch pflegen sie unter ähnlichen Ehrenbezeigungen in Häfen einzulaufen und sie zu verlassen.