[630] Raumer (Friedr. Ludw. Georg von), Professor der Staatswissenschaften in Berlin und einer der thätigsten Forscher und ausgezeichnetsten Schriftsteller im Gebiete der neuern Geschichte, geb. 1781 zu Wörlitz bei Dessau, ist der älteste Sohn des 1822 verstorbenen dessauer Kammerdirectors von R. und legte seine Schul- und Universitätsstudien auf dem Joachimsthal'schen Gymnasium in Berlin, in Halle und Göttingen zurück. Neben der Rechts- und Kameralwissenschaft widmete sich R. schon damals mit Vorliebe geschichtlichen Bestrebungen und wendete sich denselben endlich fast ausschließend und mit Aufopferung glänzender Aussichten zu, welche ihm der preuß. Staatsdienst eröffnete, wo er 1801 als Referendar bei der kurmärk. Kammer, später bei der Domainenkammer zu Wusterhausen bei Berlin, 1809 als Regierungsrath in Potsdam, 1810 im Finanzministerium und in der unmittelbaren Nähe des Staatskanzlers von Hardenberg amtlich wirkte. Seine gewünschte Ernennung zum Professor in Breslau gab ihn 1811 der wissenschaftlichen Thätigkeit zurück, in deren Interesse er 1815 eine Reise nach Venedig und im folgenden Jahre mit königl. Unterstützung nach Italien unternahm. Seit 1819 als Professor der Staatswissenschaften nach Berlin versetzt, hielt R. doch meist geschichtliche Vorlesungen und bald erschien nun das erste seiner Hauptwerke, die seit 1803 vorbereitete »Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit« (6 Bde., Lpz. 1823–25 [630] mit Kpfrn.). Geschichtliche Forschungen führten ihn 1830 nach Paris, seit 1832 aber hat die Herausgabe seiner selbständig aus den Quellen geschöpften »Geschichte Europas seit dem Ende des 15. Jahrh.« begonnen, von der bis jetzt sechs Bände (Lpz. 1832 fg.) erschienen sind. Eine wissenschaftliche Reise nach England im J. 1835 gab zu der durch die vielseitigsten Beobachtungen wichtigen zeitgeschichtlichen Schrift »England im J. 1835« (2 Bde., Lpz. 1836), wie die erwähnten frühern Reisen zu der »Herbstreise nach Venedig« (2 Bde., Berl. 1816) und den »Briefen aus Paris im J. 1830« (2 Bde., Lpz. 1831) Veranlassung, welchen noch »Briefe aus Paris zur Erläuterung der Geschichte des 16. und 17. Jahrh.« (2 Bde., Lpz. 1831), wie dem Werke über England die »Beiträge zur neuern Geschichte aus dem brit. Museum und Reichsarchive« (5 Bde., Lpz. 1836–39) folgten.
Seit 1830 gab R. auch jährlich das »Historische Taschenbuch« heraus und behandelte außerdem in früherer und späterer Zeit in ebenso unabhängiger wie einsichtiger Weise Fragen der Gegenwart, wohin die Schriften: »Das brit. Besteuerungssystem u.s.w.« (Berl. 1826) durch die Beziehung auf preuß. Einrichtungen, »Über die geschichtliche Entwickelung der Begriffe von Recht, Staat und Politik« (2. Aufl., Lpz. 1832), »Über die preuß. Städteordnung« (Lpz. 1828) und die aus dem »Historischen Taschenbuche« von 1831 besonders abgedruckte Abhandlung »Polens Untergang« gehören. Die ehrenhafte Unabhängigkeit seiner Ansichten sprach sich auch 1832 durch seine genommene Entlassung als Mitglied des Obercensurcollegiums in Berlin aus, an dessen besorgtem Verfahren er keinen Theil mehr nehmen mochte.