Untergrundbahnen

[727] Untergrundbahnen und Stadtbahnen. Untergrundbahnen sind dem Wortlaut nach alle im Untergrund, d.h. unter der Erdoberfläche geführten Eisenbahnen, dem Sprachgebrauch nach jedoch im allgemeinen nicht solche Bahnstrecken, deren unterirdische Führung lediglich durch Geländehindernisse bedingt ist (wie bei Gebirgstunnels, Unterwassertunnels), sondern nur solche Bahnen, bei denen andre Rücksichten, namentlich städtische Bebauung, für die unterirdische Führung maßgebend sind. Auch bei solchen Bahnen ist es indessen nicht ausgeschlossen, daß durch einzelne Unterwasserstrecken oder durch Durchstechung von Anhöhen, Felspartien u.s.w. zugleich Geländehindernisse überwunden werden.

Die Untergrundbahnen liegen entweder im Tunnel, oder – aber in der Regel nur streckenweise – im offenen Einschnitt, dies bisweilen im Vorortgebiet mit der Absicht, bei fortschreitender Bebauung den Einschnitt in einen Tunnel zu verwandeln, ferner namentlich da, wo eine Untergrundbahnstrecke in eine Hochbahnstrecke übergeht. Solche Tunnelbahnen, die im Zuge einer Straße dicht unter dem Straßenpflaster liegen, nennt man wohl auch Unterpflasterbahnen, im Gegensatz zu den in größerer Tiefe unter der Erde geführten eigentlichen Untergrundbahnen oder Tiefbahnen.

Einschnitte im Bebauungsgebiet werden zur Einschränkung des Flächenbedarfs in der Regel von Futtermauern eingefaßt, deren Mauerwerksmassen und Kosten man durch Auflösung des Querschnitts oder durch Querversteifungen oberhalb des lichten Raumes einzuschränken[727] sucht. Fußwege von Parallelstraßen werden zur noch besseren Ausnutzung der Grundfläche bisweilen übergekragt (so bei der Pariser Stadtbahn). Bei Lage im Grundwasser muß Sohlenmauerwerk und Wasserabdichtung angeordnet werden.

Unterpflasterbahnen erhalten zur möglichsten Einschränkung der Bauhöhe in der Regel eine aus Eisen und Mauerwerk (Beton) gebildete flache Decke, deren Höhe unter Umständen durch Verwendung von Zwischenstützen weiter eingeschränkt wird. So die in Fig. 1a und 1b dargestellte Bauweise der Berliner Hoch- und Untergrundbahn, bei der auch die Abdichtung gegen Grundwasser bemerkenswert ist. Bei sehr geringer Breite der Straße, in der die Unterpflasterbahn liegt, stellt man auch wohl die Seitenwände des Unterpflastertunnels aus einer Verbindung von Eisen und Mauerwerk her, indem man die Eisenbauteile der Seitenwände und der Decke zu einem Ganzen verbindet (s. Fig. 2, Teilstrecke der Berliner Hoch- und Untergrundbahn).

Eigentliche Untergrundbahnen weisen bei mäßig tiefer Lage ähnliche Querschnitte auf, wie sie auch bei Gebirgstunnels verwendet werden. Bei großer Tiefe erhalten sie in der Regel einen kreisförmigen Querschnitt, und zwar vielfach unter Verwendung eiserner Ummantelung; oft wird für jedes der beiden Gleise einer zweigleisigen Untergrundbahn eine besondere Röhre angelegt, wodurch unter Umständen die Führung der Gleise und die Anlage der Stationen erleichtert wird (s. Tunnel). Die an den Stationen erforderliche Verbreiterung kann bei den Unterpflasterbahnen einfach durch Auseinanderziehen der Seitenwände unter Verwendung einer stärkeren Deckenkonstruktion hergestellt werden; bei Untergrundbahnen mit gewöhnlichem Tunnelquerschnitt kommt an den Stationen entweder die Verwendung eines in die Breite gezogenen Querschnitts (vgl. Fig. 3, Pariser Stadtbahn) oder der Einbau eines erweiterten Raumes mit abweichender Deckenbildung (z.B. quergespannten Kappen auf eisernen Trägern) in Frage. Bei den Röhrenbahnen muß stets an den Stationen eine abweichende Bauweise verwendet werden (s. Fig. 4, von der Central London Railway). – Besondere Vorsorge ist bei den Untergrundbahnen,[728] namentlich den Tiefbahnen, für Lüftung zu treffen, ferner bei Lage in Grundwasser für Entwässerung. Erwünscht sind Notausgänge, deren Anlage bei tiefliegenden Bahnen aber oft auf Schwierigkeiten flößen wird; vgl. a. Tunnel.

Stadtbahnen, d.h. Eisenbahnen, die durch das Stadtinnere geführt sind.

In weiterem Sinne gehören hierher auch innerhalb einer Stadt liegende Teile von Fernbahnen und Güterverbindungsbahnen zwischen Fernbahnhöfen, wie in London, Manchester, Liverpool, Berlin, Dresden u.s.w. In der Regel aber versteht man unter Stadtbahnen städtische Persönenschnellbahnen, die im Gegensatz zu den Straßeneisenbahnen (s.d.) einen eignen Bahnkörper besitzen und das Ein- und Aussteigen nur an bestimmten Stationen ermöglichen, aus beiden Gründen eine schnellere Beförderung gestatten.

Mit den eigentlichen Stadtbahnen stehen häufig Ringbahnen und Vorortbahnen in Verbindung. Die Stadtbahnen dienen hiernach entweder nur dem binnenstädtischen Verkehr oder zugleich dem Vorortverkehr (Wohnverkehr, Berufsverkehr) und dem Ausflugsverkehr. Geht der Vorortverkehr von Stadtbahnen auf Fernbahnen über, so wird hierdurch leicht die Regelmäßigkeit des Stadtbahnbetriebes beeinträchtigt. Wenn Stadtbahnen nebenher für gewisse Gütertransporte, z.B. Markthallengüter, Kohlen für Gasanstalten u.s.w, benutzt werden, so geschieht dies zweckmäßig zur Nachtzeit. In Chicago hat man eine besondere vielverzweigte Stadtbahn (Untergrundbahn) lediglich für Güterbeförderung angelegt.

Der Bauweise nach können die Stadtbahnen entweder als Standbahnen (Fahrzeuge auf Rädern oberhalb der Schienen) oder als Schwebebahnen (s.d.) hergestellt werden. Die Standbahnen werden, um Plankreuzungen mit Straßen zu vermeiden, in der Regel als Hochbahnen oder Untergrundbahnen angelegt, wobei auch Wechsel zwischen beiden Bauweisen möglich ist (wie in Paris und Berlin), und Strecken, auf denen keine Straßenkreuzungen vorkommen, annähernd in Geländehöhe liegen können. Die Stadtbahnen folgen entweder dem Zuge städtischer Straßen oder sie haben eine besondere Linienführung. Im ersten Falle wird der Straßenverkehr und das Straßenbild am wenigsten beeinträchtigt durch Untergrundbahnen, die indessen in Anlage und Betrieb besonders schwierig und kostspielig sind.

Bei Stadtbahnen mit selbständiger Linienführung legt man die Stationen zweckmäßig an Kreuzungen mit städtischen Straßen, bei Stadtbahnen, die städtischen Straßen folgen, nahe bei Straßenkreuzungen, um die Zugänglichkeit zu erleichtern.

Stadtbahnen werden in der Regel zweigleisig angelegt, wenn man nicht für Züge, die gewisse Stationen durchfahren, ein zweites Gleispaar vorsieht, wobei dann zweckmäßig Richtungsbetrieb stattfindet. So werden [1], S. 192, auf der neuen viergleisigen Schnellverkehrsbahn in New York die beiden äußeren Gleise von Ortszügen befahren, für die in 400–600 m Abstand Haltestellen vorgesehen sind, während auf den beiden inneren Gleisen Stadtschnellzüge verkehren die nur an jeder vierten bis sechsten entsprechend ausgebauten Station halten, also eine größere Reisegeschwindigkeit erreichen. Auf einigen Strecken der New Yorker Hochbahnen ist zwischen den beiden, dem regelmäßigen Verkehr dienenden Gleisen ein drittes Gleis eingefügt, das in den Stunden stärksten Verkehrs von besonderen, nur an wenigen Stationen haltenden Schnellzügen befahren wird, und zwar je nach den Tagesstunden in der einen oder andern Richtung. Ein Stadtbahnnetz besteht im allgemeinen zweckmäßig aus strahlenförmig geführten Linien und Ringlinien. Verzweigungen von Stadtbahnen erschweren die Durchführung des Fahrplans und beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit der verzweigten Strecken. Daher sucht man sie neuerdings möglichst zu vermeiden und den Uebergang von Linie zu Linie an den Kreuzungs- und Abzweigungspunkten durch Umsteigen zu bewirken.

Die Stationen der Stadtbahnen hat man in durchschnittlichen Abständen von 300–1600 m in der Regel zwischen 500 und 800 m ausgeführt [1], S. 184. Kurze Stationsabstände erleichtern zwar den Zu- und Abgang, vergrößern aber die Fahrzeit. Je dünner die Bebauung, desto größer wird man die Abstände zu wählen haben, so in den Vororten größer als in der Innenstadt.

Die Bahnsteige können als Seiten- oder Inselsteige ausgeführt werden. Erstere Form gestattet zwar Trennung der Verkehrsrichtungen, ist aber ungünstiger für die Abfertigung der Züge. Auf viergleisigen Strecken mit Richtungsbetrieb und auf Abzweigungsstationen lind jedenfalls Inselbahnsteige vorzuziehen. Die Bahnsteigzugänge müssen schienenfrei sein. Sie werden durch Treppen, bei sehr tief liegenden Untergrundbahnen durch Aufzüge vermittelt. Bei Lage der Bahnen im Zuge städtischer Straßen sind bisweilen Quertunnels bezw. Querbrücken von den Häusern her erforderlich. Die Abfertigungsräume der Stadtbahnen haben sehr geringen Umfang. Warteräume sind in der Regel ganz entbehrlich. Dagegen ist auf leistungsfähige Durchgänge bei der Bahnsteigsperre bezw. der Fahrkartenprüfung großer Wert zu legen. Die Endstationen werden besonders zweckmäßig in Schleifenform angelegt, so daß die angekommenen Züge ohne Richtungswechsel weiterfahren können, sonst auch gut in Durchgangsform mit angeschlossener Kehrgleisanlage, weniger gut in Kopfform. Anschluß von Abstellgleisen für Einsatzzüge ist auf den Endbahnhöfen und auf solchen Zwischenstationen, die Strecken ungleicher Verkehrsstärke trennen, erforderlich. Näheres in allen diesen Beziehungen sowie in bezug auf sonstige Anlagen, namentlich Abstellbahnhöfe, s. in [1].

Dem Stadtbahnbetrieb legt man in der Regel einen starren Fahrplan zugrunde. Der neuerdings mehr und mehr angewandte elektrische Betrieb mit Triebwagen erleichtert durch Gestattung starker Neigungen eine zweckmäßige Linienführung, vergrößert die Leistungsfähigkeit; gestattet das Kehren der Züge ohne Umsetzen der Lokomotive, ermöglicht die Bildung der Züge aus Triebwageneinheiten, die je nach der Verkehrsstärke einzeln oder vereinigt fahren.


Literatur: [1] Blum, O., Stadtbahnen, Eisenbahntechnik der Gegenwart IV, B und D, Wiesbaden 1907, 1909. – [2] Ders., Die Stationsanlagen städtischer Bahnen, Zeitschr. f. Kleinbahnen 1900, S. 585. – [3] Eichel, Eugen, Vortrag auf dem Straßen- und Kleinbahnkongreß zu[729] München 1908 über amerikanische elektrische Bahnen, Drucksachen des Internationalen Straßen- und Kleinbahn-Vereins, Brüssel. – [4] Ingenieurwerke in und um Berlin, vom Verein deutscher Ingenieure, 1906. – [5] Kemmann, Der Verkehr Londons, Berlin 1892. – [6] Ders., Zur Eröffnung der elektrischen Hoch- und Untergrundbahn in Berlin, Berlin 1902. – [7] Ders., Das englische Handelsamt über den Londoner Verkehr, Sonderdruck aus der Zeitschr. f. Kleinbahnen 1909. – [8] Langbein, Berliner elektrische Stadtbahn, Zeitschr. des Ver. deutsch. ing. 1902, S. 245, 261, 302. – [9] Petersen, Richard, Personenverkehr und Schnellbahnprojekte in Berlin, Berlin 1907. – [10] Ders., Die Bedingungen der Rentabilität von Stadtschnellbahnen, Berlin 1908. – [11] Ders., Die Aufgaben des großstädtischen Personenverkehrs und die Mittel zu ihrer Lösung, Städtebauliche Vorträge, Berlin 1908. – [12] Pforr, P., Der elektrische Vollbahnbetrieb. – [13] Die Berliner Stadtbahn, amtliche Darstellung, Sonderdruck aus der Zeitschr. f. Bauwesen 1884/85, Berlin 1886. – [14] Troske, Die Londoner Untergrundbahnen, Sonderdruck aus der Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1891/92, Berlin 1892. – [15] Ders., Die Pariser Stadtbahn, Sonderdruck aus der Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1903/04, Berlin 1905. – [16] Wittig, P., Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin, Berlin 1906. – [17] Ders., Zur Eröffnung der Untergrundbahn nach Weilend, Berlin 1908. – [18] Ders., Zur Schnellbahnfrage Groß-Berlins, Sonderdruck aus dem Preisausschreiben für den Wettbewerb um einen Grundplan für die Bebauung von Groß-Berlin, Berlin 1908. – [19] Hirzson (russisch), Die Stadtbahnen, Bau, Betrieb und wirtschaftliche Lage, Petersburg 1900. – [20] Hervieu, Jules, Le chemin de fer Metropolitain Municipal de Paris, Paris 1903. – [21] Royal Commission on London Traffic 1903, 8 Bände. – [22] Stadtbahnen in London, Liverpool und New York, in den Proceedings der Institution of Civil Engineers 1885, 1886, 1894, 1896, 1900, 1908. – [23] Berichte des Board of Rapid Transit Railroad Commissioners, New York 1902/06 (New York Subway). – [24] Bericht der Boston Transit Commission 1895 bis heute (Bostoner Schnellverkehrsanlagen). – [25] Report on the Chicago Transportation Problem by Joseph Bion Arnold, New York 1905. – [26] Reports of the Public Service Commission for the first district, New York 1908 u. f. – [27] Philadelphia's Rapid Transit, von der Millard Construction Co., 1908. – [28] Interborough Rapid Transit, The New York Subway, its Construction and Equipment, New York. 1904.

Cauer.

Fig. 1a., Fig. 1b.
Fig. 1a., Fig. 1b.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 727-730.
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