Baumwollstückbleiche

[622] Baumwollstückbleiche. Der erste Teil des heutigen Bleichverfahrens für baumwollene Markt- oder Druckware ist beim Bäuchen (s.d.) beschrieben[622] worden. Der zweite Teil, das Weißmachen, schlägt für beiderlei Bleichgut denselben, schon für Baumwollgarne angegebenen Weg ein (s. Baumwollgarnbleiche).

Der hauptsächliche Unterschied zwischen Garn- und Stückbleiche besteht in dem weit rascheren und leichteren Transport der Stückware von einem Apparat und einem Lagerplatz zum andern, und am deutlichsten erkennt man diesen Unterschied bei der in allen größeren Bleichen durchgeführten Continuebleiche, bei der sämtliche 200–500 Stücke, die eine Bleichpost ausmachen, mit ihren Enden zusammengenäht, im Strang durch sogenannte Porzellan- oder Glasbrillen nach Bedarf im Bleichhaus hin und her befördert werden und bis zum Trocknen zusammengenäht bleiben. Da die Zentrifuge nur eine beschränkte Zahl einzelner Stücke aufzunehmen vermag, so paßt sie nicht in den Rahmen der Continuebleiche und wird durch den weniger gut entwässernden Squeezer (s. Ausringmaschinen) ersetzt. Die Chlorkalklösung für die gebauchten und gewaschenen Stücke wird 1/2° Bé stark genommen und befindet sich in einem Holzbottich oder gemauerten Bassin, aus dem sie, wie bei der Baumwollgarnbleiche angegeben worden ist, über die in einem oberen Holzbottich oder Bassin eingelegte Ware gepumpt wird. Man läßt auf diese Weise die Chlorkalklösung 5–6 Stunden lang durch die Ware und die beiden Bassins zirkulieren, wäscht die Stücke leicht im Wasser und geht mit ihnen in das 1° Bé starke Salz- oder Schwefelsäurebad, für dessen Zirkulation in gleicher Weise durch eine Pumpe vorgesorgt ist. Nach dem Säuern wird gut gewaschen und getrocknet, wobei man der Vorsicht halber die Stücke, wenn sie das Clapot verlassen und bevor sie durch den Squeezer zur Trockenmaschine laufen, durch einen kleinen, mit verdünntem Salmiakgeist gefüllten Kasten geleitet werden, um sicher die letzte Spur freier Säure aus dem Stoffe zu entfernen. – Nach einer aus England stammenden Methode werden die gebauchten und gewaschenen Stücke nicht in einen Bottich eingelegt, sondern auf einem kleinen, nur 6–7 Gänge zählenden Clapot durch die im Kasten des Clapots angesetzte Chlorkalklösung oder verdünnte Säure genommen und einem Lagerplatz zugeleitet, wo sie, um der Reaktion des Chlorkalks oder der Säuren genügend Zeit zu lassen, ca. 4 Stunden gut zugedeckt liegen bleiben. – Chlor- und Rasenbleiche, in oben angegebener Weise miteinander kombiniert, kommt nur noch in kleineren, mit Wiesengrund verbundenen Baumwollbleichen vor. Der mit dem Auslegen auf die Wiese verbundene Zeitverlust verträgt sich mit der Massenfabrikation schlecht, die ein Unterbrechen des Gangs einer Continuebleiche nicht zuläßt. Seit einiger Zeit liefert die Fabrik von Pecking & Co. in Salindres (Frankreich) und die chemische Fabrik in Rheinau bei Mannheim ein unter 50 Atmosphären Druck flüssig gemachtes Chlor in starken eisernen Gefäßen, die 50 kg des Produktes fassen. Diesen Gefäßen soll das Chlor, in den Bleichen entnommen werden, um es an Stelle von Bleichkalk zu verwenden. Die Eisenbahnen halten übrigens den Transport dieser eisernen Ballons für gefährlich und verweigern ihre Beförderung, weshalb dem flüssigen Chlor keine große Zukunft beschieden sein dürfte. – Das Weißmachen der gebauchten Stücke nach Thompsons Verfahren besteht in einem 3 Minuten dauernden Durchzug durch einen in 15 Abteilungen getrennten langen Rollenkasten [2]. Die einzelnen Abteilungen, durch welche die Stücke, breit oder im Strang, ihren Weg auf und nieder über Leitwälzchen nehmen, sind abwechslungsweise mit Chlorkalklösung, mit gasförmiger Kohlensäure für die Zerlegung des Chlorkalks auf dem Gewebe, ferner mit Wasser, warmer Sodalösung und verdünnter Salzsäure gefüllt. Das Verfahren wurde in einer großen englischen Fabrik eingeführt, hat sich aber nicht bewährt und ist wieder aufgegeben worden. Ebenso hat man die oft und mit Eifer wiederholten Versuche, Baumwolle mit Wasserstoffsuperoxyd oder mit Kaliumpermanganat zu bleichen, aufgegeben. Ueber die Verwendung von Ozonin und von fabrikmäßig hergestelltem Ozon zum Weißmachen von. Geweben s. Leinenbleiche. – Wie man jetzt in England an mehreren Orten, dann in Saint Jean de Maurienne (Savoyen), in Mansbo (Schweden), Vallorbes (Schweiz) und in Bitterfeld bei Halle a. S. angefangen hat, Chlorkali und Chlorkalk auf elektrolytischem Wege im großen zu fabrizieren, so wurden schon um die Mitte des letzten Jahrzehnts in Stückbleichen und Papierfabriken wiederholt Versuche gemacht, mit einem durch Elektrolyse gewonnenen Chlor zu bleichen, um einer seit Einführung der Ammoniaksoda zu befürchtenden Chlorkalknot oder -verteuerung vorzubeugen. Hermite hat 1885 den Anfang mit einer Reihe von Patenten gemacht, die er auf Herstellung von Bleichflüssigkeiten auf elektrolytischem Wege erhalten hat (D.R.P. Nr. 30790, 35549, 42358, 42455, 49851). Die Patente, ursprünglich wohl für die Papierfabrikation, bezogen sich teils auf die Anordnung der positiven Platin- und der negativen Zinkelektroden, teils auf die Zusammensetzung der das Chlor freigebenden Flüssigkeit. Zuerst zerlegte er eine Chlormagnesiumlösung [3], dann (im Jahre 1888) benutzte er eine billigere, 4–5° Bé zeigende Lösung eines Gemenges von 1 Teil MgCl2 und 4 Teilen NaCl und im Jahre 1890 eine 4–5 prozentige Lösung des namentlich in Staßfurt vorkommenden grauen Karnallits (Doppelsalz von der Zusammensetzung MgCl2 + KCl + 6H2O). Hermites Verfahren, das im großen Anwendung gefunden hat, wurde bald günstig, bald ungünstig beurteilt; nach der letzten, aus dem Jahre 1890 stammenden Nachricht ist eine große und kostspielige, auf dem Kontinent nach dem System Hermite eingerichtete Bleichanlage wieder aufgegeben worden [4]. – Gebauer-Knöfler in Charlottenburg verwenden eine verdünnte Kochsalzlösung, durch deren elektrolytische Zerlegung in einem vom Bleichgut getrennten Gefäß sie eine billige und besser als Chlorkalk bleichende, ein nachfolgendes Absäuern ersparende Natriumhypochloridlösung erhalten. – K. Kellner (1891) in Wien imprägniert die gebauchten Stücke mit einer Kochsalzlösung und führt sie dann zwischen einem oder zwei Paar Walzen hindurch, welche die Kathoden und Anoden eines elektrischen Stromes vorstellen (D.R.P. Nr. 57619). Jede Walze wird nach ihrer ganzen Länge von einer Metallbürste bestrichen, durch welche die obere Kohlenwalze mit dem positiven, die untere Eisenwalze mit dem negativen Pol der benutzten Stromquelle[623] verbunden wird. Um die sich drehende Eisenwalze bewegt sich ein endlos laufendes, ebenfalls mit Kochsalzlösung getränktes Filztuch; zwischen diesem und der oberen Kohlenwalze wird das zu bleichende Baumwollgewebe in gespanntem Zustand hindurchgeführt; das auf der Kohlenwalze entstehende elektronegative Chlor wirkt bleichend auf die Baumwollfaser; das auf der Eisenwalze aus dem Kochsalz sich bildende elektropositive Aetznatron wird von dem Filztuch aufgenommen und in einem mit Kochsalzlösung gefüllten Trog fortgeschafft. Das Baumwollgewebe rollt sich am Ende der Maschine auf eine horizontale Walze auf und bleibt längere Zeit aufgerollt liegen, damit das Chlor genügend Zeit für seine Bleicharbeit findet. Jede Kohlen- oder Eisenwalze wird von einem Abstreichmesser von anhängenden Woll- oder Baumwollfasern gereinigt. – 1892 hat S. Stepanow ein Patent auf die elektrolytische Herstellung von Bleichflüssigkeiten erhalten (D.R.P. Nr. 61708) und das Privilegium für die Ausbeutung der Erfindung in Rußland an die Lodzer Baumwollmanufaktur von Heinzel & Co. verkauft Stepanow läßt den von einer Dynamomaschine gelieferten Strom auf die wässerige Lösung eines Gemenges von Kochsalz (4 Mol.) und Kalkhydrat (2 Mol.) einwirken, wobei 1 Mol. CaCl2 1 Mol. Ca(OCl)2, 4 Mol. N ∙ OH und 4 Atome Wasserstoff entstehen sollen. Die Lösung befindet sich in 20 staffelförmig hintereinander aufgehängten Bleikisten von je 250 mm Höhe, 530 mm Länge und 45 mm lichter Weite. Die Bleiwandung jedes Kastens bildet die negative, ein in ihm an einem Kupferstab aufgehängtes (400 mm langes, 200 mm hohes) Platinblech die positive Elektrode des Stromes, der zuerst dem untersten, von hier dem nächsthöheren, zuletzt dem am höchsten stehenden Karten zugeleitet wird. Umgekehrt fließt in dem obersten Kasten fortwährend frische Mischung zu und gelangt, während der elektrische Strom von unten nach oben die Kästen durchzieht, durch ein gläsernes Ueberfallrohr, das bis auf den Kastenboden hinabreicht, immer vom höheren in den nächstniederen Kasten, bis sie, auf dem längsten Wege beim untersten Kasten angekommen, auch diesen von unten nach oben an- oder nachfüllt. Schließlich läuft die fertige Bleichflüssigkeit aus dem untersten Bleikasten in einen von mehreren derartigen elektrolytischen Batterien bedienten Sammelbehälter. Sie enthält, entsprechend einer Chlorkalklösung, einen Ueberschuß von Erdalkali bezw. Alkali, wirkt also unter ähnlichen Bedingungen auf die vegetabilische Faser ein wie ein gewöhnliches Chlorkalkbad, und setzt demgemäß ein nachträgliches Absäuern der in einem besonderen Bottich mit ihr gechlorten Ware voraus. – Viel verbreitete Apparate sind die von der Elektrizitätsgesellschaft Haas & Stahl in Aue (Sachsen), die Haas und Dr. Oettel patentiert sind. Als Schaltungsweise wird das System der doppelpoligen Elektroden gewählt, weil dasselbe die große Annehmlichkeit bietet, daß man am ganzen Apparat nur zwei Kontakte in Ordnung zu halten braucht. Als negative Endelektrode besitzt der Apparat eine Bleiplatte, alle übrigen bestehen aus einer kohleähnlichen präparierten Masse. Die positive Elektrode wird von zwei dicken, vertikal eingesetzten Platten gebildet, die Zwischenelektroden aus 1 cm dicken Platten werden quer in die Vertikalnuten des Apparates eingeschoben. Die Zwischenelektroden füllen nicht die ganze Höhe des Apparates aus, sondern jede Plattengruppe ruht auf einem nicht leitenden Steg und wird von einem ebensolchen über das Flüssigkeitsniveau hinaus verlängert. Diese Anordnung hat einen doppelten Zweck: einmal wird am Boden jeder Kammer ein toter Raum gebildet, in dem sich Schlamm und sonstige Unreinlichkeiten des denaturierten Salzes ohne Schaden für den Elektrolyseur bis zur nächsten Reinigung ansammeln können, dann aber werden die Elektroden auch völlig unter dem Flüssigkeitsspiegel gehalten, so daß selbst diejenigen Chlorblasen, die sich am obersten Teil der Elektroden entwickeln, erst noch einen Weg durch die Flüssigkeit zurücklegen müssen, ehe sie in die Luft entweichen können, d.h. daß sie völlig absorbiert werden; hierdurch arbeitet der Apparat ganz geruchlos, ohne die Umgebung durch Chlorgas zu belästigen. Die als Elektrolyt benutzte Kochsalzlösung wird in einer Stärke von 4–6° Bé in die erste Kammer eingeführt und durchläuft sämtliche Kammern in vertikalem Schlangenweg, indem sie das eine Mal unter einer Zwischenwand, das andre Mal über dieselbe in die nächste Kammer tritt. Aus der letzten Kammer läuft sie als fertige Bleichlauge in ein Sammelgefäß, wo sie eventuell kleine Unreinlichkeiten absetzt, um dann ihrer weiteren Verwendung zugeführt zu werden. Am Einlauf und Auslauf des Elektrolyseurs befindet sich je ein Thermometer zur Beurteilung des Gehalts der erzielten Bleichlauge. Während die Lauge den Apparat durchfließt, wird sie nämlich nicht nur chemisch verändert, sondern auch erwärmt. Erfahrungsgemäß entspricht einem gewissen Hypochloritgehalt, den die Salzlösung während des Durchlaufs zu erwarten hat, eine bestimmte Temperaturzunahme, so daß man den richtigen Laugendurchfluß einfach nach der Differenz der beiden Thermometerstände einstellen und regulieren kann. Um dem Apparat bei stärkerer Inanspruchnahme stetig gekühlte Lauge zuzuführen, ohne irgendwelche äußere mechanische Kraft, benutzen Haas & Stahl den bei der Elektrolyse entwickelten Wasserstoff, um nach D.R.P Nr. 114739 völlig automatisch, ohne Regulierung, Wartung und Kosten die beständig gekühlte Lauge durch den Elektrolyseur zu führen. Näheres hierüber wie über elektrische Bleiche überhaupt s. in [5].


Literatur: [1] Persoz, J., Traité théorétique et pratique de l'impression des tissus, Paris 1846. – [2] Textile manufactures, Jahrg. 1886. – [3] L'industrie textile, Jahrg. 1886. – [4] Chemical Trade Journal, Jahrg. 1890. – [5] Engelhardt, V., Hypochlorite und elektrische Bleiche, Halle 1903; Hölbling, V., Fabrikation der Bleichmaterialien, Berlin 1902.

(Kielmeyer) R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 622-624.
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