Crell

[484] Crell (Nikolaus), kursächs. Kanzler, ein durch seine glänzende Laufbahn und seinen traurigen Tod merkwürdiger Mann, geb. um 1552 zu Leipzig, wo sein Vater Bürgermeister und Professor der Rechte war. Seine wissenschaftliche Bildung erhielt C. auf der Fürstenschule zu Grimma und in Leipzig, wo er die Rechte studirte, in Kurzem Professor derselben ward und durch seine Vorlesungen einen solchen Ruf erlangte, daß ihn der Kurfürst August als Unterhofmeister des Kurprinzen nach Dresden berief und 1580 zum Hofrath ernannte. Nachdem der Kurprinz als Christian I. 1586 zur Regierung gelangt war, erhielt C. das wichtige Amt eines Kanzlers der Landesregierung, und da er der Regierung mit Klugheit vorstand und im Besitze des ganzen Vertrauens des schwachen Regenten war, so besaß er die höchste Gewalt im Lande, was ihn aber als bürgerlichen Emporkömmling zum Ziele des Hasses des Adels und der Landstände machte. Noch mehr Gegner erweckte sich C. dadurch, daß er die in jener Zeit in der lutherischen Kirche allgemein gehaßten und verfolgten Anhänger calvinistischer Lehren in Schutz nahm, viele geistliche Stellen mit heimlichen Calvinisten besetzte und unter andern Veränderungen im Kirchenwesen 1591 das Verbot des Gebrauchs des Exorcismus (s.d.) bei der Taufe durch ein kurfürstliches Rescript herbeiführte, wodurch er nicht nur die streng lutherisch gesinnte Geistlichkeit, sondern auch den gemeinen Mann heftig gegen sich aufbrachte. Da C. alle Zugänge zum Kurfürsten versperrt hielt, so blieb diesem jedoch der allgemeine Unwille verborgen, als aber nach dem Tode desselben 1591 das Land unter die vormundschaftliche Regierung des eifrig lutherischen Herzogs Friedrich Wilhelm von Weimar kam, brach der allgemeine Haß desto heftiger aus. Alle zum Nachtheil des lutherischen Glaubens erlassenen Verfügungen wurden aufgehoben, viele des Calvinismus verdächtige Prediger vertrieben oder zum Widerrufe gezwungen, C. aber auf Antrag der Kurfürstin Witwe und eines Ausschusses der sächs. Ritterschaft noch vor Beerdigung Christian I. in Verhaft genommen und auf den Königstein gebracht. Zwar berief er sich in dem nun wider ihn eingeleiteten Processe hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Anklagen überall auf Billigung seiner Anordnungen durch die Unterschrift des verstorbenen Kurfürsten, fand aber bei seinen von Haß und Rachbegierde verblendeten Gegnern kein Gehör. Nach zehnjähriger harter Gefangenschaft, in welcher ihm nicht einmal seine Gattin und Kinder zu sehen verstattet war, wurde sein Proceß dem Kaiser Rudolf II. zur Entscheidung vorgelegt, der durch das böhm. Appellations-Kammergericht die Todesstrafe durch das Schwert über C. erkennen ließ, weil er sich vielfältig pflichtwidriger Handlungen sowol im Lande als durch auswärtige Verbindungen und der Störung der Ruhe im Vaterlande [484] schuldig gemacht habe. Dies Urtheil ward auch am 9. Oct. 1601 unter Christian II. auf dem Markte zu Dresden vollzogen und noch zeigt man in Dresden das große Schwert, durch welches C.'s Haupt fiel.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 484-485.
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