Hof [2]

[397] Hof bezeichnet ursprünglich jeden umfriedigten Platz, namentlich einen solchen, der sich bei Gebäuden befindet und gleichsam eine Erweiterung derselben bildet. In übertragener Bedeutung hat man dann die Gesammtheit alles Dessen, was mit einem solchen Hofe in näherer oder entfernterer Beziehung steht, Hof genannt. So z.B. heißen die Frohndienste, welche auf dem Herrenhofe von den Bauern zu leisten sind, Hofedienste, das Verzeichniß derselben [397] und der Hörigen, welche sie zu leisten haben, Hofbuch, das Inventarium eines Bauernhofs Hofbuch u.s.w. Vorzugsweise heißt Hof aber die gesammte Umgebung eines regierenden Fürsten und der Mitglieder seiner Familie, sowie man die zu demselben gehörigen Personen als Gesammtheit den Hofstaat nennt. Alle Einzelne dieser Personen werden durch Beisetzung des Wortes Hof zu ihrem Amts- oder Ehrentitel ausgezeichnet. Auch oft in gar keiner directen Verbindung mit dem Hofe stehenden Anstalten, Künstlern und Handwerkern wird das Wort Hof als ehrende Bezeichnung zugegeben, z.B. Hofapotheke, Hofsattler u.s.w. Die Gesammtheit der Regeln, welche bestimmen, was bei Hoffesten und überhaupt bei allem Auftreten bei Hofe für anständig gilt, sowol in Bezug auf Kleidung (Hofkleidung) als Benehmen, und auf deren Beobachtung streng gehalten wird, heißt die Hofetikette, das Hofceremoniel. Die Hofetikette war ehemals, wo man auf das Äußere mehr gab als gegenwärtig, noch viel strenger als jetzt und wurde mitunter, wie z.B. am span. Hofe, sowol für die Fürsten wie für alle sich ihnen Nahende zum lästigsten Zwange. Die seinen, nicht grade gefoderten, aber stillschweigend eingeführten, bei Hofe üblichen Regeln für das Benehmen bilden den Hofton, die Hofsitte. Eine Zeit lang bediente man sich an den Höfen zur Conversation lieber einer ausländischen Sprache als der vaterländischen, namentlich war bei den meisten Höfen die franz. Sprache auf diese Weise als Hofsprache eingeführt. Noch jetzt gilt es im Allgemeinen an den meisten Höfen als Regel, daß zu den ehrenvollern Stellungen im Hofstaate nur Adelige zugelassen werden. Die Ursache hiervon war ursprünglich, daß früher die Adeligen allerdings vorzüglich durch gesellschaftliche Bildung sich auszeichneten, sowie im Besitz eines hinreichenden Vermögens und freier Zeit waren, um sich dem Hofleben, welches Beides erfodert, widmen zu können. Auch ging man von der Ansicht aus, daß es der Würde des Fürsten gemäß sei, nur von Denen umgeben und bedient zu werden, welche als die Vornehmsten im Volke anerkannt waren. Alle Diejenigen, welche nach ihrem Range in der bürgerlichen Gesellschaft berechtigt sind, bei Hofe zu erscheinen, werden hoffähig genannt. Außer den Adeligen gehören zu den hoffähigen Personen die höhern Geistlichen, alle Offiziere, die vornehmen fürstlichen Beamten und ausgezeichnete Gelehrte und Künstler, die letztern jedoch nur ausnahmsweise. An verschiedenen Höfen herrschen hierüber verschiedene Regeln, welche in der Hofordnung, wo auch die Rangfolge der hoffähigen Personen festgesetzt ist, angegeben sind. In Rußland wird das Recht, bei Hofe zu erscheinen, nur durch den Rang, nicht aber durch die Geburt ertheilt. Zu den Hoffesten, welche sehr verschiedener Art sind, gehören namentlich die Couren, in denen der Fürst, von seinem Hofstaate umgeben, sich Fremde vorstellen läßt, Gratulationen annimmt u.s.w. Der Ort, wo sich der Fürst mit seinem Hofe aufhält, wird mit einem veralteten Worte das Hoflager genannt.

Was nun die innere Einrichtung des Hofstaates, die Bezeichnung und Vertheilung der Hofämter betrifft, so herrschen bei den verschiedenen Höfen sehr verschiedene Einrichtungen. Die angesehensten der Hofbeamten sind: der Oberhofmeister, welcher die Hoffeste anordnet, auf Beobachtung der Hofetikette hält und dem Hofstaate des Fürsten ebenso vorsteht, wie die Oberhofmeisterin dem Hofstaate der Fürstin; der Oberkämmerer, welcher den Dienst um die Person des Fürsten beaufsichtigt; der Oberhofmarschall, welcher die Oberaufsicht über die Ökonomie, das Hauswesen, Küche, Keller u.s.w. hat; der Oberstallmeister, der Oberhofjägermeister u.a. Zur Gesellschaft der Fürstin dienen die Hofdamen, Ehrendamen, Hoffräuleins. Die Kammerherren, welche sich durch zwei goldene Knöpfe über dem rechten Rockschoße auszeichnen, an welche sie im Dienst eine Schleife mit einem goldenen Schlüssel befestigen, sind die vornehmsten Diener und zugleich die Gesellschafter des Fürsten. Der Titel Kammerherr wird jedoch auch als bloßer Ehrentitel ertheilt. Kammerjunker, Hofjunker und Pagen (s.d.) sind auf die Kammerherren folgende adelige Diener des Fürsten. Für die niedrigern Dienstleistungen sind (bürgerliche) Kammerdiener, Kammerfrauen, Hoflakaien u.s.w. angestellt. Die vornehmsten Hofämter sind in neuerer Zeit, ähnlich wie ehemals die Erbämter (s.d.) des deutschen Reiches, von verschiedenen Fürsten an einzelne angesehene Familien als Lehn übertragen worden, und es gibt auf diese Weise Erboberhofmeister, Erbmarschälle u.s.w., doch verrichten dieselben den Dienst in der Regel nicht, sondern neben ihnen gibt es noch wirkliche Oberhofmeister u.s.w. – Hofgerichte heißen in einigen Staaten die obern Landesgerichte. – Hof- und Staatskanzler ist der Titel, welchen in Östreich der erste, das ganze Ministerium leitende Minister führt. In Preußen führte der Fürst Hardenberg (s.d.) diesen Titel. – Hofrath, Reichshofrath hieß sonst ein Collegium zur Berathung der Regierungsangelegenheiten. Solche Collegien wurden seit dem 16. Jahrh. in Deutschland eingeführt und gestalteten sich allmälig zu obern Gerichten um. Hofrath ist auch ein Ehrentitel, der verdienten Beamten und Gelehrten ertheilt wird und der in den verschiedenen Staaten in verschiedenem Ansehen steht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 397-398.
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