Ohr

Ohr

[333] Ohr nennt man die Gesammtheit aller der Theile, welche das Gehörorgan ausmachen, das aus einer Reihe von mehr oder weniger gewundenen Höhlen besteht, in denen die vom Schall erregten Schwingungen oder Bebungen der Luft aufgenommen und zurückgeworfen werden, bis sie den Gehörnerven treffen, der von außen nach innen in der hintersten [333] der erwähnten Höhlen gelegen ist.

Das Ohr wird in das äußere, mittlere und innere eingetheilt und das erstere besteht aus dem äußerlich sichtbaren Ohre, bei Menschen von eiförmiger, oben breiterer, unten schmälerer Gestalt und aus Knorpeln und Haut gebildet; ferner aus dem theils knorplichen, theils knöchernen, mit einer häutigen Auskleidung versehenen, von außen und hinten nach innen und vorn in schiefer Richtung verlaufenden, äußern Gehörgange und dem Trommelfelle. Das mittlere enthält die Trommel- oder Paukenhöhle mit dem in ihr belegenen Gehörknöchelchen (1), den mit dem Trommelfelle in unmittelbarer Verbindung stehenden Hammer (2), den Ambos mit dem in der Abbildung bei (3) angedeuteten linsenförmigen Beine und (4) dem Steigbügel, sowie. eine in den Schlund sich öffnende, ebenfalls knorpliche Röhre, die sogenannte Eustachische Trompete und den hinter dem äußern Ohre befindlichen Zitzenfortsatz mit seinen Höhlungen. Das innere Ohr wird von dem in dem härtesten Theile des Schläfeknochens befindlichen Labyrinthe, von dessen Bestandtheilen die wesentlichsten der Vorhof, ferner die in der Abbildung nach Hinwegnahme einer Knochenlage dargestellten, mit 5 bezeichneten drei halbkreisförmigen Kanäle und der Schnecke (6), mit ihren gewundenen Gängen gebildet. Der Vorhof ist eine kleine Knochenhöhle, in welcher der eine Gang der Schnecke und die halbkreisförmigen Kanäle zusammenmünden. Die halbkreisförmigen Kanäle sind ihrer Lage nach ein vorderer, ein hinterer und ein hinterer äußerer und enden sich mit fünf innern Öffnungen in den Vorhof. Die Schnecke ist ein kegelförmiger Knochenkanal, der sich zwei und ein halbes Mal um eine Axe windet und mittels eines halbhäutigen und halbknochigen Blattes in zwei Gänge oder Treppen getheilt ist. Alle vorgenannte Höhlen des Labyrinths sind innerlich von einer dünnen und mit Gefäßen versehenen Haut ausgekleidet, welche eine wässerige Feuchtigkeit absondert, innerhalb deren sich der Gehörnerve breiartig ausbreitet. Das äußere Ohr dient vorzugsweise zur Aufnahme und Verstärkung der durch den Schall bedingten Schwingungen der Luft, welche sich durch den äußern Gehörgang zunächst dem Trommelfelle, von diesem aus vermittelst der Erschütterungen des Trommelfelles fortpflanzen, den Gehörknöchelchen und mittels der in der Trommelhöhle enthaltenen, ebenfalls in Bebung versetzten Luft dem Labyrinthe und durch die in demselben enthaltene Flüssigkeit dem daselbst befindlichen Gehörnerven mittheilen, der dann durch weitere Fortpflanzung der von außen empfangenen Eindrücke bis zum Gehirn, die den Gehörsinn ausmachenden Wahrnehmungen veranlaßt. Der eben angegebene Weg ist der gewöhnlichste, auf welchem der Schall in das Ohr gelangt. Außerdem aber theilt sich der, selbe auch durch die Kopfknochen dem Labyrinthe mit, wie dies z.B. bei verschlossenen Ohren mittels eines zwischen den Zähnen des hörenden und sprechenden Menschen gehaltenen Stockes geschieht. Welcher Theil des Gehörorgans der hauptsächliche Sitz des Gehörs sei, ist eine noch nicht ganz entschiedene Frage; da indeß die Natur nichts ohne Zweck eingerichtet hat, trägt aller Wahrscheinlichkeit nach jeder Theil das Seine zum Hören bei. Wie es zugehe, daß wir mehre Töne zugleich hören, daß wir mit zwei Ohren doch nur einen Ton vernehmen, wovon die Annehmlichkeit oder die Unannehmlichkeit der Töne abhängt, wissen wir ebenfalls noch nicht. – Ohrenbrausen, Ohrensausen (so genannt, wenn das Geräusch, welches sich bemerkbar macht, einen tiefen Ton hat), Ohrenklingen, Ohrentönen (wobei das Geräusch in hohen und scharfen Tönen besteht) bezeichnet eine krankhafte Veränderung des natürlichen Gehörs, bei welcher Geräusche hörbar werden, die bald gar nicht stattfinden, bald aber auch wirklich im Innern des Kopfes oder Ohres entstehen, ohne daß sie von außen durch tönende Körper veranlaßt worden sind, ist häufig mit verschiedenen Graden der Taubheit verknüpft, anhaltend oder vorübergehend und hängt entweder von Blutandrang nach dem Kopfe oder dem Vorhandensein eines mechanischen Hindernisses ab, welches den freien Verkehr der Luft in den verschiedenen Theilen des Ohres erschwert, jedoch den Eintritt ersterer nicht gänzlich aufhebt. Als nicht grade nothwendige, sondern mehr zufällige Erscheinung beobachtet man das Ohrenbrausen oder Klingen bei Personen, die an Hypochondrie, Hysterie, Würmern und dergl. leiden. Der Ohrenzwang (Ohschmerz), der zwar gewöhnlich im Gefolge von Ohrentzündung sich einstellt, auch wol durch die Gegenwart eines fremden Körpers erzeugt und unterhalten wird, ist doch meist entweder reines Nervenleiden oder rheumatischen Ursprungs, häufig mit Gesichts- und Zahnschmerzen verbunden, mit denen er zu- und abnimmt oder auch abwechselt und hört oft ebenso schnell auf als er begonnen hat, verbreitet sich zuweilen auch über den ganzen Kopf, macht die Augen thränen u.s.w. (S. Gehör.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 333-334.
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