[106] Phosphor P, Metalloid, Atomgew. 31,0, kommt in der Natur vornehmlich in Form von Phosphaten (Apatit, Phosphorit u.a. und Guano) vor, ferner als Nebenbestandteil vieler Eisenerze und in anorganischen und organischen Substanzen der Pflanzen und Tiere (Knochen, Muskeln, Gehirn u.s.w.).
Der Phosphor wird aus den zur Entfernung der organischen Verbindungen weißgebrannten Knochen oder aus den mineralisch vorkommenden Phosphaten hergestellt, indem das durch[106] Behandlung mit Schwefelsäure gewonnene Monocalciumphosphat (1.) durch Erhitzen in Calciummetaphosphat (2.) übergeführt und dieses nach dem Mischen mit Kohle der Rotglut ausgesetzt wird (3.).
1. Ca3(PO4)2 + 2H2SO4 = CaH4(PO4)2 + 2CaSO4
2. CaH4(PO4)2 = Ca(PO3)2 + 2H2O
3. 3 Ca(PO3)2 + 10C = 4P + Ca3(PO4)2 + 10CO.
Während hierbei nur zwei Drittel des Phosphors gewonnen werden, läßt sich eine größere Ausbeute erzielen, wenn die Reduktion bei höherer Temperatur und bei Zugabe von Quarz geschieht.
2Ca(PO3)2 + 10C + 2SiO2 = 4P + 2CaSiO3 + 10CO.
Das bei dem Aufschließen (1.) mit Schwefelsäure entstehende Gemenge von Monocalciumphosphat und Gips wird auch als Düngemittel (sogenanntes Superphosphat) benutzt. Die Reduktion durch Erhitzen mit gekörnter Holzkohle geschieht entweder in feuerfesten Retorten oder neuerdings häufiger im elektrischen Ofen, in dem auch durch die hohe Temperatur nicht aufgeschlossenes Calciumphosphat direkt auf Phosphor verarbeitet werden kann.
2Ca3(PO4)2 + 10C + 6SiO2 = 4P + 6CaSiO3 + 10CO.
Der überdestillierende Phosphor wird unter Wasser in gekühlten Vorlagen aufgefangen und meistens durch Destillation gereinigt. Er kommt in den Handel in Form von Stangen oder von mehrere Kilogramm schweren Kegeln, und zwar unter Wasser oder besser unter Glyzerin, da Wasser durch Gefrieren das Aufbewahrungsgefäß sprengen kann. Vom Phosphor sind drei allotrope Modifikationen bekannt.
1. Gewöhnlicher weißer oder gelber Phosphor. Er ist in frischem Zustand fast farblos, durchscheinend, von wachsartigem Aussehen und wachsartiger Konsistenz; in der Kälte ist er spröde. Spez. Gew. 1,83. Schmelzpunkt 44°. Siedepunkt 290°. In Wasser und Alkohol fast unlöslich, schwierig löslich in Aether, fetten und ätherischen Oelen, leicht löslich in Schwefelkohlenstoff, Chloroform, Benzol, Chlorschwefel. An der Luft leuchtet der frische Phosphor im Dunkeln unter Bildung von Ozon und Ammoniumnitrit. Durch Reiben und Stoßen oder durch Erwärmen auf 60° entzündet er sich an der Luft und verbrennt mit intensiv gelbweißer Flamme zu Phosphorpentoxyd (P2O5). Läßt man die Lösung des Phosphors in Schwefelkohlenstoff auf Filtrierpapier tropfen und freiwillig verdunsten, so hinterbleibt der Phosphor in so feinverteiltem Zustande, daß er in der innigen Berührung mit dem Sauerstoff der Luft plötzlich entflammt. Salpetersäure oxydiert den Phosphor zu Phosphorsäure; mit Chlor und Brom verbindet er sich schon bei gewöhnlicher Temperatur unter Feuererscheinung; mit Alkalihydroxyd gekocht, entsteht Phosphorwasserstoff und unterphosphorigsaures Salz (RH2PO2). Er ist ein starkes Gift, das schon in Mengen von 0,10,2 g tödlich ist; häufiges Einatmen seiner Dämpfe bewirkt die sogenannte Phosphornekrose, die besonders Kiefer und Zähne der Arbeiter in den Zündholzfabriken ergreift.
2. Roter Phosphor entsteht bei längerem Erhitzen des weißen Phosphors auf 240250°; bei höherer Temperatur verwandelt sich der rote wieder in den gewöhnlichen, ebenso beim Destillieren in indifferenten Gasen wie Kohlenstoffdioxyd. Der rote Phosphor ist ein dunkelrotes amorphes Pulver von 2,1 spez. Gew. Er leuchtet nicht im Dunkeln, oxydiert sich nicht an der Luft, entzündet sich erst bei 200°, ist in den Lösungsmitteln des weißen Phosphors unlöslich und ist nicht giftig. Beim Reiben entzündet er sich nicht, dagegen explodiert er, wenn er mit Kaliumchlorat oder Superoxyden zusammen gerieben wird.
3. Der orangefarbene, hellrote Phosphor wird durch Erhitzen von gewöhnlichem Phosphor in Phosphortribromid als voluminöse, in Schwefelkohlenstoff unlösliche und nicht giftige Masse erhalten.
Außer zur Herstellung verschiedener chemischer Produkte wird der weiße Phosphor als Rattengift (Phosphorlatwerge), werden alle drei Modifikationen des Phosphors in der Zündwarenfabrikation benutzt. In Deutschland ist jetzt die Verwendung des weißen Phosphors zu Zündhölzern verboten. Die jährliche Gesamtproduktion an Phosphor beträgt gegen 3000 t. Der Preis des weißen Phosphors beträgt etwa 3 ℳ., der des roten etwa 4 ℳ. pro Kilogramm. Der weiße Phosphor wurde 1669 von Brandt in Hamburg, der rote 1845 von Schrötter in Wien entdeckt.
Literatur: Muspratts Chemie, 4. Aufl., Braunschweig 1900, Bd. 7, S. 1; Wichelhaus, Vorlesungen über chemische Technologie, 2. Aufl., Berlin 1906, S. 262; Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie, 4. Aufl., Braunschweig 1907, S. 339.
Rathgen.