Zürich

Zürich

[822] Zürich (der Canton) hat auf 325 ! M. gegen 230,000 Einw., welche deutsch reden und sich bis auf 1000 zur reformirten Kirche bekennen.

Er liegt im N. der Schweiz (s.d.) und ist nach der seit 1815 bestehenden, politischen Rangordnung der erste ihrer Cantone und einer der drei Vororte. Sein Gebiet wird zwar von drei Gebirgszügen, der Allmannskette, der Albis und dem Läger Berg durchzogen, die aber nur an der äußersten östl. Grenze gegen St.-Gallen bis 4000 F. Meereshöhe ansteigen, wo sich einige unfruchtbare Gegenden, das Kellenland und Spinnenland, befinden. Sonst bilden sie nur Hügel und niedrige Bergreihen und der Boden ist wie das Klima zum Getreide-, Obst- und Weinbau trefflich geeignet, welche nebst Viehzucht und dem Betriebe von Baumwollspinnereien, Baumwoll-, Seiden-, Wollenwebereien, Lederfabriken und wichtigem Handel die Haupterwerbszweige der Bevölkerung ausmachen. Die Hauptgewässer sind die schiffbare Limmat, in welche die Sihl mündet, die Thur, Thös, Glatt, der Rhein und die Reus als Grenzflüsse, wozu der theils zu den Cantonen St.-Gallen und Schwyz gehörende, herrliche Zürichersee kommt, welcher 10 St. lang, 15 St. breit, bis 600 F. tief ist und 1279 F. über dem Meere liegt. Er erstreckt sich in der Richtung von SO. nach NW. und wird in den obern See (vom Einflusse der Linth bis Rapperswyl im Canton St.-Gallen und der dort darüberführenden, 1850 F. langen Holzbrücke) und untern See geschieden, der von Rapperswyl bis Zürich reicht und seit 1835 mit Dampfschiffen befahren wird. Die reizenden Seeufer sind mit Dorfschaften, Landsitzen, Weinbergen besetzt, hinter denen allmälig höhere Berge sich aufthürmen und in der Ferne die Gletscher von Glarus, Schwyz und Bündten aufsteigen. Z. ist in 11 Ämter getheilt, die Bürger aber bilden nach der Verfassung (von 1831) 56 Wahlversammlungen oder Zünfte, wo jeder [822] zwanzigjährige Bürger stimmfähig ist. Der von ihnen gewählte große Rath besteht aus 212, 30 Jahre alten Mitgliedern, welche 36,000 Francs Vermögen haben müssen, und wird alle zwei Jahre erneut. Er wählt den aus 19 Mitgliedern bestehenden Regierungsrath, welcher die oberste Verwaltungsbehörde bildet. Jedes der 11 Ämter hat seinen Bezirksrath; den Cultus beaufsichtigt ein Kirchenrath, den öffentlichen Unterricht ein Erziehungsrath von 15 Mitgliedern; der Canton hat seine eignen geschriebenen Gesetze, stellt 3800 M. zum Bundesheer und gibt 74,000 Francs Geldbeitrag; seine Einkünfte übersteigen eine Mill. Francs.

Die Hauptstadt des Cantons ist Zürich mit 14,000 Einw., an der aus dem Zürichersee abfließenden Limmat, über welche vier Brücken führen, in einer höchst fruchtbaren und anmuthigen Gegend, wo zur Römerzeit der Ort Turicum lag. Während des Mittelalters hob sich Turik durch Handel und Gewerbe zum Range einer freien Reichsstadt, schloß sich 1351 dem Schweizerbunde an, erwarb sich aber erst im 14. Jahrh. durch Kauf und Eroberung das jetzige Gebiet des Cantons. Ulrich Zwingli (s.d.) fing dort 1520 die schweiz. Reformation an und seitdem war Z. immer ein Hauptsitz wissenschaftlicher Bildung in der Schweiz, von dem viele Gelehrte ausgingen, die eine europ. Berühmtheit erlangten. Die jetzt daselbst bestehende Universität wurde am 29. Apr. 1832 eröffnet, außer ihr sind aber noch mehre höhere Bildungsanstalten, literarische und Kunstsammlungen, auch viele Vereine für wissenschaftliche und gemeinnützliche Zwecke vorhanden. Unter die wichtigen Gebäude der Stadt gehören drei Zeughäuser, das aus dem 10.–11. Jahrh. herrührende Münster, die Frauenkirche, das 1699 vollendete Rathhaus, die sogenannte Wasserkirche mit der 50,000 Bände, viele Handschriften und die Müller'sche Reliefdarstellung von etwa 1/3 der ganzen Schweiz enthaltenden Bibliothek. Die alten Befestigungen sind neuerdings zum Theil abgetragen und die Stadt erweitert worden; vor derselben liegt der Schützenplatz, wo ein Denkmal Sal. Geßner's steht. Die vom Erziehungsrath beschlossene und vom Regierungsrath bestätigte Berufung des Dr. Dav. Friedr. Strauß, des berühmten Verfassers eines kritisch bearbeiteten »Lebens Jesu« (4. Aufl., Tüb. 1841) zum Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte brachte bei einem Theile des von fanatischen und frömmelnden Gegnern desselben verleiteten Volkes eine solche Aufregung hervor, daß es nach erfolgter Pensionirung des Dr. Strauß noch unter Mitwirkung einiger anderer aufregender Umstände, mit den zuerst vom Pfarrer Hirzel von Pfäffikon am 6. Sept. in die Stadt geführten bewaffneten Bauern in der Gegend des Zeughauses zum Gefecht mit den wenigen Truppen der Regierung kam, das mehre Menschenleben kostete und eine Erneuerung des ganzen Regierungspersonals zur Folge hatte. Bei Zürich fielen 1799 im franz. Revolutionskriege mehre entscheidende Gefechte vor, indem der Erzherzog Karl am 4.–5. Jun. die Franzosen, am 24. Sept. aber diese unter Masséna die verbündeten östr.-russ. Truppen schlugen, wodurch sie zum Rückzug aus der Schweiz genöthigt wurden. – Andere bemerkenswerthe Orte sind: Eglisau mit 2000 Einw. am Rhein; das freundliche und betriebsame Winterthur mit 4000 Einw., in dessen Nähe die bis 1798 bewohnte alte Kyburg liegt. Horchen mit 4030, Wädenschwyl und [823] Meilen mit 5000 Einw. liegen am Zürichersee; bei dem ehemaligen Kloster Cappel an der Grenze gegen Zug fiel 1351 das Treffen vor, in welchem Zwingli (s.d.) blieb. Der Flecken Rheinau mit einer ehemals durch ihre Bibliothek berühmten Abtei liegt auf einer Insel im Rheine.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 822-824.
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