Lombardisch-venetianisches Königreich

[22] Lombardisch-venetianisches Königreich, Kronland der österr. Monarchie seit 1815, besteht aus den ehemaligen österr. Herzogthümern Mailand u. Mantua, aus dem Gebiete der Republik Venedig, Veltlin, Bormio und Chiavenna (ehemals graubündnisch), kleinen Theilen von Parma, Piacenza und dem Kirchenstaate, 826 QM. groß. von denen 392 auf das Mailändische, 434 auf das Venetianische kommen. Begränzt ist das L. von der Schweiz, Tyrol, Kärnthen, Görz, Gradisca, dem adriat. Meer, Kirchenstaat, Modena, Parma und Piemont; der Norden des Landes ist von den Zweigen der Alpen erfüllt; abgesondert erheben sich bei Padua das Trachytgebilde der euganeischen Berge (bis 1761'), bei Vicenza die Bericischen; den größeren Theil des Landes bildet die Poebene. Hauptfluß ist der Po, der viele von den Alpen herabströmende Nebenflüsse, als Tessino, Olona, Lambro, Adda, Oglio, Mincio aufnimmt; unmittelbar in das adriat. Meer ergießen sich Etsch, Brenta, Bachiglione, Piave, Livenza, Tagliamento; von dem südl. Seekranze des Alpengebirges gehören hieher der Lago maggiore, di Lugano, Como, dʼIseo, dʼIdro, di Garda u. viele kleinere. Das Klima ist im Gebirge rauh, im Ganzen gemäßigt, nicht ganz gesund wegen Sümpfen an den Flußufern u. Mündungen. Das Land ist im Allgemeinen fruchtbar, überall wohl angebaut; die Poebene dürfte wohl der bestangebaute und fruchtbarste Landstrich Europas sein, wo namentlich die Bewässerung mit großer Kunst in der ausgedehntesten Weise in Anwendung kommt. Der Wiesenbau ist unübertrefflich, der Ackerbau blühend (Reis, Mais, Weizen), deßgleichen der Gartenbau u. die Obstbaumzucht; von großer Bedeutung ist der Seidenbau. Der Bergbau liefert Eisen, Kupfer, Blei, Marmor, Gyps, Alabaster u. gewöhnlichen Kalk, neuester Zeit treffliche lithograph. Steine. Die Industrie verarbeitet Seide, Wolle, Baumwolle u. Flachs, Eisen (Brescia, Bergamo), Glas, Porzellan, Gold- u. Silberwaaren, Leder, chemische Artikel etc. Der Handelsverkehr ist sehr lebhaft, durch Eisenbahnen, Dampfschiffahrt auf Flüssen und Seen, sowie durch eine ziemliche Anzahl Kanäle befördert. Die Bevölkerung beträgt etwas über 5 Mill. E., von denen 2725000 in 13 Städten, 116 Märkten, 1982 Dörfern auf die Lombardei, u. 2281000 in 28 Städten, 233 Märkten, 551 Dörfern auf das Venetianische kommen. Für die geistige Bildung ist besser als in irgend einem andern Staate Italiens gesorgt: durch die Universitäten zu Pavia und Padua, 11 Akademieen, 20 theologische, 36 philosophische Lehranstalten, 88 Gymnasien, 17 Specialschulen, 1208 Anstalten für allgemeinen Unterricht, 709 Haupt-, 5615 Trivial-, 1220 Mädchen-, 337 Wiederholungsschulen. Seit dem letzten Dec. 1851 steht an der Spitze des Königreichs ein Generalgouverneur, im lombard. u. venetian. Gebiete je ein Statthalter. Seit dem Sommer 1855 ist die Repräsentation (durch adelige u. bürgerliche Grundbesitzer, sowie durch städtische Abgeordnete) wieder hergestellt. Eingetheilt ist das Königreich in Delegationen od. Provinzen, mit einem Delegaten an der Spitze: Mailand, Bergamo, Brescia, Como, Cremona, Lodi, Mantua, Pavia, Sondrio, Venedig, Belluno, Padua, Rovigo, Treviso, Udine, Verona, Vicenza. Die Rechtspflege ist bekanntlich seit 1852 [22] in der österr. Monarchie überall dieselbe; in Venedig u. Mailand bestehen 2 Oberlandesgerichte, 17 Landes-, 2 Handelsgerichte u. 160 Präturen (Bezirksgerichte).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 22-23.
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