Kraftübertragung [3]

[657] Kraftübertragung im Bergbau.

Der Bergbau verwendet heute bedeutendere Maschinenkräfte nicht nur in den Schächten selbst oder in ihrer unmittelbaren Nähe, sondern auch in großer Entfernung von den Schächten, wobei der Weg durch die Grubenbaue, auf dem die Kraftübertragung zu erfolgen hat, häufig vielfach gekrümmt ist. Außer für Wasserhebung, Wetterversorgung und Haspelförderung wird auch für Bohr- und Schrämmaschinen Arbeit gebraucht. Die zur Kraftübertragung angewendeten Mittel sind Gestänge, statt dessen zuweilen Seile, auch Seil oder Kette ohne Ende; sodann Zuleitung von Dampf, Preßwasser, Preßluft und Elektrizität (vgl. Elektrizität im Bergbau). Hydraulische Gestänge [1], d.h. zwei in Röhren eingeschlossene Wassersäulen, die abwechselnd durch Plunger in hin und her gehende Bewegung, ähnlich wie starre Gestänge, gesetzt werden und dementsprechend am andern Ende die Plunger einer andern Maschine antreiben, sind nur ganz ausnahmsweise verwendet worden. Die Gestänge werden nur noch für die Kraftübertragung im Schachte selbst, Dampf- und Preßwasser für Maschinen in unmittelbarer Nähe der Schächte, nur selten für einzelne weiter entfernte Maschinen, z.B. für die Bohrmaschine System Brandt (Bd. 2, S. 213), verwendet, während bis auf weite Entfernungen von den Schächten und insbesondere bei Verteilung auf eine Anzahl kleiner Maschinen nur Preßluft und Elektrizität übertragen werden. Seil oder Kette ohne Ende werden gewöhnlich von einer am Schachte sei es über, sei es unter Tage stehenden Maschine aus angetrieben und vermittelst die Förderung auf tunlichst geraden Strecken. Einzelne Kurven lassen sich mit den heutigen Mitteln ohne Schwierigkeit durchfahren. Die Kraftübertragung auf feststehende Maschinen, z.B. kleine Pumpen mittels Seil ohne Ende, kommt nur selten vor.

Die Gestänge sind zurzeit in Schächten (Schachtgestänge) noch vielfach in Gebrauch; dagegen werden die Feldgestänge, die früher zur Uebertragung einer Wasserkraft bis zum Schachte, oft auf weite Entfernungen, über Tage dienten und zuweilen auch auf Strecken und Stollen unter Tage Verwendung fanden (am Oberharz Geschleppe genannt), immer seltener. Auch die sogenannten Treibgestänge, welche die drehende Bewegung eines unter Tage eingebauten Wasserrades auf die über Tage befindliche Seilkorbwelle übertragen, gehören der Vergangenheit an. Dort, wo der Form der Baue wegen, z.B. in Schächten, deren Neigungswinkel sich ändert, die einzelnen Teile eines Gestänges einen Winkel einschließen, werden drehbar verlagerte Hebel (Schwingen) eingeschaltet; die Gestänge sind an Bolzen beteiligt. Weicht der Winkel erheblich von 180° ab, so werden Winkelhebel eingebaut; sie heißen Bruchschwingen oder Kunstkreuze, wenn sie in der Vertikal ebene, Wendedocken, wenn sie in der Horizontalebene schwingen (Fig. 1, vgl. a. Fig. 5, Bd. 3, S. 577). In flachen Schächten werden die Gestänge mittels angelegter Schlepppfosten oder -schienen auf Walzen geführt, um die Abnutzung der Gestänge selbst zu vermeiden. Auch in senkrechten Schächten sind die Gestänge gegen seitliche Schwankungen durch Führungen zu schützen. Bei Neuanlagen werden Gestänge nur noch in senkrechten Schächten für Fahrkünste (s. Fahren) und für Wasserhaltungsmaschinen benutzt, und zwar dort, wo das Ersaufen (s. Wasserhaltung) einer unterirdisch aufgestellten Maschine zu fürchten sein würde oder wo von einer größeren Anzahl Sohlen, wie beim Gangbergbau, Wasser zu heben ist. Es bilden die Gestängemaschinen, bei denen die Kraftmaschine (Wasserrad, Turbine, Wassersäulenmaschine, Dampfmaschine) über Tage oder über dem Stollen steht und mittels Gestänge die Pumpensätze betreibt, einen Gegensatz zu den unterirdischen Maschinen, bei denen die Kraft- und Arbeitsmaschine unmittelbar zusammen angeordnet sind und die Kraft durch eine Leitung (Dampf, Preßwasser, Preßluft, Elektrizität) zugeführt wird. Die alte Bezeichnung der Gestängemaschinen als Künste und der dieselben treibenden Wasserräder als Kunsträder hat sich bis jetzt erhalten. Die Gestänge bestehen aus Holz, Eisen oder Stahl; Fig. 2 zeigt die Verbindung hölzerner Stangen (Schloß genannt) durch Verlaschung;[657] die früher übliche Verbindung, bei der die Stangen mit entsprechenden seitlichen Einschnitten an den Enden unmittelbar aneinander gelegt und durch übergeschobene Ringe und Schraubenbolzen festgehalten wurden, nannte man Verkämmen. Massive Stangen aus Eisen oder Stahl erhalten an den Enden verdickte Köpfe, die durch einen aus zwei Hälften bestehenden, mittels Schraubenbolzen zusammengehaltenen Muff umschlossen werden (Fig. 3). Gestänge, deren Querschnitt aus mehreren Profileisen besteht, bedürfen besonderer Verbindungsteile nicht, wenn die Stoßstellen der einzelnen Eisenlängen gleichmäßig gegeneinander versetzt sind. Ueber den seitlichen Anschluß von Pumpenkolben an die Gestänge mittels Stangenhaken oder Krumse und die axiale Verbindung mittels Scherengestängen oder Uebergabelungen s. Wasserhebung.

Die Gestängegewichte werden zum Teil dadurch ausgeglichen, daß zwei gleichschwere Gestänge mit der Kraftmaschine so verbunden und, daß eines stets in der Abwärtsbewegung begriffen ist, während das andre angehoben wird; zum Teil sind Gegengewichte vorhanden, und zwar entweder mechanische (Fig. 4), d.h. zweiarmige Hebel, deren eines Ende mittels Ketten an das Gestänge angeschlossen und deren andres Ende entsprechend beladet ist, oder Wassersäulengegengewichte. Sie bestehen aus Plungerkolben, die an das Gestänge angebaut sind und entweder auf eine Wassersäule von entsprechender Höhe oder auch mittels Wasser, das in einer kürzeren Rohrleitung eingeschlossen ist, auf einen durch Gewichte belasteten vertikalen Plunger wirken (Akkumulator). Das Uebergewicht des Gestänges hebt beim Niedergang das Gegengewicht, während letzteres beim Gestängeaufgang das Gestängegewicht heben hilft. Damit der Hubwechsel – Uebergang des Gestänges aus der einen in die andre Bewegungsrichtung – stoßfrei erfolgt, verbindet man mit hin und her gehenden Maschinen ein Schwungrad. Für den Fall eines Gestängebruches oder notwendig werdender Auswechslung einer Stange müssen Fang- oder Aufsetzvorrichtungen angebracht sein (Fig. 5), ähnliche Einrichtungen heißen am Oberharz Fangquetsche. Den Fangscheiben (Vgl. Bd. 3, S. 577, Fig. 6), die bei zwei nahe aneinander befindlichen Gestängen, z.B. an Fahrkünsten, angewendet werden, sehr ähnlich ist die Fangwage, ein auf horizontaler Achse verlagerter zweiarmiger, gleichschenkliger Hebel, der an beiden Enden durch Ketten mit den Gestängen verbunden ist. Die Gestängewasserhaltungen können wegen der zu bewegenden Masten nur eine kleine Anzahl Spiele in der Minute machen, die Abmessungen der Pumpensätze müssen daher groß ausfallen. Ueber die Berechnung der Gestänge vgl. [2].

In tiefen Schächten und bei großer Leistung der Pumpen werden die Gestänge sehr schwer; man. versuchte daher die Aufstellung unterirdischer Wasserhaltungsmaschinen und führte denselben Kesseldampf als Betriebskraft zu (Druckhöhen von 500 m bereiten heute keine Schwierigkeiten). Auch andre Maschinen, besonders Ventilatoren und Seilbahnmaschinen, wurden unterirdisch eingebaut. Die nicht ganz zu vermeidende Wärmeausstrahlung der Dampfleitung, die hohe Temperatur der Maschinenräume, der zuweilen sehr fühlbare Mangel an Kondenswasser und der Wunsch nach kleinen Abmessungen für die unterirdischen Maschinen führte zur Benutzung von Druckwasser, und zwar zunächst beim Vorhandensein eines tiefen Stollens zur Anwendung des natürlichen Wasserdruckes, indem bei Aufstellung der Maschine im Schachttiefsten das verbrauchte Kraftwasser wieder bis auf den Stollen hinaufgedrückt wurde, also eigentlich nur das Gefälle bis auf den Stollen als nutzbarer Druck in Rechnung gestellt werden konnte. Später griff man zur künstlichen Erzeugung von Preßwasser [3] bis über 200 Atmosphären Druck. Nachdem die Schwierigkeiten überwunden waren, welche die gute Abdichtung der Rohrleitungen und die Vermeidung von Wasserstößen anfänglich bereiteten, hat man große Erfolge damit erzielt. Wenn man auch in einzelnen Fällen Maschinen in ziemlich großen Entfernungen vom Schachte durch Dampf oder Preßwasser betrieben hat, so läßt sich eine allgemeine Anwendung dieser Betriebskräfte in den Abbaufeldern deshalb nicht ermöglichen, weil beim Dampf die Wärme störend und die Kondensation umständlich ist, Preßwasserleitungen aber, ganz abgesehen von der Zurückführung des Betriebswassers, sich in druckhaften Strecken kaum dicht erhalten lassen [4]. Zurzeit sind Preßluft von 5–7 Atmosphären Spannung und der elektrische Strom die wichtigsten und am vielseitigsten angewendeten Betriebsmittel unter Tage. Preßluft wird durch Kompressoren über Tage erzeugt, durch ausgedehnte Rohrleitungen bis in die Abbaufelder verteilt und dient zum Betriebe aller Arten kleiner Maschinen. Die neueren Versuche mit unterirdisch aufgestellten, elektrisch angetriebenen Kompressoren sind noch nicht abgeschlossen [5]. Gegenüber der großen Bequemlichkeit im Betriebe und dem Vorteile, daß die Preßluft entweder unmittelbar oder nach Verwendung als Betriebskraft zur Ventilation beiträgt, kommt der niedrige Wirkungsgrad namentlich auf Kohlenwerken, wo minderwertiges. Brennmaterial in Menge vorhanden ist, für kleinere Arbeitsleistung kaum in Betracht. Für größere Maschinen ist die Preßluftübertragung jedoch unwirtschaftlich. Hier tritt die Elektrizität, deren hoher Wirkungsgrad und bequeme Uebertragung allseitig anerkannt werden, Immer mehr in den Vordergrund. Gewöhnlich liefern die elektrischen Zentralen der Gruben Drehstrom von 2000–3000 Volt Spannung. Mit dieser werden aber nur die größeren Maschinen über Tage und die unterirdisch an den Schächten aufgestellten Maschinen betrieben. Für die[658] Kraftverteilung in den Abbaufeldern transformiert man den Strom auf 500 Volt und auf noch niedrigere Spannung. Für den Betrieb elektrischer Kontaktlokomotiven, die jedoch in Schlagwettergruben nur in den einziehenden Wetterstrecken zulässig sind, wird der Drehstrom gewöhnlich in Gleichstrom transformiert, da die Kontaktleitungen einfacher werden. Für größeren Lichtbedarf wird der Drehstrom ebenfalls in Gleichstrom transformiert, kleinerer Bedarf an Licht kann dem Drehstromnetze entnommen werden, indem man jedesmal zwei Phasen benutzt. In Schlagwettergruben sind Bogenlampen verboten, Glühlampen sind mit besonderem Schutz (Glasglocken und starke Drahtbügel) zu versehen. Auch in Kohlengruben mit Schlagwettern und Kohlenstaub kann die elektrische Kraftübertragung unter Beachtung der entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen – geschlossene Kapselung für kleine Motoren, Plattenschutz mit Ventilation für größere Motoren, Oelkapselung für Schalter und Sicherungen – angewendet werden [6].


Literatur: Zu vergleichen die allgemeinen Werke über Bergbaukunde (s.d.). – [1] Pfähler, Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen Staate, Berlin 1876, Bd. 24, S. 35. – [2] Des Ingenieurs Taschenbuch, herausgegeben vom Verein »Hütte«. – [3] Undeutsch, Wassertransmission im Albertschachte zu Zauckeroda, im Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen, 1887, Bd. 1, S. 54. – [4] Neuere Ausführungen finden sich erwähnt in der unter [1] genannten Zeitschrift, und zwar in dem Artikel »Versuche und Verbesserungen beim Bergwerksbetriebe in Preußen«, der seit dem 24. Bande, 1876, alljährlich, früher alle zwei bis drei Jahre, wiederkehrt. – [5] »Essener Glückauf« 1903, S. 949. – [6] Erhard, Th., Der elektrische Betrieb im Bergbau, Halle a. S. 1902; Beyling, Versuche über die Schlagwettersicherheit besonders geschützter elektrischer Motoren u.s.w. »Essener Glückauf« 1906, S. 1 ff.

Treptow.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3., Fig. 5.
Fig. 3., Fig. 5.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 657-659.
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