[443] Entdeckungen und Entdeckungsreisen. Es lebt in der Brust eines jeden feurigen und talentbegabten Menschen eine gewisse Sehnsucht, ein Drang nach der Ferne, nach dem Fremden, Ungesehenen; er übersieht oft das Naheliegende, seine Phantasie heftet sich an das Unbekannte und wünscht es zu durchforschen. Dieser Drang, geleitet von Wißbegierde, von einer Seelenkräftigkeit, die nach Abenteuern und außerordentlichen Ereignissen strebt, oder auch von wissenschaftlichen und merkantilischen Interessen, ist die Veranlassung zu den meisten Entdeckungen und Entdeckungsreisen gewesen. Trotz der kühnsten und häufigsten Unternehmungen der Art ist aber unsere Erde immer noch nicht nach allen Seiten hin durchforscht. Noch hat kein menschlicher Fuß eines cultivirten Erdenbewohners das Innere Afrika's, die Eissteppen des Nordpols, ne Binnenländer Neuhollands betreten; noch gibt es überall Lücken auf unseren Karten und trotz der gewagtesten Versuche ist immer noch nicht ermittelt, ob Amerika eine ungeheure Insel oder nur ein Theil des großen Continentes ist und über der Polargegend hin mit der alten Welt zusammenhängt. Den spätern Zeiten, neuen Unternehmungen, kühnen entschlossenen Männern ist hier noch ein weites Feld geöffnet; doch können noch viele Jahrhunderte vergehen, bis die Gestalt unserer Erde nach allen Richtungen hin genau bekannt ist. Die Phönizier waren die ersten, welche, um ihren Handel auszubreiten, auf Entdeckungen ausgingen, sie durchschifften das mittelländische Meer, drangen durch die Säulen des Herkules (Küste von Spanien und Afrika), besuchten die kanarischen Inseln, die Azoren, Guinea, und lenkten ihre Fahrt auch nach dem Norden hinauf, nach England und den Nordseeeküsten. Man behauptet sogar, sie hätten Amerika unter dem Namen Atlantis, gekannt. Der Grieche Herodot durchforschte den [443] Süden Rußlands, die Gegenden des schwarzen Meeres, das Innere von Asien, Aegypten, Spanien etc. Er brachte zuerst einige Klarheit in die damalige Geographie. Durch Xenophon wurde Persien und Armenien genauer bekannt. 280 vor Christus besuchte ein Grieche Norwegen, damals Thule genannt. Alexander der Große gab durch seine Heerzüge Aufklärung über das übrige Asien, namentlich über Indien. Unter den Kaisern traten die Römer als Ländererforscher auf: sie drangen in das Innere von Frankreich, Deutschland, England vor, und machten sich auch mit Arabien bekannt. Durch die Feldzüge der Araber wurde China und Hindostan, durch christliche Pilgrime Palästina mehr bekannt. Die Normänner entdeckten im 9. Jahrhundert Island und Grönland. Nach der Erfindung des Kompasses zu Anfang des 14. Jahrhunderts traten besonders die Portugiesen an die Spitze der länderentdeckenden Nationen. Sie fanden 1419 Madeira, 1456 das grüne Vorgebirge, 1462 die Sierra-Leone. Ein Nürnberger, Martin Behaim, entdeckte 1484 das Reich Congo, Bartolomäus Diaz 1486 das Vorgebirge der guten Hoffnung, welches 1497 Vasco de Gama umsegelte und durch dieses große Unternehmen den Seeweg nach Indien öffnete. Camoens besang in seiner Lusiade diese großartige Expedition. Inzwischen hatte Columbus 1492 Amerika entdeckt und den politischen Verhältnissen der Welt eine andere Gestalt gegeben. Die Küsten der neuen Welt wurden nun wie durch einen Zauberschlag von Europäern bevölkert, welche Sitten, Religion, Aufklärung, Kunstfertigkeiten etc. zu den Wilden brachten Der Engländer Cabot entdeckte Labrador und Newfoundland (1498), der Russe Wasiljewitsch 1499 Sibirien, Cabral 1500 Brasilien und Ponce de Leon 1512 Florida. Die erste Weltumseglung fand 1519 unter Magelhaens Statt. Auf spätern Weltumschiffungen wurden zahlreiche Inseln und Inselgruppen der Küsten von Afrika und Amerika entdeckt. Bassin fand 1626 den Lancastersund[444] und die nach ihm benannte Bai; die Russen drangen bis Kamtschatka vor, die Holländer durchforschten Neuholland und Vandiemensland. Dampier entdeckte Neubritannien. Man ließ es sich vom Anfang des 18. Jahrhunderts an auch angelegen sein, das Innere der neuentdeckten Länder zu bereisen. Missionäre und Kaufleute drangen in die Tartarei und China. Cook umschiffte von 17681779 die Erde drei Mal und verschaffte uns nähere Kenntniß von Neuholland und dem südlichen Eismeere. Nach ihm zeichneten sich Dixon und La Peyrouse u. A. als Weltumsegler und Länderentdecker aus. Ihnen folgten gegen Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts Malaspina, Vancouveur, Krusenstern, Kotzebue, Duperrey, Wrangel, d'Urville etc. Die großen Nordpolexpeditionen wurden von Parry, Buchan, Roß, Back unternommen. Franklin drang 1825 von der Landseite in diese Gegenden. In das Innere Asiens reisten in diesem Zeitraume Tobbert, Messerschmidt, Lacroyère, Niebuhr, Gmelin, Pallas, Saunter, Frazer, Siebold, Clarke, Klaproth, Malcolm, Forster, Anderson, Seetzen, Burckhardt, Timkowski, Sieber, Humboldt und viele A. m. Amerika wurde von Humboldt, Bonpland, Miers, Head, Prinz Paul von Würtemberg, Prinz von Neuwied, Prinz von Weimar, Pöppig, Burchell etc. genauer durchforscht. Australien von Cunningham, Hume, Howell, Whrigt, King, Lawson etc. Den Entdeckungsreisen in Afrika stellten aber Klima und Einwohner die größten Hindernisse entgegen, welche zum Theil zu besiegen nur wenigen heldenmüthigen Männern gelungen ist. Die meisten derselben wurden ein Opfer ihres Muthes und dessen ungeachtet lockt jener Drang, jene Wißbegierde immer wieder neue Reisende in die sandigen, unwirthbaren Steppen des Aequators, mitten unter eine barbarische Bevölkerung. Mungo Park drang am weitesten südlich vor, mußte aber seinen Muth mit dem Leben büßen; ihm folgten Hornemann und Lichtenstein mit glücklicherm Erfolge. Minutoli[445] und Rüppel durchforschten Aegypten, Abessinien und Nubien. Caillé drang bis Tombuktu vor, die Gebrüder Lander entdeckten die Mündung des Niger; der ältere verlor auf einer zweiten Expedition, die zu großen Hoffnungen berechtigte, das Leben. 1834 ist eine neue Expedition, bestehend aus den Herren Edye, Smith, Burrow und Bell vom Caplande abgegangen, um von dieser Seite aus in das Innere Afrika's zu dringen. Von Monat zu Monat wächst nunmehr die Reiseliteratur an, und zu dem Vorhandenen sammeln sich stets neue Schätze des Wissens und bereichern so das ungeheure Gebiet der Erd-, Länder- und Völkerkunde.
B.