[766] Lotterie, ein von dem Worte Lot, welches in mehren Sprachen Loos bedeutet, herstammender Ausdruck, bezeichnet ein gewöhnlich unter Aufsicht und Garantie des Staats stehendes Glücksspiel, wobei der Gewinn durch das Locs entschieden wird. Eine bestimmte Menge Nummern werden als Loose um einen Einsatzpreis ausgeboten und die daraus gewonnene Summe auf einige Nummern als Gewinne vertheilt, denen bisweilen einige Prämien für das erste oder letzte, oder das nächst vor und nach einem Hauptgewinn gezogene Loos beigefügt werden. Nicht abgesetzte Loose gehen auf Rechnung der Unternehmer. Bei den auf einen gewissen Tag festgesetzten Ziehungen werden nun sämmtliche Nummern in ein Glücksrad, sowie die Gewinne mit oder ohne Nieten in ein anderes gethan. Von zwei Waisenknaben gewöhnlich wird nun gleichzeitig aus jedem Rade hier eine Nummer, dort ein Gewinn oder eine Niete gezogen. Zur Vermehrung des Interesses für die Spielenden geschieht die Ziehung meist in mehren Classen, daher Classenlotterie, wobei die Einsätze für jede Classe besonders entrichtet werden. Bei diesen Lotterien nun ist der Betrag der Einnahme für sämmtliche Loose dem Betrage der Ausgabe für sämmtliche Gewinne gleich. Um daher die Verwaltungskosten zu decken und einen Vortheil von der Unternehmung zu ziehen, so geschieht ein Procentabzug (gewöhnlich 10 vom Hundert) von jedem Gewinne, wovon ein großer Theil dem Staate zufällt. Zum Vertriebe der Loose stellt die Lotteriehauptkasse Hauptcollecteurs an, die sie vertreten muß, und diese haben wieder Subcollecteurs, für welche jene stehen müssen. Zur Vergütung für diese wird entweder beim Ankaufe der Loose ein kleines Aufgeld entrichtet oder bei Auszahlung der Gewinne ein Abzug von 3 Procent gemacht, sodaß der wirkliche Betrag der Gewinne immer um 13 Procent geringer ist als der Nominalwerth. Für die letzte Ziehung wird ein höchster Gewinn als sogenanntes großes Loos aufgespart. Über die Gesetze und Einrichtungen einer Lotterie werden gedruckte Lotteriepläne [766] ausgegeben und die in einer Classe herausgekommenen Nummern werden durch Lotterie- oder Ziehungslisten bekannt gemacht. – Außer diesen Geldlotterien gibt es auch Lotterien von Waaren, Büchern u.s.w. wo die Gewinne in den genannten Dingen bestehen; doch sind solches Privatunternehmungen, wenn auch vom Staate genehmigt. Neuerdings sind die Güterlotterien entstanden. In diesen werden einzelne Rittergüter oder ganze Herrschaften verloost, wobei gewöhnlich auch Geldgewinne stattfinden, und ein angesehenes Handlungshaus garantirt für die Ziehung und Zahlung, wegen der Theilnehmer im Auslande. Großen, verschuldeten Gütern wird dadurch leicht aufgeholfen und langwierige Sequestration und Concurs abgewandt. Die Spielenden stehen jedoch bei dieser Art von Lotterien dadurch in einigem Nachtheile, daß die zu verloosenden Realitäten zu hoch im Werthe berechnet werden, dann aber auch die Unterbringung der Loose so lange dauert, daß das Geld für die zuerst gekauften Loose zu lange unverzinst bleibt. – Eine eigne Art der Lotterien sind die mit Staatsanleihen verbundenen Prämienlotterien. Die gemachten Anleihen werden einzeln nach und nach in einer bestimmten Reihe von Jahren gezogen und zurückbezahlt, und für einen Theil der Anleihen bedeutende Prämien gegeben. Diese Prämien bezahlen zu können, liegt in dem Zinsenzuwachs, einestheils, wenn die durch die Lotterie gemachte Anleihe eine unverzinsliche ist, anderntheils, wenn nur Zinsen nach einem niedrigen Fuße entrichtet werden, wodurch eine bedeutende Ersparung geschieht. – Was die Entstehung der Lotterie anbetrifft, so finden wir schon bei den Römern etwas Ähnliches, indem statt Geschenken an Naturalien Anweisungen darauf unter das Volk ausgeworfen wurden. Näher steht der Lieblingsgebrauch des Kaisers Augustus, bei Gastmählern versiegelte, äußerlich gleichsehende Billets um gleichen Preis zu verkaufen, die, geöffnet, die Käufer auf Empfangnahme von Sachen des verschiedensten Werthes anwiesen. Im Mittelalter veranstalteten fürstliche Personen ein ähnliches Spiel, indem sie ihre Hofleute aus einem Glückstopfe Anweisungen zu verschiedenen Geschenken ziehen ließen. Wenig später kamen die Waarenlotterien auf, welche ital. Kaufleute veranstalteten. Im J. 1530 wurde zu Florenz eine Geldlotterie errichtet, und in Venedig kommt 1571 schon ein öffentlicher Aufseher über die Lotterie vor. Franz I. erlaubte in Frankreich 1539 eine Waarenlotterie gegen eine Abgabe, und sie wurde blanque genannt, von dem ital. Worte bianca, leer, weil die Nieten durch leere Blätter bezeichnet und auch so ausgerufen wurden. Im J. 1660 wurde nach dem Plane des Neapolitaners Tonte, von welchem die Tontinen ihren Namen haben, in Paris eine blanque royale errichtet, seit welcher Zeit alle Privatlotterien von den Lotteries royales gänzlich verdrängt wurden. In England kommt die erste Lotterie 1567 vor. In Deutschland errichtete der Rath zu Osnabrück schon 1521 eine Waarenlotterie, und in Hamburg geschah dies 1653 nach holländ. Weise, indem man hier 1549 in Amsterdam zur Erbauung eines Kirchthurms zog, sowie zu Delft 1595. In Nürnberg wurde 1699 und in Berlin 1740 die erste Classenlotterie gezogen.
Die Zahlenlotterie oder das Lotto, von den Genuesern erfunden und von einem Rathsherrn, Benedetto Gentile, zuerst 1620 eingeführt, diente zuerst zur Wahl, indem man bei der Rathswahl die Namen der Candidaten in einen Topf, dann in ein Glücksrad warf und dabei auf diese Wahlen Wetten machte, zu denen der Staat endlich die Bank übernahm. Das jetzige Lotto bildete sich dadurch, daß man später statt der Namen wählbarer Nobili Zahlen nahm, und ging im 17. Jahrh. von Italien durch die Niederlande nach Deutschland über. Der Grund dieses Spiels besteht darin, daß an dem Ziehungstage allemal fünf Zahlen aus denen von 1–90 gezogen werden. Jeder der Spielenden wählt sich aus diesen eine beliebige Anzahl Nummern und gibt beim Collecteur an, wie hoch er jede derselben und auf welche Art des Gewinns er sie besetzen will, worüber er einen Schein, Lotteriebillet oder Loos, erhält. Hier gibt es nun vier Arten der Gewinne: das Estrado (Auszug) erfodert nur eine Zahl unter den herausgekommenen fünfen und es wird dabei der Einsatz 14mal als Gewinn an den Mitspielenden bezahlt. Das Lotto gewinnt dabei 16 Procent, weil 17 Nieten auf einen Treffer kommen. Die zweite Art des Gewinns ist die Wette, wenn man gleichsam mit dem Lotto wettet, daß eine von den ausgewählten Zahlen die erste, zweite, dritte, vierte oder fünfte Stelle in der Reihe der Ziehung haben werde. Trifft dies ein, so erhält Der, welcher gewettet hat, den Einsatz der Wette vom Lotto 67mal ausgezahlt, wobei das Lotto ungefähr 25 Procent gewinnt. Eine Ambe ist drittens diejenige Art von Gewinn, worauf der Mitspielende den Einsatz 240mal vom Lotto erhält, wenn er zwei unter den herausgekommenen Zahlen getroffen hat. Hierbei fallen 399 Nieten auf einen Treffer, weshalb das Lotto 37 Procent gewinnt. Die vierte Art des Gewinns ist eine Terne, wobei der Mitspielende drei von den fünf herausgekommenen Zahlen treffen muß, und den Einsatz 4800mal gewinnt, das Lotto aber gewinnt 54 Procent, weil 11,347 Nieten auf einen Treffer kommen. Die Quaternen und Quinternen sind eine neuere Erfindung und wenig im Gebrauch, da das Lotto dabei 88 Procent und mehr gewönne. – Das Lotto blieb bis in die erste Hälfte des 18. Jahrh. Eigenthum der Genueser, wurde dann aber von Papst Clemens XII. (gest. 1740) in Rom, 1752 in Wien und 1763 in Berlin eingeführt. Da es jedoch die Menge bis zur Spielwuth reizte, auch zu Betrügereien gemisbraucht wurde, so verboten es weise Regierungen. Dies geschah schon früher in Würtemberg und andern deutschen Staaten, 1820 auch in Preußen. In Frankreich wurde es in neuerer Zeit sehr beschränkt.