Philosophie

[104] Philosophie (philosophia, philosophia: Weisheitsliebe) ist die allgemeine Wissenschaft des Wissens (theoretische Philosophie) und Handelns (praktische Philosophie), genauer: die allgemeine Wissenschaft von den Grundlagen (Principien, s. d.) der Einzelwissenschaften (genetisch: Erkenntnistheorie, s. d.. ontologisch: Metaphysik, s. d.) zum Zwecke der Synthese der wissenschaftlichen Grundbegriffe und Ergebnisse zu einer einheitlichen, logisch-widerspruchslosen, den Postulaten des Denkens, der Phantasie, des Gemütes gerecht werdenden Welt- und Lebensanschauung. Wissenschaftlich ist jene Philosophie, die als Methode das erkenntniskritische (s. d.) Verfahren, zum empirischen Materiale nicht bloß den Tatbestand der naiven Erfahrung, sondern auch die allgemeinen Ergebnisse der Einzelwissenschaften hat. Die Philosophie setzt also die Einzelwissenschaften voraus, und diese wiederum bedürfen der Philosophie zur Begründung ihrer allgemeinen, mit anderen Wissenschaften (auch der Theologie, s. d.) gemeinsamen Begriffe und Methoden. Ursprünglich sind Philosophie, Wissenschaft, Religion eins, sie differenzieren sich aus dem Mythus (s. d.) heraus zu selbständigen Disciplinen, die vielfach getrennte, Wege gehen, immer wieder aber nach Vereinheitlichung des Getrennten verlangen. Je »positivistischer« (s. d.) die Einzelwissenschaften werden, je mehr metaphysische Begriffe sie »eliminieren«, je mehr sie sich spezialisieren, desto stärker wird das Verlangen nach Gewinnung der (ursprünglich vorhandenen, aber undifferenzierten) Wissenschaftseinheit. Reine Philosophie sind Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ethik (teilweise). Angewandte Philosophie: Ästhetik, Rechts-, Geschichts-, Gesellschaftsphilosophie (Sociologie), Religionsphilosophie.

Die Philosophie hat bald einen universalen Charakter: a. als Gesamtwissenschaft, Wissenschafts-Synthese, b. als Metaphysik, Theosophie, c. als Wissenschaftslehre, bald eine mehr specielle Aufgabe: Erkenntniskritik, Bearbeitung der Begriffe, Wertwissenschaft u. dgl.

Ursprünglich bedeutet Philosophie (philosophia) und philosophein das Streben nach denkender, wissenschaftlicher Tätigkeit überhaupt, wie denn die ältere[104] Philosophie zum großen Teile (mit Ausnahme teilweise der Mathematik. später erst Loslösung der Philologie u. a. W.) mit der Wissenschaft zusammenfällt. »Omnis rerum optimarum cognitio atque in iis exercitatio philosophia nominata est« (CICERO). Bei HERODOT (I, 30) bemerkt Krösus zu Solon, er habe gehört, daß er theôriês heineken viele Länder philosopheôn bereist habe. I, 50 ist von philosophia im Sinne der »Kenntnis« die Rede. Nach THUKYDIDES (II, 40) sagt Perikles: philokaloumen met' euteleias kai philosophoumen aneu malakias. Als der Erste soll (nach Heraklides von Pontus) PYTHAGORAS, im Gegensatze zu den früheren sophoi, sophistai (Xenoph., Memor. I, 11. Plat., Gorg. 508 A), sich einen philosophos genannt haben (philosophos de ho sophian aspazomenos, Diog. L., Prooem. 12. VIII 1, 8). Cicero bemerkt, bis auf Pythagoras seien diejenigen, »qui in rerum contemplatione studia ponebant«, Weise (»sapientes«) genannt worden. Pythagoras habe bemerkt, »artem quidem se scire nullam, sed esse philosophum«. Es gebe Leute, »qui, ceteris omnibus pro nihilo habitis, rerum naturam studiose intuerentur. hos se appellare sapientiae studiosos – id est enim philosophos« (Tusc. disp. V, 3, 8 f.). Einwände gegen diese Ansicht bei E. ZELLER (Philos. d. Griech. I4, 1) und ÜBERWEG-HEINZE (Grundr. d. Gesch. d. Philos. I9, § 1).

SOKRATES nennt sich autourgos tês philosophias (Xenoph., Sympos. I, 5) und sagt von sich: philosophounta me dei zên kai exetazonta emauton kai tous allous (Plato, Apol. 28 E). Bei XENOPHON bedeutet philosophein so viel wie grübeln, nachsinnen (Cyrop. VI, 1, 41). ISOKRATES bezeichnet seine Rednertätigkeit als tên peri tous logous philosophian (Panegyr. 10, 6). Zuerst bestimmt die philosophia als »Wissenschaft« PLATO (peri geômetrian ê tina allên philosophian, Theaet. 143 D). Der Philosoph (Dialektiker, s. d.) steht zwischen dem Unwissenden und dem (absolut) Wissenden (philosophon de onta metaxy einai sophou kai amathous, Sympos. 204 B). Die Philosophie ist der Erwerb des Wissens (ktêsis epistêmês, Euthydem. 288 D). Philosophen sind die tou kata tauta hôsautôs echontos dynamenoi ephaptesthai (Republ. VI, 484 A). tous auto ara hekaston to on aspazomenous philosophous klêteon

(Republ. VI, 480 B. vgl. Gorg. 484 C, 485 A. Protag. 335 D). Wissenschaft ist die Philosophie als (dialektische, s. d.) Beschäftigung mit dem Seienden als solchem (nicht dem Werdenden, Unwesenhaften). Die Einteilung der Philosophie in Physik (physikon), Ethik (êthikon), Logik (logikon) geht (nach Sext. Empir. adv. Math. VII, 16) auf XENOKRATES zurück, nach welchem die aitia philosophias ist to tarachôdes en tô biô katapausai tôn pragmatôn (Galen. histor. philos. 3). – Auch ARISTOTELES versteht zunächst unter philosophia die Wissenschaft (hôste treis an eien philosophiai theôrêtikai, mathêmatikê, physikê, theologikê Met. VI 1, 1026a 18). Die Philosophie ist (Met. VI 1) theôrêtikê (zerfällt in physikê, mathêmatikê, theologikê, Met. XI, 7. vgl. Top. I 14, 105 b 19) oder praktikê oder poiêtikê (Seins- und Erkenntnislehre, Metaphysik, Logik, Rhetorik. Ethik, Ökonomik und Politik. Ästhetik). Die Philosophie im engsten Sinne ist die prôtê philosophia (philosophia prima), die Metaphysik (s. d.) oder theologikê, die allgemeine Seinswissenschaft, die Wissenschaft von den Principien (archai) der Dinge. sie handelt peri tou ontos hê on (Met. VI, 1026a 31. XI 4, 1061 b 26). Philosophie ist Wissenschaft der Wahrheit (epistêmê tês alêtheias, Met. II 1, 993 b 20). tôn ousiôn an deoi tas archas kai tas aitias echein ton philosophon (Met. IV 2, 1003 b 18). esti tou philosophou peri pantôn dynasthai theôrein (Met. IV 2, 1004 a 34). Quelle der Philosophie ist (wie auch PLATO, Theaet. 155 D) die Verwunderung (s. d.)[105] (to thaumazein, Met. I 2, 982 b 12), das Staunen. Philosophiai sind philosophische Disciplinen (Met. VI 1, 1026 a 18) oder philosophische Richtungen (Met. I 6, 987a29).

Bei den Stoikern erhält die Philosophie eine Wendung ins Praktische. Sie bestimmen sie als Streben nach Tüchtigkeit, Tugend, askêsin epitêdeiou technês. epitêdeion de einai mian kai anôtatô tên aretên (Plut., Epit. 1, prooem., DOX. 273 a 18). »Philosophia sapientiae amor et affectatio« (SENECA, Ep. 89, 3). »Philosophia studium summae virtutis, summam virtutem sapientiam, sapientiam rerum divinarum humanarumque scientiam esse dicebant« (l. c. 89, 7). CICERO bemerkt: »Philosophia, omnium mater artium... inventum deorum« (Tusc. disp. I, 26, 64). Sie ist Erkenntnis »divinarum humanarumque rerum, tum initiorum causarumque cuiusque rei« (l. c. V. 3, 7. De finib. II, 2). – EPIKUR definiert die Philosophie als vernunftvolles Streben nach Glückseligkeit: 'Epikouros elege tên philosophian einai logois kai dialogismois ton eudaimona bion peripoiousan (Sext. Emp. adv. Math. XI, 169). Sie gliedert sich physikon, êthikon, kanonikon (Diog. L. X, 30. Seneca, Ep. 89, 11). – Bei den Neuplatonikern nimmt die Philosophie den Charakter der Theosophie (s. d.) an. PROKLUS nennt sie geradezu theologikê. Eingeteilt wird die Philosophie von PLOTIN in Dialektik, Physik, Ethik (Enn. I, 3, 6).

Die Apologeten (besonders JUSTINUS) erklären wahre Philosophie und Christentum für eins. SCOTUS ERIUGENA meint, »veram esse philosophiam reram religionem conversimque veram religionem esse veram philosophiam« (De div. praed. 1, 1). Philosophie ist »sapientiae studium« (l. c. prooem.). Die Philosophie zerfällt in praktische, physische, theologische, logische Wissenschaft (De div. nat. III, 30). Bei den Scholastikern ist die Philosophie eine (der Theologie dienende, »ancilla theologiae«) die Principien der Dinge begrifflich erörternde, rein demonstrative Disciplin. AVICENNA erklärt: »Philosophi vero et sapientes post super illud, quod audierunt, applicare et adiungere voluerunt discursum demonstrativum et considerationem demonstrativam« (bei Stöckl II, 25). – HUGO VON ST. VICTOR erklärt (ähnlich wie CLEMENS ALEXANDRINUS, Strom. I, 5): »Philosophia est disciplina omnium rerum humanarum atque divinarum rationes plene investigans« (Erudit. didascal. I, 5). Nach ALBERTUS MAGNUS ist Object der Philosophie »quidquid est scibile«. Sie zerfällt in »philosophia realis (naturalis, metaphysica, mathematica: scientiae speculativae)« und »moralis (practica)«. Die »erste Philosophie« handelt von Gott, »secundum quod substat proprietatibus entis primi, secundam quod ens primum est« (Sum. th. I, 4. vgl. Hauréau II, 1, 228. Prantl, G. d. L. III, 90). »Ad theologiam omnes aliae scientiae ancillantur« (Sum. th. I, 6). So bemerkt auch THOMAS: »Fere totius philosophiae consideratio ad Dei cognitionem ordinatur« (Contr. gent. I, 4). »Philosophia humana creaturas considerat secundum quod huius modi sunt, unde et secundum diversa rerum genera diversae partes philosophiae inveniuntur« (l. c. II, 4. vgl. I, 8. II, 1). Es gibt: »philosophia divina, mathematica, moralis, naturalis (physica), practica, theoretica, prima, secunda, rationalis«. Nach DUNS SCOTUS zerfällt die Philosophie in Metaphysik, Mathematik, Physik. Die »philosophia prima« »considerat ens inquantum ens est, unde considerat rem secundum suam quidditatem« (Elench. qu. 1). Bei BONAVENTURA findet sich die Einteilung der Philosophie in »philosophia rationalis, naturalis, moralis«, bei ROGER BACON in »speculativa« und »moralis« (Op. mai. II, 7). ihr Zweck ist Erkenntnis des Göttlichen. – Bei SUAREZ ist Philosophie »studium sapientiae« (Met. disp. I, 1, p. 1). nach MICRAELIUS[106] »amor sapientiae« (Lex. philos. p. 823). »Philosophia est vel theoretica seu contemplativa – vel practica seu activa – vel tandem organica seu instrumentalis« (l. c. p. 824 f.).

Nach PARACELSUS ist die Philosophie vollendete Erkenntnis der Dinge (Paragran. 2), Erkenntnis der unsichtbaren Natur (l. c. p. 205). Nach PATRITIUS ist sie Streben nach Weisheit (Panaug. I, 1). NICOLAUS TAURELLUS definiert: »Philosophia est rerum divinarum et humanarum ex innata nobis intelligendi vi, certo rationum discursu acquisita notitia« (Philos. triumph. 1, p. 4).

Begriffliche Gesamtwissenschaft ist die Philosophie bei F. BACON. »Philosophia individua dimittit neque impressiones primas individuorum, sed notiones ab illis abstractas complectitur, atque in iis componendis et dividendis ex lege naturae et rerum ipsarum evidentia versatur« (De dignit. II, 1). Ihr Gegenstand ist »Deus, natura, homo« (l. c. III, 1). Die Philosophie ist jene Richtung der Wissenschaft (s. d.), welche auf dem Verstande beruht. Die Philosophie gliedert sich in »philosophia prima« (Ontologie), Naturphilosophie (s. d.), natürliche Theologie (s. d.), Anthropologie (»philosophia humana«: Psychologie, Logik, Ethik), Politik (»philosophia civilis«). Die »philosophia prima« ist »scientia universalis, quae sit mater reliquarum« und beschäftigt sich mit den »communia et promiscua scientiarum axiomata« (De dignit. III, 1 ff.). Nach HOBBES ist die Philosophie Erkenntnis der Dinge aus ihren Ursachen, Gründen, »effectuum sive phaenomenon ex conceptis eorum causis seu generationibus, et rursus generationum quae esse possunt, ex cognitis effectibus per rectam ratiocinationem acquisita cognitio« (De corp. C. 1, 2). Den Satz Bacons »Wissen ist Macht« adoptiert Hobbes: »Finis autem seu scopus philosophiae est, ut praevisis effectibus uti possumus ad cammoda nostra« (l. c. C. 1, 6). Gegenstand der Philosophie ist »corpus omne, cuius generatio aliqua concipi potest« (l. c. C. 1, 8). Die Philosophie zerfällt in »philosophia naturalis« und »civilis«, letztere in »ethica« und »politica« (ib.). Die »philosophia prima« fragt, »quid sit motus et quid magnitudo« (Leviath. I, 9). Die Methode der Philosophie ist, »effectuum per causas cognitos vel causarum per cognitos effectus brevissima investigatio« (De corp. a. 6, 1). Gesamtwissenschaft in begrifflicher Form ist die Philosophie bei DESCARTES: »Philosophiae voce sapientiae studium denotamus, et per sapientiam non solum prudentiam in rebus agendis intelligimus, verum etiam perfectam omnium earum rerum, quas homo potest novisse, scientiam, quae et vitae inserviat« (Princ. philos., praef.). »Hoc vero summum bonum, prout absque lumine fidei sola ratione naturali consideratur, nihil aliud est quam cognitio veritatis per primas suas causas, hoc est sapientia. cuius studium philosophia est« (ib.). »Tota igitur philosophia veluti arbor est, cuius radices metaphysica, truncus physica, et, rami ex eodem pullulantes, omnes aliae scientiae sunt, quae ad tres praecipuas revocantur, medicinam scilicet, mechanicam, atque ethicam« (ib.). Die »prima philosophia« befaßt sich mit den Grundprincipien der menschlichen Erkenntnis (ib.). GASSENDI definiert: »Philosophia, seu studium sapientine, est rationis exercitatio, qua meditando colloquendoque vitam beatam parat eaque fruitur« (Phil. Ep. synt. p. 366). Nach BAYLE ist die Philosophie »l'assemblage de plusieurs connaissances aquises par le raisonnement, par lesquelles on explique la nature des choses et l'on enseigne les devoirs de la vertu« (Syst. de philos. p. 1). ALSTEDIUS erklärt: »Philosophia est methodica comprehensio disciplinarum, quae theologiae, iurisprudentiae et medicinae itemque vitae communi inserviunt« (Compend. philos. 1626, p. 9). J. BÖHME bestimmt:[107] »Durch die Philosophie wird gehandelt von der göttlichen Kraft, was Gott sei, und wie im Wesen Gottes die Natur, Sterne und Elemente beschaffen sind, und woher alles Ding seinen Ursprung hat« (Aurora S. 17). – LOCKE versteht unter Philosophie die wahrhafte Erkenntnis der Dinge, bestehend aus Physik, Ethik, Semiotik (Logik) (Ess. IV, ch. 21, § 1 ff.). Nach SHAFTESBURY ist die Philosophie »study of happiness«. Nach BERKELEY ist sie »the study of wisdom and truth« (Princ., Einl.). – CHR. THOMASIUS bemerkt: »Philosophia intellectualis instrumentalis ex lumine rationis Deum, creaturas et actiones hominum naturales et morales considerans, et in earum causas inquirens, in utilitatem generis humani« (Intr. ad philos. 1702, p. 57 f.). Nach CHR. WOLF ist die »Weltweisheit« »eine Wissenschaft aller möglichen Dinge, wie und warum sie möglich sind« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst. S. 1). »Philosophia est scientia possibilium, quatenus esse possunt« (Philos. rational. § 29). Die Philosophie ist Begründung der Dinge durch »vernünftige Gedanken«. »Philosophus est, qui rationem reddere potest eorum, quae sunt vel esse possunt.« (l. c. § 46). Ein Weltweiser muß »den Grund anzeigen können«, warum etwas ist oder geschieht (Vern. Ged. I, § 3). Gegenstand der Philosophie sind »Deus, anima humana, corpora« (l. c. § 55). Ihre Teile sind »theologia naturalis, psychologia, physica« (l. c. § 57 ff.). Neben dieser theoretischen gibt es noch eine praktische (s. d.) Philosophie. Nach CRUSIUS ist die Philosophie der Inbegriff von Vernunftwahrheiten, deren Object dauernd ist (Weg zur Gewißh., Vernunftwahrh.). J. EBERT erklärt: »Die Philosophie ist... diejenige zusammenhängende Sammlung von Vernunftwahrheiten, worinnen die Natur und die Eigenschaften derjenigen Dinge untersucht werden, die nicht von der veränderlichen Einrichtung der Menschen ihren Ursprung haben« (Vernunftlehre S. 5). Nach D'ALEMBERT ist Philosophie die Anwendung der Vernunft auf eine Reihe von Gegenständen (Elém. d. philos., Mélang. 1760, V).

KANT bestimmt die Philosophie als Begriffswissenschaft. Es ist ihre Aufgabe, »Begriffe, die als verworren gegeben sind, zu zergliedern, ausführlich und bestimmt zu machen« (WW. II, 286). Philosophie ist das System aller philosophischen Erkenntnis (Krit. d. r. Vern.). Das ist ihr »Schulbegriff« (l. c. S. 633. »Vernunfterkenntnis aus bloßen Begriffen«, Log. S. 22). »Es gibt aber noch einen Weltbegriff (conceptus cosmicus)... In dieser Absicht ist Philosophie die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft« (Krit. d. r. Vern. S. 633. »Wissenschaft von den letzten Zwecken der menschlichen Vernunft«, »Wissenschaft von der höchsten Maxime des Gebrauchs unserer Vernunft«, Log. S. 23, 25). Die Philosophie »tractieret das, was in allen menschlichen Erkenntnissen das Selbständige ist und allem zugrunde liegt« (Reflex. II, 68). Vier Fragen machen das Feld der Philosophie aus: »Was kann ich wissen? – Was soll ich tun? – Was darf ich hoffen? – Was ist der Mensch?« »Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie« (Log. S. 25). Durch die Philosophie erhalten erst die Wissenschaften Ordnung und Zusammenhang (l. c. S. 28). – Nach LICHTENBERG besteht unsere ganze Philosophie darin, »uns dessen deutlich bewußt zu werden, was wir schon mechanisch sind« (Bemerk. S. 113). Nach REINHOLD ist die Philosophie die »Wissenschaft des bestimmten, von der Erfahrung unabhängigen Zusammenhanges der Dinge« (Üb. d. Begr. d. Gesch. d. Philos., Fülleb. Beitr. I, 1791, S. 13), nach FÜLLEBORN »Wissenschaft der notwendigen [108] Gründe und der notwendigen Art und Weise der Verbindung der Dinge« (Beitr. II, 1792, S. 125). Nach JACOB ist sie »Vernunftwissenschaft aus Begriffen« (Log. § 10, S. 6). Nach FRIES ist sie »die Wissenschaft aus bloßen Begriffen« (Syst. d. Log. S. 326). Sie gliedert sich in »formale« und »materiale« Philosophie (LogikMetaphysik, Syst. d. Log. S. 326). Nach MEINERS ist sie die »Wissenschaft des Menschen« (Gr. d. Seelenl., Vorr.). TENNEMANN erklärt: »Die Philosophie als Wissenschaft gehet auf eine systematische Erkenntnis der letzten, d. i. ursprünglichen Bedingungen, Gründe und Gesetze aller Erkenntnis« (Gr. d. Gesch. d. Philos. S. 28). KRUG definiert: »Die Philosophie ist... die Wissenschaft von der ursprünglichen Gesetzmäßigkeit der gesamten Tätigkeit unseres Geistes – oder – von der Urform des Ich« (Fundamentalphilos. S. 295). Das Philosophieren ist »eine Art von Beschauung seiner selbst« (l. c. S. 13). »Friede in und mit sich selbst, Harmonie im Denken wie im Wollen, im Erkennen wie im Handeln, oder mit andern Worten: Bewußtsein des Zusammenstimmens unserer gesamten Tätigkeit zur Erreichung unserer Bestimmung ist das letzte Ziel der Vernunft Überhaupt, mithin auch der philosophierenden« (l. c. S. 24). Die Philosophie eignet sich nur dasjenige zu, »was sich als erkennbar durch Vernunft mittelst einer discursiven Begriffsconstruction betrachten, mithin bloß geistigerweise (intellectual) anschauen läßt« (Handb. d. Philos. I, 104 f.). »Solange der Philosoph die theoretische und praktische Tätigkeit des Ich bloß in ihrer ursprünglichen Bestimmtheit erforscht, heißt die Philosophie rein. angewandt aber, sobald er jene Tätigkeit auch in ihrer erfahrungsmäßigen Bestimmtheit (unter empirischen Bedingungen und daraus hervorgehenden Modificationen) erwägt« (l. c. S. 112). Die Philosophie ist »Urwissenschaft« (l. c. S. 6. vgl. EBERHARD, Von d. Begriffe d. Philos. 1778. BARDILI, Philos. Elementarlehre, H. 1. F. KÖPPEN, Üb. d. Zweck d. Philos. 1807). Nach BOUTERWEK ist die Philosophie die Bestrebung des Denkens, »durch apodiktische Trennung des Scheines von der Wahrheit das Rätsel des Daseins der Dinge und der Bestimmung des Menschen zu lösen« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 3).

J. G. FICHTE faßt die Philosophie als Wissenschaftslehre (s. d.) auf. »Das ist die Absicht aller Philosophie, dasjenige im Gange unserer Vernunft, was auf dem Gesichtspunkte des gemeinen Bewußtseins uns unbekannt bleibt, zu entdecken« (Syst. d. Sittenlehre S. 7 f.). »Was für eine Philosophie man wähle, hängt... davon ob, was man für ein Mensch ist« (WW. I 1, 434). Nach SCHELLING ist Philosophie »freie Nachahmung, freie Wiederholung der ursprünglichen Reihe von Handlungen, in welchen der eine Act des Selbstbewußtseins sich evolviert« (Syst. d. tr. Ideal. S. 96). Sie ist »eine absolute Wissenschaft«, sie hat das Wissen selbst zum Object, kann nicht selbst ein untergeordnetes Wissen sein (Naturphilos. I, 67). Sie ist »Wissenschaft des Absoluten« (l. c. S. 78), auch »die Wissenschaft der Ideen oder der ewigen Urbilder der Dinge« (Vorles. üb. d. Method. d. akad. Stud.3, 4, S. 98). Alle Wissenschaften sind Teile der einen Philosophie, d.h. »des Strebens, an dem Urwissen teilzunehmen« (l. c. 1, S. 17). »Der Standpunkt der Philosophie ist der Standpunkt der Vernunft, ihre Erkenntnis ist eine Erkenntnis der Dinge, wie sie an sich, d.h. wie sie in der Vernunft sind. Es ist die Natur der Philosophie, alles Nacheinander und Außereinander, allen Unterschied der Zeit und überhaupt jeden, welchen die bloße Einbildungskraft in das Denken einmischt, völlig aufzuheben« (WW. I 4, 115. so schon SPINOZA, S. Erkenntnis, Phantasie). ESCHENMAYER erklärt: »Jede Philosophie hat es mit der inneren Construction unseres geistigen Organismus,[109] und zwar entweder mit der Architektonik oder mit der Füllung desselben zu tun. Überall aber sucht sie die Quellen und Gesetze des Erkennens, Fühlens und Handelns auf und erhebt sich dadurch über den Inhalt, womit sich die übrigen besonderen Wissenschaften beschäftigen« (Psychol. S. 1). Nach STEFFENS ist die Philosophie »die Wissenschaft der Ideen« (Grdz. d. philos. Naturwissensch. S. 15). Nach NOVALIS ist sie »die Kunst, ein Weltsystem aus den Tiefen unseres Geistes heraus zu denken«. Nach TROXLER ist sie »Anthroposophie« (Üb. Philos. 1830). M. G. KLEIN bemerkt: »Alles Philosophieren beginnt mit der Ahndung des Unendlichen und Übersinnlichen« (Beitr. zum Stud. d. Philos. S. 50 f.). Object aller wahren Philosophie ist es, »den Gegensatz des Unendlichen und Endlichen zur harmonischen Einheit fürs Wissen zu bringen« (l. c. S. 73. vgl. S. 98 ff.). – HEGEL definiert die Philosophie (formal) als »denkende Betrachtung der Gegenstände« (Encykl. § 2), material als »Wissenschaft des Absoluten« (l. c. § 14), als »die sich denkende Idee, die wissende Wahrheit« (l. c. 574). Ihre Aufgabe ist, »das, was ist, zu begreifen«, sie ist »ihre Zeit in Gedanken erfaßt« (Rechtsphilos. S. 19. vgl. Ästhet. I, 17). »Die Philosophie ist zeitloses Begreifen, auch der Zeit und aller Dinge überhaupt, nach ihrer ewigen Bestimmung« (Naturphilos. S 26). sie »beabsichtigt zu erkennen, was unveränderlich, ewig, an und für sich ist« (Philos. d. Gesch. I, 19), ihr letztes Ziel ist, »den Gedanken, den Begriff mit der Wirklichkeit zu versöhnen« (l. c. III, 684). Sie hat Gott zum letzten Gegenstande, ist nicht Weltweisheit, sondern »Erkenntnis dessen, was ewig ist, was Gott ist und was aus seiner Natur fließt« (WW. XI, 15 f.). »Die Philosophie betrachtet zuerst das Logische, reines Denken, das sich sodann entschließt, als Natur äußerlich zu sein. das Dritte ist der Geist« (l. c. S. 48). »Philosophie ist dies, was in Form der Vorstellung ist, in die Form des Begriffes zu verwandeln« (l. c. S. 80). In der Philosophie kommt das Absolute zum Wissen um sich selbst als Geist (vgl. die Schriften von K. ROSENKRANZ, MICHELET u. a. Hegelianern, s. d.). Nach G. W. GERLACH ist die Philosophie eine »Wissenschaft, welche die Entwicklung und Darstellung der Grundbegriffe der rein vernünftigen Welt- und Lebensansicht zur Aufgabe hat« (Hauptmom. d. Philos. S. 26). »Der höchste Zweck des philosophischen Strebens besteht... in der Aufstellung einer universellen Weltansicht« (l. c. S. 43 f.). Nach HILLEBRAND ist die Philosophie »die Wissenschaft des Allgemeinen, nicht des abstract-leeren, sondern des sich selbst erfüllenden Allgemeinen« (Philos. d. Geist. I, S. IV). C. H. WEISSE erklärt: »Die Philosophie ist ebensosehr die Kunst, Probleme zu stellen, die als Probleme nicht in das außerphilosophische Bewußtsein fallen, wie sie die Wissenschaft ist, die Probleme dieses Bewußtseins zu lösen« (Met. C. 2, S. 20).

Nach E. REINHOLD ist die Philosophie »die wissenschaftliche Entwicklung des organisch verbundenen Ganzen der wesentlichen, zufolge des Wesens der Menschheit streng notwendigen und allgemeinen Erkenntnisbegriffe der menschlichen Intelligent« (Lehrb. d. philos. propäd. Psychol.2, S. 7 f.). Nach SCHLEIERMACHER ist die Philosophie Dialektik (s. d.), das »höchste Denken mit dem höchsten Bewußtseins« (Dial. S. 3). Nach BRANISS ist sie »die wissenschaftliche Darstellung des vernünftigen Denkens« (Syst. d. Met. S. 127), auch die »Wissenschaft der Idee« (ib.). sie zerfällt in Ideal- und Realphilosophie (ib.). Nach CHALYBAEUS ist die Philosophie »die Wissenschaft, durch denkende Erkenntnis die Wahrheit hervorzubringen« (Wissenschaftslehre S. 27. vgl. Fundamentalphilos. 1861). Nach BACHMANN ist Object der. Philosophie »das [110] Wesen, das Wirkliche in uns und außer uns in seiner lebendigen Entwicklung und. da. ewige Grund beider« (Syst. d. Log. S. 352). Im Sinne CHR. KRAUSES (Vorles. üb. d. Syst.) lehrt AHRENS, die Philosophie sei »eine durch Vernunftforschung in dem höchsten Princip gewonnene Gesamtanschauung alles Seins und Lebens« (Naturrecht I, 7) V. COUSIN bemerkt: »La philosophie n'est pas autre chose que la réflexion en grand, la réflexion avec le cortège des procédés, qui lui sont propres, la réflexion élevée au rang et à l'autorité d'une méthode« (Cours, leç. 1, p. 20). »Les idées – voilà les seuls objets propres de la philosophie« (l. c. p. 22). »La philosophie est le culte des idées« (ib.). Der Eklekticismus ist die wahre historische Methode (Du vrai... p. 14). Nach GALUPPI ist die Philosophie »la scienza del pensiero umano« (Elem. di filos. III, p. 5). Sie ist nach ROSMINI die Wissenschaft von den letzten und obersten Gründen (Sist. filos. § 1). Sie besteht aus der generellen und speciellen Philosophie (l. c. § 3 ff.). GIOBERTI betrachtet als Grundidee der Philosophie die Idee Gottes als Anfang und Ende der Dinge (Introd. I, 5). »La filosofia è la scienza dell'atto creativa in se stesso e in relazione co' suoi effetti« (Protolog. I, 191). Die »protologia« ist die »philosophia prima«, »la scienza dell' atto creativo o sia della formula ideale che lo esprime compitamente« (l. c. p. 192). Nach MAMMIANI ist die Philosophie wesentlich Ontologie (s. d.), Wissenschaft vom Seienden.

In die »Bearbeitung der Begriffe« (Befreiung von ihren »Widersprüchen« und Ergänzung) setzt die Aufgabe der Philosophie HERBART (Lehrb. zur Einl. § 4, s. Metaphysik, Widerspruch). Sie zerfällt in Logik, Metaphysik, Ästhetik. – Nach FERRIER hat die Philosophie die Aufgabe, die Irrtümer des gemeinen Denkens zu berichtigen (Institut. of Met.2, 1856). Nach L. KNAPP hat die Philosophie zur Aufgabe »die Erklärung der Einbildung« (Syst. d. Rechtsphilos. S. 2), die »Darlegung der Einheit von Naturgesetz und Denkproceß« (l. c. S. 30), »Erhellung des principiellen Irrtums« (l. c. S. 35). – Nach SCHOPENHAUER ist die Philosophie »Wissenschaft in [nicht aus] Begriffen« (W. a. W. u. V. I. Bd., S. 451). Die allgemeine Erfahrung ist ihr Gegenstand (Parerga II, § 21), sie muß auf Beobachtung und Erfahrung (innere besonders) gegründet sein (l. c. § 9). Ihre Aufgabe ist, »das ganze Wesen der Welt abstract, allgemein und deutlich in Begriffen zu wiederholen und es so als reflectiertes Abbild in bleibenden und stets bereit liegenden Begriffen der Vernunft niederzulegen« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 68). Sie gliedert sich in Dianoiologie (s. d.), Logik, Metaphysik (ib.). Gegenstand der Philosophie ist die Idee (s. d.) (Neue Paralipom. § 9). »Denn die Idee, die sich in der Vielheit des Wirklichen zersplittert, wird im Begriff wieder gesammelt« (l. c. § 15). »Nur in Begriffen (d.h. durch die Vernunft) läßt sich das Ganze übersehen, und das Wesen der Welt (welche die Objectivität des Willens ist) in Begriffen auszudrücken und so die Anschauung in einem andern Stoff (den Begriffen) zu wiederholen, ist diejenige Kunst, welche Philosophie heißt« (l. c. § 21), Kunst und nicht eigentlich Wissenschaft (ib.). Sie ist, »ein Mittleres von Kunst und Wissenschaft, oder vielmehr etwas, das beide vereinigt« (l. c. § 28. vgl. HÖFFDING, Die Philos. als Kunst, u. Philos. Probl. S. 1, 70). – Nach K. FISCHER ist die Philosophie »die Selbsterkenntnis des menschlichen Geistes« (Gesch. d. neuern Philos. I3, 11). RENAN erklärt: »L'étude de la nature et de l'humanité est... toute la philosophie« (Fragm. philos. p. 292). Die Philosophie ist keine besondere Wissenschaft, sondern das allgemeine Resultat aller Wissenschaften. – Nach R. ZIMMERMANN ist sie Wissenschaft[111] von den »Musterbegriffen« (Anthroposoph. S. 2). Nach J. BAUMANN heißt philosophieren »sich durch Nachdenken in der Welt orientieren« (Philos. als Orient. Anf.). – Nach L. SCHMID hat die Philosophie ihr Wesen in der Selbstverwirklichung des Menschen zu reiner Menschlichkeit (Grdz. d. Einleit. in d. Philos. 1860). – Nach JOUFFROY ist die Philosophie »la science de ce qui n'a pas encore pu devenir l'objet d'une science, la science de l'obscur, de l'indéterminé, de l'inconnu«. nach CLAUDE BERNARD stellt sie dar »l'aspiration éternelle de la raison humaine vers la connaissance de l'inconnu« (Introd. à In med. expérim.).

Als allgemeine Principienwissenschaft und Wissenschaftssynthese betrachtet die Philosophie H. RITTER. Nach ihm hat sie die »Grundbegriffe der einzelnen Wissenschaften, ihre Methoden und Hülfsbegriffe« zu untersuchen, und sie sucht den Zusammenhang aller Erkenntnisse (Syst. d. Log. u. Met. I, 14 f., 27. vgl. Abr. d. philos. Log. S. 5 f.). Nach FECHNER ist sie die »Wissenschaft der Wissenschaften« (Physikal. u. philos. Atom.2, S. 141). Nach LOTZE hat sie zu ihrem Gegenstande »die Begriffe..., die in den speciellen Wissenschaften, sowie im Leben als Principien der Beurteilung der Dinge und der Handlungen gelten« (Gr. d. Log. S. 94). Nach W. ROSENKRANTZ hat die Philosophie »als allgemeine Wissenschaft die Aufgabe, alle übrigen Wissenschaften unter sich zur Einheit zu verbinden, und als höchste Wissenschaft, alle übrigen Wissenschaften zu leiten und ihrer Vollendung zuzuführen« (Wissensch. d. Wiss. I, 29). Nach L. FEUERBACH ist sie »die Wissenschaft der Wirklichkeit in ihrer Wahrheit und Totalität« (WW. II, 231). »Die Philosophie ist Erkenntnis dessen, was ist« (l. c. S. 254). Nach A. COMTE ist sie »le systéme général des conceptions humaines« (Cours de philos. pos. I3, 5), die einheitliche, systematische Betrachtung des menschlichen Daseins (Einl. in d. pos. Philos. S. 6). H. SPENCER definiert die Philosophie als die total vereinheitlichte Erkenntnis: »Philosophy is completely-unified knowledge« (First Princ. § 37). – Nach ÜBERWEG ist die Philosophie die »Wissenschaft der Principien« (Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, § 1), »Wissenschaft der Principien der durch die Specialwissenschaften Erkennbaren«, »Wissenschaft des Universums, nicht nach seinen Einzelheiten, sondern nach den alles einzelne bedingenden Principien« (Log. S. 9. Üb. d. Begr. d. Philos., Zeitschr. f. Philos. Bd. 42. vgl. Welt- u. Lebensansch. S. 1 ff.). Ähnlich CZOLBE (Grenz. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 3). Nach C. GÖRING hat die Philosophie »die Wirklichkeit zu erklären« (Syst. d. krit. Philos. II, 251). Nach LAZARUS ist die Philosophie »die Wissenschaft der Wissenschaften, das Wissen des Wissens« (Leb. d. Seele I2, 51 f.). Nach STEINTHAL ist die Philosophie Erkenntnis des Wesens der Zusammenhänge der Dinge und das »Wissen vom Wesen und Grunde des Wissens selbst« (Einleit. in d. Psychol.2, S. 2). Die Philosophie ist nach G. GLOGAU »ihrem letzten Zwecke nach regulativ, nicht constitutiv. Sie empfängt die tatsächlichen Elemente, die sie bearbeitet, sämtlich aus den Schatzkammern der concreten Wissenschaften, und auch die formalen werden ihr in einer bereits weit fortgeschrittenen Entwicklung überliefert« (Abr. d. philos. Grundwiss. I, 13). Nach HARMS ist die Philosophie die Wissenschaft des Absoluten aus den Grundbegriffen der Erfahrung, »die Wissenschaft von den Grundbegriffen und den objectiven Voraussetzungen der einzelnen Wissenschaften, welche das System des Erkennens und der Begriffe bildet, das aller Einzelforschung der Wissenschaften zugrunde liegt und ihren Zusammenhang vermittelt« (Psychol. S. 24. vgl. Prolegom. zur Philos.[112] S. 1 ff.). Nach KIRCHMANN ist die Philosophie »diejenige Wissenschaft, welche die höchsten Begriffe und Gesetze des Seins und des Wissens zu ihrem Gegenstande hat« (Kat. d. Philos.3, S. 5). Nach PAULSEN ist sie der »Inbegriff aller wissenschaftlichen Erkenntnis« (Einl. in d. Philos.2, S. 19). O. CASPARI erklärt: »Die Philosophie hat die Ergebnisse aller Specialwissenschaften von der Naturlehre an bis zu den höheren Geisteswissenschaften in eine einheitliche Vermittlung zu setzen« (Grund- u. Lebensfrag. S. 13). Nach E. ZELLER stellt die Philosophie die Grundbegriffe der Wissenschaften fest und bringt den Zusammenhang der Wissenschaften zum Bewußtsein (Üb. d. Aufgabe d. Philos., Vortr. u. Abhandl. II). Nach E. v. HARTMANN erstrebt sie »speculative Resultate nach inductiv-naturwissenschaftlicher Methode« (Phil. d. Unbew.3, Motto), ist sie Wissenschaftssynthese und Principienlehre. FR. SCHULTZE erklärt: »Wissenschaftliche Philosophie ist nur diejenige, welche im engsten, natürlichen Zusammenhange mit den empirischen Wissenschaften deren allgemeine erkenntnistheoretische Grundlagen nach kritischer Methode genau feststellt und, deren allgemeine Ergebnisse nach eben dieser Methode vergleichend, neue allgemeine Ergebnisse daraus ableitet,« zum Zwecke einer einheitlichen Weltauffassung (Philos. d. Nat. I, 10). – Nach R. AVENARIUS ist sie »das wissenschaftlich gewordene Streben..., die Gesamtheit des in der Erfahrung Gegebenen mit dem geringsten Kraftaufwand zu denken« (Philos. als Denk. d. Welt S. 21). Nach E. MACH besteht sie »nur in einer gegenseitigen kritischen Ergänzung, Durchdringung und Vereinigung der Specialwissenschaften zu einem einheitlichen Gannzen« (Populärwissensch. Vorles. S. 277). Nach H. CORNELIUS ist sie »Streben nach letzter Klarheit« mit dem Ziel der »Lösung der Beunruhigung« (Einl. in d. Philos. S. 6 ff., 10). – Nach L. RABUS ist die Philosophie die »Wissenschaft und Lehre von der Erkenntnis Gottes und seines Reiches« (Log. S. 344). E. L. FISCHER definiert sie als »die wissenschaftliche Forschung nach den Grundlagen oder Bedingungen des Erfahrungsmäßigen« oder als die »Theorie von den Grenzbegriffen der Erfahrung« (Grundfrag. d. Erk. S. 44). Nach GUTBERLET ist die Philosophie »die Erkenntnis aller Dinge aus ihren letzten und höchsten Gründen« (Log. u. Erk.2, S. 1). Nach HAGEMANN ist sie »die Wissenschaft von dem Wesen, Grunde und Endziele aller Dinge, sofern dieses der Vernunft aus sich erreichbar ist« (Log. u. Noet. S. 3 f.). – Nach P. CARUS gestaltet sie sich zu einer »systematischen Auffassung der Welt auf Grund wissenschaftlicher Bildung« (Met. S. 9). Nach SCHUBERT-SOLDERN enthält sie »die allgemeinen Voraussetzungen aller Wissenschaften« (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 21. Bd, S. 152). R. WAHLE bestimmt: »Philosophie ist die Gruppe von Fragen nach dem Wesen des Universellen und dem Universell-Subjectiven« (Das Ganze d. Philos. S. 17). Ihr Wesen ist Agnosticismus (l. c. S. 537), da die Seinsfactoren völlig unbekannt sind. – Nach DILTHEY ist die Philosophie »zunächst eine Anleitung, die Realität, die Wirklichkeit in reiner Erfahrung zu erfassen und in den Grenzen, welche die Kritik des Erkennens vorschreibt, zu zergliedern« (Einl. in d. Geisteswiss. I, 153). Die Metaphysik hat ihre Rolle ausgespielt (l. c. S. 453). Es bleibt nur noch die Aufgabe, »die Ergebnisse der positiven Wissenschaften in einer allgemeinen Weltansicht abzuschließen« (l. c. S. 456). Nach G. SIMMEL ist die Philosophie »eine vorläufige Wissenschaft, deren allgemeine Begriffe und Normen uns so lange zur Orientierung Über die Erscheinungen dienen, bis die Analyse derselben uns zu der Erkenntnis ihrer realen Elemente und zur exacten Einsicht[113] in die unter diesen wirksamen Kräfte verhilft« (Probl. d. Geschichtsphilos. S. 60). Dagegen betont A. DORNER, die philosophische Speculation habe zur Hauptaufgabe »die Erkenntnis der intelligiblen Welt« (Gr. d. Relig. S. 16) Die Philosophie ist eine selbständige Wissenschaft, »die nicht bloß die Aufgabe hat, die empirische Welt zu erklären, sondern das ihr zugrunde liegende Wesen, das über die Empirie hinausgeht, zu erfassen und von hier aus die Empirie, so weit sie sich entwickelt hat, zu verstehen, zugleich aber die Richtlinien anzugeben, in der sich ihre nächste Entwicklung zu vollziehen hat« (l. c. S. 17) Nach DEUSSEN ist die Aufgabe der Philosophie, »aus der Erforschung unseres eigenen Inneren die Mittel zu gewinnen, um das innere Wesen aller andern Erscheinungen der Natur zu ergründen« (Allgem. Gesch. d. Philos. I 1, 6). – Nach L. DILLES ist die Philosophie eine Orientierung »über das Wesentliche unserer ganzen Lebenslage überhaupt, über den Grund und das Wesen unseres Daseins in dieser Welt« (Weg zur Met. S. 86 f.). – Nach G. SPICKER ist die Philosophie »die Wissenschaft des Geistes, subjectiv betrachtet. objectiv genommen aber ist sie die Wissenschaft vom Absoluten« (K., H. u. B. S. 175). JOËL erklärt: »Die Philosophie allein ist Wissenschaft vom Geist, von seinen Functionen, und Wissenschaft für den Geist, Vereinfachung der unendlichen Welt für den Geist durch Principien« (Philosophenwege S. 290). – E. KÜHNEMANN erklärt: »Der reine Begriff ist das Problem der Philosophie« (S. 437).

Den strengen Zusammenhang der Philosophie mit den Einzelwissenschaften betont, ohne dem Positivismus (s. d.) zu verfallen, WUNDT. Die Philosophie soll den ganzen Umfang wissenschaftlicher Erfahrung zur Grundlage nehmen (Ess. 1, S. 18). Die Philosophie geht den Einzelwissenschaften nicht voran, sondern sie folgt ihnen nach (Einl. in d. Philos. S. 38. Philos. Stud. XIII, 432). Die Philosophie führt die Arbeit der Einzelwissenschaft weiter, vollendet de (Syst. d. Philos2, S. V. Syst. d. Philos.2. S. XI. Einl. in d. Philos. S. 28). Sie ist aber nicht eine bloße Sammlung der Principien der Einzelwissenschaften (wie bei COMTE u. a.), sondern sie muß jedes Problem erkenntniskritisch prüfen (Philos. Stud. V, 31). Sie muß den allgemeinen Erkenntnissen der Wissenschaften die endgültige systematische Ordnung geben (Log. II2 2, 25. Einl. in d. Philos. S. 16 ff.. Syst. d. Philos.2, S. VI). Alles Philosophieren beruht auf einem »Trieb nach Systematisierung des Erkennens und seiner Methoden« (Einl. in d. Philos. S. 31). Bloße »Wertlehre« kann die Philosophie nicht sein, da schon in jeder Wissenschaft Wertungen notwendig sind, auch kann sie nicht rein normativ sein, denn jede normative Wissenschaft ist zugleich explicativ (Einl. in d. Philos. S. 30 ff.). Zweck der Philosophie ist die »Zusammenfassung unserer Einzelerkenntnisse zu einer die Forderungen des Verstandes und die Bedürfnisse des Gemütes befriedigenden Welt- und Lebensanschauung« (Syst. d. Philos.2, S. 1, 15. Einl. in d. Philos. S. 5 ff.). Die Philosophie ist eine »allgemeine Wissenschaft, welche die durch die Einzelwissenschaften vermittelten allgemeinen Erkenntnisse zu einem. widerspruchslosen System zu vereinigen hat« (Syst. d. Philos.2, S. 17. Einl. in d. Philos. S. 17). »Überall, wo sich zwischen den Auffassungen auf verschiedenen Gebieten ein Widerspruch herausstellen wollte, ist es die Philosophie, die den Grund desselben aufzuklären und dadurch womöglich den Widerspruch zu beseitigen hat« (Syst. d. Philos.2, S. 17. Einl. in d. Philos. S. 19). Ihren Inhalt hat die Philosophie mit den Wissenschaften gemein, aber sie nimmt einen andern Standpunkt der Betrachtung ein, indem sie den Zusammenhang der Tatsachen und Begriffe ins Auge faßt (Syst. d.[114] Philos.2 S. 21, 30. Philos. Stud. V, 1 ff., 48). Die Philosophie ist eine Geisteswissenschaft, denn sie stützt sich wesentlich auf psychologische Erfahrungen (Syst. d. Philos. S. 14, 28. Philos. Stud. V, 48. Einl. in d. Philos. S. 27, 82). Die Methode der Philosophie ist die wissenschaftliche überhaupt (Log. II2 2, 631 ff.). Wissenschaftslehre ist die Philosophie nur in dem Sinne, daß sie »die Methoden und Ergebnisse der Einzelwissenschaften als den eigentlichen Gegenstand ihrer Forschungen betrachtet,« ihr Ziel aber ist »die Gewinnung einer Weltanschauung, die dem Bedürfnis des menschlichen Geistes nach der Unterordnung des Einzelnen unter umfassende theoretische und ethische Gesichtspunkte Genüge leistet« (Log. II2, 641 f., 643. Syst. d. Philos.2, S. 105. Ess. 2, S. 60). Kritisch ist die Philosophie, indem sie von vornherein mit klarem Bewußtsein über ihre Voraussetzungen und Verfahrungsweisen Rechenschaft zu geben hat, indem sie ferner die logischen Motive des Erkennens nachweist (Log. II2 2, 631. Syst. d. Philos.2, S. 192. Philos. Stud. VII, 12 f., 15. vgl. Üb. d. Aufgabe d. Philos. 1874. Einfloß d. Philos. auf d. Erfahrungswissensch. 1876). Die Philosophie gliedert sich in: 1) genetische (Erkenntnislehre, s. d.) und 2) systematische Philosophie (Principienlehre: Metaphysik. Naturphilosophie, Geistesphilosophie = Ethik, Rechtsphilosophie, Ästhetik, Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie) (Einl. in d. Philos. S. 85. Syst. d. Philos.2, S. 31). Wie Wundt auch W. JERUSALEM (Einführ. m d. Philos.), KREIBIG (Werttheor. S. 1) u. a. KÜLPE bezeichnet als Aufgabe der Philosophie: 1) die, wissenschaftliche Ausbildung einer Weltansicht. 2) die Untersuchung der Voraussetzungen aller Wiesenschaft. 3) die Vorbereitung neuer Einzelwissenschaften (Einl. in d. Philos.2, S. 263).

Nach ADICKES, ist die Philosophie eine selbständige Wissenschaft, sie ist Theorie des Denkens (Logik, Erkenntnistheorie), Metaphysik, im weiteren Sinne auch Psychologie, Ethik, Ästhetik (Zeitschr. f. Philos. 117. Bd., S. 49, 52 f.). Sie hat »die allgemeinen Bedingungen und Principien des Denkens und Erkennens zu untersuchen und festzustellen. Sie darf nicht in die Einzelwissenschaften eingreifen« (l. c. 112. Bd., S. 230). Nach RIEHL ist die Philosophie »allgemeine Wissenschafts- und praktische Weisheitslehre«, »Wissenschaft und Kritik der Erkenntnis« (Philos. Krit. II 2, S. 10 ff., 15f.). Die Erfahrung selbst und als solche ist der Gegenstand der wissenschaftlichen Philosophie (Zur Einf. in d. Philos. 6. 22). Ziel der Philosophie ist, dem Menschen »eine lebensrolle Weltanschauung zu geben, die sich an alle Seiten seiner Natur wendet« (l. c. S. 23). Insofern die Wissenschaft Werte entdeckt, schafft, ist sie mehr als Wissenschaft (1 c. S. 9). Die Philosophie als »Kunst der Geistestführung« ist von der Philosophie als Erkenntnistheorie zu unterscheiden (ib.). Die Philosophie darf nicht metaphysisch sein (l. c. S. 5). Nach H. LORM ist sie nur Erkenntnistheorie (Grundlos. Optimism. S. 145). Die Kantianer (s. d.) bestimmen die Philosophie wesentlich als Erkenntniskritik (s. d.) und Ethik. – Als Wertlehre, normative Wissenschaft von den allgemeingültigen Werten, bestimmt die Philosophie WINDELBAND (Gesch. d. Philos.2, S. 548), sie ist »die kritische Wissenschaft von den allgemeingültigen Werten« (Prälud. S. 28). »Das Object der Philosophie bilden die Beurteilungen« (l. c. S. 32). »Philosophie also ist die Wissenschaft vom Normalbewußtsein,« »von den Principien der absoluten Beurteilung« (Logik, Ethik, Ästhetik, l. c. S. 39, 45 f.). Nach NIETZSCHE ist die Philosophie eine »Kunst in ihren Zwecken und in ihrer Production. Aber das Mittel, die Darstellung in Begriffen, hat sie mit der Wissenschaft gemein«. Der[115] Philosoph bestimmt und schafft Werte, er strebt nach einheitlichem Beherrschen der Welt (WW. X, S. 199 ff.. VII, 1, 211). Die Philosophen sind »Befehlende und Gesetzgeber«, sie haben die »Rangordnung der Werte« zu bestimmen (Zur Genealog. d. Moral S. 38). »Der Philosoph sucht den Gesamtklang der Welt in sich nachtönen zu lassen und ihn aus sich herauszustellen in Begriffen« (WW. X, S. 19). Nach A. DÖRING ist die Philosophie »Güterlehre« (Üb. d. Begr. d. Philos. 1878. Philos. Güterlehre S. 438).

Auf Psychologie, auf innerer Erfahrung basieren die Philosophie FRIES (s. Psychologie) und BENEKE: Philosophie ist angewandte Psychologie (s. d.) (Kant u. d. philos. Aufg. uns. Zeit 1832. Die Philos. S. 37 f.). Nach LIPPS ist die Philosophie »Geisteswissenschaft oder Wissenschaft der innern Erfahrung« (Gr. d. Seelenleb. S. 3). Im Sinne BRENTANOS definiert A. MARTY die Philosophie als das »Wissensgebiet, welches die Psychologie und alle mit der psychischen Forschung nach dem Princip der Arbeitsteilung innigst zu verbindenden Disciplinen umfaßt« (Was ist Philos.?). Vgl. JANET, Princ. de mét. et de psychol. I, 3 ff., 130 ff.: E. DE ROBERTY, Qu'est-ce que la philos.? Rev. philos. 53, p. 225 ff. Vgl. Metaphysik, Psychologismus, Problem, Wissenschaftslehre.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 104-116.
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