Siam

[178] Siam ist ein ehemals mächtigeres, jetzt sehr herabgekommenes Königreich der hinterind. Halbinsel. Es liegt in der Mitte derselben. Zwei Gebirgszüge trennen es westl. von Birma, östl. von Anam. Zwischen diesen liegt die eigentliche Hauptmasse des Landes, das Flußgebiet des Menam, seines Hauptstroms. Außerdem gehören noch der östl. Küstenstrich der Halbinsel Malakka bis zur Insel Tantalam, ein ähnlicher Küstenstrich auf der andern Seite des Meerbusens von S. und die Inseln dieses Meerbusens dazu. Die Grenzen gegen N. sind nicht genau zu bestimmen. Die Bodenfläche gibt man auf 4000 ! M., die Einwohnerzahl auf 2,800,000 an. Das Tiefland von Menam ist durch die jährlichen Überschwemmungen desselben sehr fruchtbar, die Gebirge aber eine noch gänzlich unbekannte Wildniß. In diesen findet man viele S. eigenthümliche Thierarten, als weiße Elefanten, weiße Affen, weiße Büffel, weiße Rehe. Die weißen Elefanten sind ein Gegenstand fast göttlicher Verehrung, und ein solcher wird stets am Hofe des Königs auf das prächtigste gehalten. Zahlreich sind auch andere wilde Thiere, als Bären, Tiger, Leoparden, Riesenschlangen. Die wichtigsten Producte des Pflanzenreichs sind Reis (fast der einzige Gegenstand des Anbaus im Großen); Mais, Zucker (erst durch die Chinesen eingeführt), Kaffee, Baumwolle, Betel, Pfeffer, Zimmet, Rosenholz, Tikholz u.a. Auch finden sich edle Metalle und edle Steine. Gewerbe und Kunstfleiß fehlen bis auf Weberei von baumwollenen und seidenen Zeuchen noch fast ganz, und auch der Handel, der größtentheils in der Hand von Fremden ist, wird durch den Despotismus sehr daniedergehalten. Die Einwohner, die sich Thoe, d.h. freie Leute, nennen, sind theils eigentliche Siamesen, mongolischer Abstammung, von dunkler, ins Röthliche spielender Hautfarbe, kleiner Gestalt, fast viereckigem Gesichte, flacher Stirne, kleinen und schiefen Augen und großem Munde mit dicken Lippen, theils Malaien, Chinesen, Hindus, Nachkommen der Portugiesen und Mischlinge. Von den Siamesen verschieden sind auch die im Innern und an den westl. und östl. Grenzen lebenden Kas, Laos, Cambodjaner und Peguaner. Die Religion [178] ist die buddhistische; die Priester heißen Talapoinen. Der Ritus hat, wie bei allen Bekennern des Buddhaismus, mit dem röm.-katholischen Ähnlichkeit. Der Zustand des Volkes ist noch sehr roh, der größte Theil geht noch beinahe nackt. Es zerfällt in Freie und Sklaven; erstere müssen indessen sechs Monate für den König frohnen. Der König ist ein unumschränkter Despot; er zeigt sich beinahe nie öffentlich, nur kriechend nahen sich ihm seine Minister, Todtenstille herrscht um seinen Palast, nur Weiber und Verschnittene umgeben und bedienen ihn. Die jetzige Dynastie herrscht seit 1782; vorher hatte das Land, soweit wir seine Geschichte verfolgen können, wechselnde Schicksale, und war mehrmals benachbarten Völkern, namentlich den Birmanen, unterworfen. Dabei wurden auch Verbindungen mit den Europäern angeknüpft, am meisten mit den Portugiesen, welche auch das Recht erhielten, die christliche Religion zu predigen. Es befinden sich daher noch in beiden Hauptstädten christliche Kirchen. Die jetzige Haupt-und Residenzstadt heißt Bankasai oder Bankok, unweit der Mündung eines Nebenarmes des Menam. Sie dehnt sich zu beiden Seiten desselben fast eine Meile weit aus, hat aber wenige Straßen, sondern besteht aus zerstreuten Häusern, die der Überschwemmung wegen auf Bambuspfählen erbaut sind, oder auf Flößen schwimmen. Die Stadt ist wichtig wegen des Handels, den indessen fast nur die hier ansässigen Chinesen betreiben. Die Angabe der Einwohnerzahl schwankt von 100–400,000. Die frühere Hauptstadt und der Bauart nach jener ähnlich ist Si-yo-thiya oder Juthia, auf einer Insel des Menam weiter im Innern.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 178-179.
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