[163] Gehör, der Sinn, durch welchen der Mensch und die Thiere den Schall wahrnehmen, d.h. ein schnelles, der Luft [163] und allen andern umgebenden Dingen sich mittheilendes Schwingen oder Erbeben der schallenden Körper. (S. Schall.) Das Organ des Gehörs ist das Ohr (s.d.). In den kalten Polargegenden soll man viel weiter zu hören im Stande sein, als in unsern und in den warmen Gegenden, welches seinen Grund wol in der Stille hat, welche in jenen Gegenden herrscht und in der man noch das kleinste Geräusch zu unterscheiden vermag. Je höher man sich dagegen in die Luft erhebt, desto schwächer wird, wie die Stimme, so auch das Gehör, welches unstreitig eine Folge der mit der Höhe zunehmenden Dünne der Luft ist. In einem Raume, der nur noch sehr wenig Luft enthält, z.B. unter der Glocke der Luftpumpe (s.d.) vernimmt man gar keinen Schall mehr. Man zeigt dieses, indem man unter der Glocke der Luftpumpe ein Uhrwerk schlagen läßt. Außer dem Brausen und Klingen, welche sehr häufige Erscheinungen sind und namentlich in verschiedenen Ohrenkrankheiten auftreten, kommen auch noch andere Erscheinungen vor, welche beweisen, daß das Gehör wie das Gesicht (s.d.) mancherlei Täuschungen ausgesetzt ist, indem es Töne wahrnimmt, die keinen äußerlichen Ursprung haben. Es kommt nicht selten vor, daß man gewisse Dinge, sogar Worte und Sätze zu hören meint, welche in der That nicht laut geworden. Es ist dies nicht mehr zu bewundern, als daß zuweilen Menschen bei völlig gefunden Sinnen, wenn sie ihren Geist mit großer Anstrengung unverwandt auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet erhalten, für die lautesten Töne eine Zeit lang alle Empfindung verloren haben. Das Gehör ist endlich mancherlei Täuschungen dadurch ausgesetzt, daß es die Gegend, aus welcher der Schall kommt, nicht mit großer Schärfe zu unterscheiden vermag, besonders wenn derjenige Körper (gewöhnlich die Luft), welcher den Schall fortpflanzt, denselben nicht in gerader Linie zum Ohre zu bringen vermag. Auf der Täuschbarkeit des Gehörs beruht großentheils die Kunst der Bauchredner (s.d.). Der völlige Mangel des Gehörs ist Taubheit, eine Krankheit, die entweder erst später sich ausgebildet hat, oder angeboren ist. Die angeborene Taubheit ist gewöhnlich mit Stummsein verbunden, weil der Taube die ihm vorgesprochenen Töne nicht nachzubilden vermag. (S. Taubstumme). Dafür, daß Stummsein nicht Taubheit zur nothwendigen Voraussetzung hat, geben die Fische ein Beispiel, welche hören und dabei stumm sind. Hörten sie nicht, so könnte man nicht z.B. Karpfen abrichten, auf den Schall einer Glocke zur Fütterung sich zu versammeln. Theilweiser Mangel des Gehörsinnes ist Schwerhörigkeit. Um das Gehör zu schärfen, hat man auf Instrumente gesonnen, welche dem Ohre dieselben Dienste leisten sollen, wie dem Auge die Brille, ohne daß man es jedoch zu einer den Brillen an Brauchbarkeit einigermaßen entsprechenden Erfindung zu bringen vermocht hat. (S. Hörrohr.) Taubheit und Schwerhörigkeit sind oft von höchst merkwürdigen Erscheinungen begleitet. So ist es eine bekannte Thatsache, daß namentlich Musikverständige, wenn sie späterhin auch das Gehör fast ganz verlieren, doch noch eine lebhafte und genaue Empfindung für Musik behalten. Es gibt sehr schwerhörige Personen, welche zu hören vermögen, wenn ein anhaltendes starkes Geräusch ihr Gehör trifft, und zwar nicht sowol dieses Geräusch, sondern Töne, welche neben demselben laut werden, z.B. die Stimmen Sprechender beim Gerassel eines Wagens, bei dem Wirbeln einer Trommel und dergl. Man hat auch Fälle beobachtet, wo völlig taube Menschen eine das Gehör ersetzende Empfindlichkeit in der Herzgrube besaßen.