[482] Pfropfen (das), Belzen oder Impfen ist die älteste in der Gärtnerei schon im frühen Alterthume gebräuchlich gewesene Veredelungsart der Obstbäume, bei der Reiser (daher Pfropfreiser) edlerer Art in die Stämme oder Zweige verwandter aber weniger edler Pflanzen so eingefügt werden, daß sie damit zusammenwachsen und später die edlere Frucht tragen. Das Einfügen der dünnern Pfropfreiser, an denen sich im Verhältniß zur Stärke des Grundstammes 2–4 Augen befinden können, unterscheidet das Pfropfen vom Copuliren, bei dem die Reiser nur auf die Grundstämme aufgesetzt (s. Copula), sowie vom Oculiren (s.d.), bei dem nur Augen eingesetzt werden. In der Hauptsache beobachtet man beim Pfropfen ein doppeltes Verfahren und pfropft entweder in den Spalt oder in die Rinde. Im erstern Falle wird der Grundstamm in der geeigneten Höhe platt oder auch schräg abgesägt oder geschnitten, dann im Verhältniß seiner Stärke ein mitten durch den Kern gehender oder ein blos den Stamm von der Seite trennender, sogenannter einseitiger, 1–3 Zoll tiefer Spalt von oben herab gemacht und in diesen das keilförmig und glatt zugeschnittene Edelreis 3/4– 2 Zoll tief und genau passend so eingesetzt, daß hauptsächlich der Bast desselben oder die innere grüne Rinde zunächst dem Splint, genau auf den Bast des Grundstammes anschließt, indem nur mittels desselben die Vereinigung der Säfte und Verwachsung stattfindet. Bei starken Grundstämmen werden auch zwei Edelreiser eingesetzt, von denen man später nur das günstigste beibehält, wenn man nicht Pfropfreiser von zweierlei Art wählte, um auf einem Stamme verschiedene Früchte zu ziehen. Auf sehr starke Stämme können auch vier Reiser in zu diesem Zwecke sich kreuzende Spalten gepfropft werden, ein Verfahren, durch welches sich alte Bäume mit geringen Früchten oder von schlechter Form in kurzer Zeit mit einer neuen Krone versehen und zur Erzeugung besserer Früchte bringen lassen. Während man nach der alten Art die Pfropfstelle mit Lehm dick verklebte und mit Leinwand umband, verwahrt man jetzt dieselbe lieber mit Baumwachs oder Baumkitt, und befestigt zum Überfluß noch ein breites Bastband um den Spalt, der jedoch schon von dem schnell verhärtenden Kitt wider Nässe, Luft und Insekten geschützt und auch zusammengehalten wird. Bei dem schwierigern Pfropfen in die Rinde wird diese von dem Splinte am Stamme mit dem Pfropfbeinchen, einem dazu besonders bestimmten, rundlich zugespitzten Werkzeuge von Elfenbein, Knochen oder sehr hartem Holze, so weit und tief abgetrennt, als das nach derselben Form zugeschnittene Reis Raum braucht, um hinter der Rinde eingeschoben zu werden. So weit dies geschieht, löst man die äußere braune Rinde von demselben ab, wenn aber zur Erleichterung des Einbringens an Grundstämmen auch äußerlich eine Trennung der Rinde nöthig war, muß die Mitte des eingefügten Pfropfreises einen Rindenstreif behalten, welcher dann die Lücke in der Rinde des Grundstammes ausfüllt. Bei diesem Verfahren muß die Pfropfstelle durch Baumwachs und Verband sehr sorgfältig verwahrt und den Pfropfreisern durch nebenan in den Boden gesteckte, über dem Stämmchen sich kreuzende Pfähle noch ein besonderer Schutz gegen das Abstoßen durch Vögel gewährt werden. Ähnlich ist das Verfahren beim Pfropfen mit dem Klebereis oder sogenannten Anblatten und Anpflastern, wozu ein Reis gegen 11/2 Zoll lang schräg zugeschnitten wird, sodaß es auf der einen Seite die Rinde unverletzt behält und einen Absatz am Anfange des Zuschnittes darbietet. Dieser [482] wird hierauf genau auf die passende Pfropfstelle des Stammes abgezeichnet, indem man ihn daran hält, dann die Rinde des Stammes gleich weit schräg ausgeschnitten, das Edelreis genau passend in die Lücke gebracht, sodaß es mit seinem Absatze auf dem Grundstamme aufsitzt, und sorgfältig verklebt und verbunden. Noch eine andere Art des Pfropfens heißt Ablactiren (vom lat. lac, Milch, weil dabei das Pfropfreis bis zu seiner Verwachsung noch vom Mutterstamme gleichsam mit seiner Milch genährt wird) und Absäugen, wobei die zu veredelnden Stämme aber neben den edlen Baum gepflanzt oder wenn sie in Töpfen und Kübeln stehen, dahin gebracht werden müssen. Man vereinigt dann auf eine dem Pfropfen oder dem Copuliren ähnliche Weise mit ihnen edle Reiser, die aber auch ihre Verbindung mit dem Mutterstamme behalten, welche erst allmälig aufgehoben wird, nachdem die Verwachsung vollständig erfolgt ist, was gewöhnlich in der Zeit vom Frühjahre zum Herbst oder bis zum nächsten Frühjahre geschieht. Die passende Zeit zum Pfropfen ist im Allgemeinen das Frühjahr und wird genauer durch das Eintreten des Saftes und frischen Triebes der Bäume und milde ruhige Witterung bestimmt. Bei jungen Stämmen gibt man jetzt den andern Veredelungsarten und insbesondere bei allem Steinobst den Vorzug dem Oculiren, wie denn bei den Pfirschen z.B. das Pfropfen gar nicht anwendbar ist. Dagegen lassen sich starke Stämme und alte Bäume von geringen Obstsorten auf keine andere Weise veredeln. Sonst glaubte man durch das sogenannte Überpfropfen, d.h. indem man mehre Edelreiser aufeinander pfropfte, die Veredelung zu erhöhen, was aber keineswegs dadurch erlangt wird. Neuerdings hat man das Pfropfen auch auf Ziersträucher angewendet und sogar mit noch gar nicht verholzten Trieben in eben solche Stämme, sowie auch an krautartigen Pflanzen ausüben lernen, wie z.B. mit Blumenkohl auf Kraut, und Melonen auf Gurken. Das Verfahren ist wie bei dem gewöhnlichen Pfropfen, die Pfropfstelle aber wird mit Wolle, Papier und Bast verbunden. Übrigens gibt es noch viele sehr künstliche Arten zu pfropfen, welche unter Andern in Thouin's »Monographie des Pfropfens« (Lpz. 1824) beschrieben sind. Von der Auswahl und dem Zustande der Pfropfreiser hängt natürlich das Gelingen desselben sehr ab. Am besten werden sie im Spätherbst geschnitten, müssen aber so aufbewahrt werden, daß sie weder austrocknen, noch verschimmeln oder vom Froste leiden, welche Rücksichten auch bei Versendungen zu beobachten sind.