[702] Deich, die Erddämme zum Schütze der Niederungen an Flüssen oder an der See gegen Ueberschwemmung durch Hochwasser oder Hochflut.
Die Deiche an den Flüssen haben namentlich der Einwirkung der Strömung und des Eisganges zu widerstehen; die Deiche an der See oder am Unterlauf der Flüsse, soweit die Flut in dieselbe hinausreicht, der Einwirkung des Wellenschlages und dem Anprall der Fluten. Ihre Bauart ist deshalb einigermaßen verschieden, und man unterscheidet Flußdeiche und Seedeiche.
Die Flußdeiche sind entweder geschlossene oder Hauptdeiche oder offene Deiche. Die geschlossenen (Haupt-) Deiche sollen Land, das unter dem Hochwasser liegt, gegen Ueberflutung schützen. Sie umgeben dasselbe deshalb allseitig und gehen meist von hochwasserfreiem Gelände aus. Die offenen Deiche sollen verhindern, daß Geschiebe sich auf dem Lande ablagern können oder daß etwa die Hauptflußrichtung sich ändere. Letztere dienen also mehr zu Korrektionszwecken. Um zu verhindern, daß durch Anlage der Flußdeiche das Hochwasser wesentlich eingeengt und deshalb erhöht werde oder daß sich Ablagerungen zwischen denselben bilden, ist das durch dieselben begrenzte Hochwasserprofil weit genug zu belassen, um Stauungen zu verhindern und das Niederwasserprofil mit konstanter Breite bei gleichmäßigem Gefälle anzuordnen. Die Hauptdeiche sind also in einer gewissen Entfernung rückwärts der Uferlinie des Flusses bei Niederwasser anzulegen. Die Bestimmung dieser Entfernung geschieht auf Grundlage der Berechnung der Hochwassermengen, die sich auf Beobachtung des überschwemmten Flußprofiles und der Wassergeschwindigkeit stützt, welch letztere in der tieferen Stromrinne größer ist als über dem überschwemmten Vorland der Hauptdämme. Die Ergebnisse der Messung und Rechnung werden um so genauer mit der Erfahrung übereinstimmen, je länger die Strecken sind, in denen die Deiche parallel zueinander laufen, und je weniger und schwächer die Krümmungen derselben sind. Die Abweichung von den Parallelen läßt sich höchstens dadurch rechtfertigen, daß man den Damm auf guten Boden zu stellen bestrebt war und deshalb schlechtem Untergrunde ausgewichen ist, den man zur Verhütung von Dammbrüchen am besten im Vorland liegen läßt.
Man unterscheidet an einem Deiche: die Deichkrone ab (auch Kappe); die äußere wasserseitige Böschung ac (auch Außenböschung); die innere Böschung bd (auch Innenböschung); die äußere Berme oder Außenberme ce; die innere Berme oder Binnenberme df, die zuweilen (wenigstens auf der Binnenseite) durch einen Graben begrenzt wird (s. Fig. 1). Die Deichkrone liegt bei Hauptdämmen 0,51,20 m über dem höchsten bekannten Hochwasserstände, je nachdem eine Stauung durch Eis oder ein ausnahmsweiser Wellenschlag zu befürchten ist oder nicht. Die Breite der Krone wird bei Hauptdämmen so bemessen, daß dieselben bei Hochwasser befahren werden können, um jederzeit die Materialien zu deren Unterhaltung herbeizuführen, weil dies wegen des dann häufig aufquellenden Sickerwassers hinter dem Damme anders nicht leicht geschehen könnte. Ueberdies hängt die Breite auch von der Höhe der Deiche und dem Material ab, aus dem sie erstellt sind, indem namentlich bei leicht zu durchsickerndem Boden oder solchem, der bei Aufnahme von Wasser leicht zerfließt, überhaupt eine größere Dammstärke angenommen werden muß. Die Kronenbreite kann somit bei Hauptdämmen 2,505 m betragen. Die letztere Breite kommt namentlich dann vor, wenn die Deiche bleibend als Straße benutzt werden. Die äußere Böschung hat durchschnittlich eine dreifache Anlage, wird wohl auch[702] flacher gewählt für leicht zerfließenden und leicht durchdringbaren Boden, den man bloß mit Rasen verkleidet; dagegen steiler, wenn die Verkleidung in Stein ausgeführt wird, was namentlich bei starker Strömung angezeigt ist. Die Steinverkleidung wird oft in Zementmörtel versetzt, was indes nicht empfehlenswert ist, weil sich hinter einer solchen Verkleidung Hohlräume bilden können, ohne daß ein gleichmäßiges Nachteulen der Pflasterung stattfindet, bis plötzlich ein Einbruch die Sachlage, oft zu spät, enthüllt. Die innere Böschung erhält meist bloß eine zweifache Anlage, auf der sich noch leicht eine Rasendecke entwickelt. Mit äußerer Berme bezeichnet man bei Flußdeichen denjenigen Streifen des Vorlandes am Fuße des Deiches, aus dem man keinen Boden aushebt, um den Damm zu bilden, sondern den man in seinem anfänglichen Zustande mit einer Rasendecke beläßt, um Auswaschungen zu vermeiden. Dieselbe erhält 35 m Breite, je nach der Bodenart. Innere Berme nennt man einen Streifen Landes längs dem inneren Fuße des Deiches, der oft als Fahrweg dient und der wohl etwas höher angelegt wird als der natürliche Boden, wenn starkes Durchquellen durch den Deich befürchtet wird. In diesem Falle wird die innere Berme wohl auch durch einen Graben vom eingeschlossenen Kulturland getrennt, dessen Aushub zur Erhöhung der Berme dient und in dem das Sickerwasser zusammenfließt.
Diejenigen Deiche, welche durch die größten Hochwasser überflutet werden (die zumeist im Frühling nach der Schneeschmelze eintreten, somit zu einer Zeit, wo die Kulturen noch keinen Schaden darunter leiden), die aber gegen die niederen Sommerhochwasser den nun schon vorgeschrittenen Kulturen Schutz gewähren und die deshalb auch Sommerdeiche genannt werden, müssen so angeordnet sein, daß der Ueberlauf sie nicht zerstört. Man gibt deshalb der inneren Böschung eine weit flachere Anlage und pflastert oft sowohl die Krone als die innere Böschung mit Steinen. Bei Erstellung der Deiche ist sowohl für möglichst gute Verbindung mit dem unterliegenden Boden als auch für Erreichung einer möglichst sicheren Dichtung des Deiches selbst Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke ist der zu überbauende Boden vorher sorgfältig von Rasen, Gesträuchen, Bäumen, Wurzeln, Schlamm u.s.w. zu reinigen. Das nämliche gilt auch von dem anzuschüttenden Boden, der am besten aus einem Gemische von Ton und Sand besteht und den man in dünnen Schichten, die am besten etwas gegen außen abfallen, anführt und feststampft. Dort, wo Ton nur in geringer Menge gefunden werden kann, verwendet man ihn vorzugsweise zur Andeckung der äußeren Böschung. Der abgehobene Rasen wird gleicherweise namentlich zur Andeckung der äußeren Böschung verwendet und nur bei Ueberfluß auch zur Abdeckung der inneren Böschung und der Krone, die anders auch angesät werden können. Sowohl vom Vorlande als vom eingeschlossenen Kulturlande aus werden Anfahrten oder Deichrampen längs der äußeren und der inneren Böschung auf die Krone geführt, die indes nie in diese Böschungen eingeschnitten werden dürfen und auf der Außenseite vorzugsweise stromabwärts geneigt sein müssen. Dieselben erhalten die nötige Breite für einen Wagen und etwa 10% Steigung. Statt der Rampen werden oft auch Durchfahrten oder Vorschleusen in die Deiche gelegt, die zwischen zwei kräftigen Seitenmauern in einer Breite von 3,50 m erbaut werden. Man legt ihre Sohle gewöhnlich etwas höher an als den Boden des eingeschlossenen Landes und schließt sie bei drohendem Hochwasser mit zwei Wänden aus Dammbalken, die in Falzen der Seitenmauern eingelassen sind und zwischen denen man ein Gemenge von Top und Sand oder, in dessen Ermanglung, Mist einstampft.
Die Seedeiche. Das von Seedeichen umgebene Kulturland, das aus fruchtbarem Lehmboden gebildet wird, den die See allmählich angeschwemmt hat, bis er sich über die Ebbehöhe erhob, heißt Polder und liegt infolge nachträglicher Setzungen oft tiefer als der Ebbespiegel der anliegenden See, so daß die Tageswasser und etwaiges Sickerwasser mittels Pumpen ausgeschöpft werden müssen. Vor den Deichen liegt nicht etwa die tiefe See, sondern bei Ebbe ein Vorland, dessen Breite wesentlich dazu beiträgt, die Einwirkung der Sturmfluten auf die Deiche zu vermeiden, und aus dem der Boden entnommen wird, um den Deich auszuführen, und zu erhalten. Die Richtung der Deiche soll möglichst senkrecht zur herrschenden Windrichtung und dem Wellenschlage liegen und dem letzteren keine ein- oder vorspringenden Ecken bieten. Das Querprofil der Seedeiche unterscheidet sich nur in der Ausbildung der einzelnen Teile von demjenigen der Flußdeiche. Die Krone oder Kappe liegt etwa 0,50 m höher als die Spitze der Wellen bei den höchstbekannten Sturmfluten, d.h. etwa 3 m höher als die höchsten ruhigen Fluten, die ihrerseits ebenso hoch über den gewöhnlichen Fluten liegen können. Auch hier hat die Krone zur Anfahrt der Materialien für die Erhaltung der Deiche zu dienen und erhält die entsprechende Breite. In Holland werden die Deichkronen oft mit Klinkern gepflastert und erhalten seewärts noch eine kleinere schmalere Ueberhöhung von Manneshöhe, die eigentlich den Schutz gegen die Hochflut bildet. Die Außenböschung wird in ihrem oberen Teile meist berast; der untere Teil der Böschung, auf dem jede Kultur unmöglich ist, dagegen mit Strohbestickung,[703] Flechtwerken aus Weiden oder Steinpflasterung geschützt. Die Böschung wird um so flacher erstellt, als die Sturmflut gefährlich erscheint, und zwar mit drei-, vier-, fünf-, sechs-, acht- und sogar zehnfacher Anlage für den oberen berasten Teil, welcher der Wirkung der Sturmflut ausgesetzt ist. Noch flacher wird der untere Teil erstellt, wenn die verfügbaren Schutzmittel gegen den Anprall der Wellen nur geringen Schutz bieten, so daß die Deiche dann ein konkaves Profil erhalten (s. Fig. 2). Um den Nachteilen eines solchen auszuweichen, die in Schälungen oder Auskolkungen bestehen, die allmählich die Zerstörung des Deiches zur Folge haben, wird der untere Teil des Dammes gern zu einer Außenberme ausgebildet, die nun eine ganz flache Böschung erhält, 1,503 m höher als das Vorland liegt und deren Fuß gegen dieses mit Bestickung, Faschinen oder Steinpflasterung geschützt werden muß (s. Fig. 3). Die Breite solcher Bermen beträgt an der See 1225 m, kann indessen in Flüssen verringert werden und bildet derart eine ganz bedeutende Verbreiterung der Deichbasis. Die Binnenberme wird in gleicher Weise erstellt wie bei Flußdeichen; ebenso die Deichrampen, wogegen die sehr selten vorkommenden Durchfahrten aus Vorsicht nach außen noch mit einem Stemmtor zu versehen sind. Statt der Durchfahrten werden dagegen die Deichsiele erstellt (s. Siele), die den Verkehr zwischen den Poldern und der See per Wasser vermitteln.
Trotz der sorgfältigsten Unterhaltung der Deiche können bei großen Hochwassern und starken Sturmfluten Deichbrüche vorkommen. Die Unterhaltung und allfällige Schutzvorrichtungen bestehen: die ersteren in einer sorgfältigen Unterhaltung des Rasens und der allfälligen Pflasterungen oder Steinvorlagen, die letzteren darin, daß bei steigendem Wasser die am meisten der Strömung ausgesetzten Stellen der Deiche mit Faschinen, mit Spreutlagen aus Buschwerk, sogar mit Strohlagen überlegt werden, die man mittels Pflöcken, Flechtwerken und Strohschnüren an den Boden befestigt. Droht eine Ueberflutung der Dämme, so werden diese mit Erddämmen, Bretterwänden oder mit andern Materialien, die gerade vorliegen, überhöht. Der Durchbruch kann dadurch erfolgen, daß entweder das Vorland weggerissen und die Basis des Deiches weggeschwemmt wird oder daß zwar das Vorland erhalten bleibt, dagegen der Damm weggerissen wird. Im ersteren Falle strömt auch das schon gefallene Stromwasser oder die gewöhnliche Flut in das Kulturland, im letzteren Falle bildet sich dagegen gewöhnlich infolge des Ueberfalles eine tiefe Kolkung an der Deichstelle, die auch in das Binnenland hineinreichen kann. Der erste Fall nötigt zur Erstellung von Fangdämmen, die oft in mehreren hintereinander liegenden Reihen quer durch das eingerissene Vorland gebaut und an den flehen gebliebenen Damm angelehnt werden, damit man in deren Schutz den Damm neu aufführen kann. Im zweiten Falle umgibt man den Kolk sei es mit einem Außendamm, sei es mit einem Innendamm. Bei Flüssen verengt der Außendamm das Profil und bildet eine stete Gefahr, wogegen der Innendamm, namentlich bei stark tonführenden Flüssen, die allmähliche Ausfüllung (Kolmation) des Kolkes gestattet, so daß in absehbarer Zeit der Deich sich in seiner ursprünglichen Richtung neu aufführen läßt. An der See füllt man den Kolk zunächst mit Senkfaschinenlagen aus, die später zur Außen- und Innenberme ausgebildet werden, zwischen denen man die Erdschüttung des Deiches vornimmt (s. Damm und Deichbruch).
Literatur: Hagen, Handbuch des Wasserbaues (Bau am Meere), Berlin 187880, 3. Bd., 2. Aufl.; Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Leipzig 1903, 2. Bd., 3. Teil.
Zschokke.
Buchempfehlung
Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro