Geruch

[197] Geruch bezeichnet sowol die riechbaren Bestandtheile eines Körpers, als den Geruchssinn. Das Organ des letztern ist die Nase (s.d.) mit ihrer schleimhäutigen Auskleidung und den in dieser sich verbreitenden Geruchsnerven. Diejenigen Theilchen, welche ein riechender Körper von allen Punkten seiner Oberfläche ausströmen läßt oder die ihm durch die Bewegung der Luft entrissen werden, verbreiten sich in dieser, und werden durch das Einathmen in die Nase und hier mit der Schleimhaut in Berührung gebracht, wo sie dann der Geruchsnerv in seiner ganzen Ausbreitung empfindet. Dringen die riechenden Theilchen durch die beständig offenstehenden Nasenlöcher auch von selbst ein, ohne daß es dazu erst des Einathmens bedarf (weshalb, wenn wir uns einem üblen Geruche entziehen wollen, wir die Nase gänzlich verschließen müssen), so gelangen sie doch erst durch die mit dem Einathmen verbundene Bewegung der Luft in das Innere und namentlich in den obern Theil der Nasenhöhle, wo sich vorzugsweise der Geruchsnerve ausbreitet. Die Verrichtung des Riechens wird bei dem Menschen auf mannichfache Art durch die Structur des Geruchsorganes, der Nase, erleichtert und begünstigt. Erwähnung verdienen in dieser Beziehung die hohe Stelle, welche die Nase an dem menschlichen Körper einnimmt, die horizontale und nach unten gehende Richtung ihrer Öffnungen, die knorpelige Beschaffenheit und Beweglichkeit der Nasenflügel u.s.w. Der Geruch ist jedoch der unvollkommenste Sinn des Menschen, während ihn die Thiere in beiweitem höherm Grade besitzen. Menschen, die in einem rohen Culturzustande leben und sich mehr der ihnen zu Gebote stehenden natürlichen Hülfsmittel bedienen müssen, zeichnen sich durch scharfen Geruch aus; so z.B. die Neger, welche im Stande sind, durch den Geruch zu unterscheiden, ob ein Mensch, der sich ihnen nähert, ein Weißer oder ein Neger ist. Der Geruchssinn dient vorzüglich zur Erforschung der Eigenschaften der Luft, die wir athmen, und der Nahrungsmittel, die uns dargeboten werden. An das Wunderbare grenzende Dienste leistet der Geruch den Thieren, so z.B. dem Hunde, der [197] durch ihn im Stande ist, seinen Herrn, von dem er vielleicht Meilen weit hinweggebracht worden ist, dessen Wohnung oder ihm zugehörige verlorene Gegenstände wieder aufzufinden. Die Brauchbarkeit des Hundes zur Jagd beruht auf der Schärfe seines Geruchs. Auch sollen, durch den Geruch geleitet, die Zugvögel stets nach den nämlichen Orten, die sie früher bewohnten, zurückfliegen u.s.w. Viele Thiere finden nur mit Hülfe ihres feinen Geruchs diejenigen Nahrungsmittel auf, die ihnen zusagen, und werden andererseits allein durch ihn vor Giften gewarnt. Der Geruchssinn ist manchen krankhaften Veränderungen unterworfen. Selten fehlt er in Folge ursprünglicher Bildungsfehler. Fortwährende Reizung der Nasenschleimhaut, Geschwüre derselben, krankhafte Zustände des Gehirns können völligen Verlust des Geruchssinnes zur Folge haben. Während eines heftigen Schnupfens schwindet er ebenfalls für einige Zeit, kehrt aber nach dem Aufhören desselben zurück. Widernatürlich gesteigert erscheint er dagegen zuweilen bei nervenschwachen Personen und solchen, die an einer krankhaften Erregung des Gehirns leiden. Mitunter machen nur bestimmte Gerüche einen unangenehmen Eindruck auf dergleichen Menschen. Allzu starke Gerüche, namentlich wenn sie anhaltend eingesogen werden (z.B. von Lilien), ziehen Kopfschmerz, Ohnmacht, ja wol gar Tod nach sich, daher man sich hüten soll, starkriechende Gegenstände in den Zimmern zu halten. Eine krankhafte Umstimmung des Geruchssinnes, vermöge deren angenehme oder unangenehme Gerüche, die nicht vorhanden sind, wahrgenommen oder auch widrige Gerüche absichtlich aufgesucht werden, beobachtet man fast ausschließlich bei hypochondrischen und hysterischen Personen. Bisweilen sollen Menschen, die an Epilepsie leiden, kurz vor dem Anfalle Veilchen zu riechen glauben, oder sich im Gegentheil über einen übeln, unangenehmen Geruch beklagen. Die Eintheilung der Gerüche riechender Gegenstände in angenehme und unangenehme (stinkende) ist sehr unbestimmt, weil es eigentlich keinen an sich schlechten Geruch gibt, denn jeder allzu starke Geruch wird unangenehm, wogegen auch höchst übelriechende Körper, in sehr kleinen Dosen angewendet, einen angenehmen Geruch erzeugen. Zwischen Geruch und Geschmack herrscht eine ähnliche Verwandtschaft, wie zwischen Gesicht und Gehör, sodaß die Wahrnehmungen beider Sinne häufig miteinander verwechselt werden. (Vergl. Sinne.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 197-198.
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