Anmerkungen und Zusätze.

[180] Zu 3. »Eine grosse und eine kleine Schwester« lautet nach volksthümlichem Ausdrucke: »una sorellona e una sorellotta«.

Zu 4. In der Gegend von Roveredo bezeichnet man alte Frauen, welche knauserig und mürrisch sind, gern mit dem Ausrufe: »O che mare de San Pero!«

Zu 5. In Roveredo nennt man das Todtengerippe auf der schwarzen Fahne, welche bei Begräbnissen vorangetragen wird, »la Cattarinetta«; im obern Valsugana heisst es »Cattarinella«. Im Nonsberg nennt man es »la comare giusta« (die rechte Gevatterin) und es wird dort darüber die allbekannte Geschichte vom Tode als Gevatter erzählt.

Zu 6. Mitgetheilt aus Valsugana; eine schwächere Variation wurde mir auch aus dem Nonsberg bekannt.

Zu 12. Diese drei Märchen, welche eben so auch als Sagen betrachtet werden können, da bezüglich des ersten dafür sogar eine besondere Stelle in Vallarsa genannt wird, wurden hier eingereiht, weil in den vorhergehenden so viel von »Hexen« die Rede ist. Für 1 und 2 vergleiche die unten folgende Beatriksage 5.

Zu 15. Die Sprüche, welche befehlend an die drei Stücke gerichtet werden, lauten wälsch: »Asenc.. denari«, »manipol pareccia« (d.i. apparecchia – genau genommen bezeichnet man mit »manipol« die Serviette), »baston, mòvete« nnd »baston, fèrmete«. Dieses sehr volksthümliche Märchen wird in mancherlei Variationen erzählt. Nach einer derselben sind es drei Brüder, welche nach einander die drei Stücke gewinnen. Der erste dient bei einem Bauer, welcher ihm wegen Armut am Ende des Jahres keinen Lohn zahlen kann und dafür einen Esel gibt. Zornig darüber, sich nichts Besseres verdient zu haben, jagt er den Esel auf der Strasse dahin, dass unter dessen Hufen die Funken stieben; am Wege sizt eine blinde Hexe, dieser fliegt ein Funke in's Auge und sie wird sehend. Zum Danke[181] verleiht sie dem Esel die bekannte wunderbare Eigenschaft, sein Eigenthümer aber wird vom Wirthe betrogen. Der zweite Bruder dient bei demselben Bauer und erhält einen Tisch, den er voll Unmuth mit grossem Gepolter auf der Strasse vor sich hinrollt. Davon erwacht eine Hexe, welche schlief und von einer giftigen Schlange bedroht war. Zum Danke verleiht sie dem Tische jene wunderbare Eigenschaft, welche im vorerzählten Märchen das Tischtuch an sich hat; aber sein Eigenthümer wird ebenfalls vom Wirthe betrogen. Darauf dient der dritte und jüngste Bruder bei demselben Bauer und bekommt gar nur einen hölzernen Schlägel. Wüthend schlägt er damit an alle Hänser, an denen er vorübergeht; in einem derselben wohnt eine taube Hexe, welche von dem Lärme hörend wird. Zum Danke ertheilt sie dem Schlägel die wunderbare Eigenschaft, welche im erzählten Märchen der Stock hat und der glückliche Eigenthümer löst nun dadurch, dass er den diebischen Wirth nach Gebühr durchprügeln lässt, die gestohlenen Gegenstände seiner Brüder wieder aus.

Zu 17. Aehnlich, wie in Deutschtirol, wird in Wälschtirol auch von einem Schmiede (ferrèr) erzählt, welcher den Teufel und den Tod betrügt, zuletzt aber selbst den Tod suchen geht. Einer übrigens nicht verbürgten Andeutung zufolge soll die Geschichte des Stöpselwirthes auch von einem heiligen Waltram – San Beltramo – erzählt werden.

Zu 18. Dieses Märchen, welches an naiv poetischer Schönheit und Innigkeit wol alle andern dieser Sammlung übertrifft, wurde dem Herausgeber gütigst durch den wackern Studirenden Hrn. Em. Longo aus der Gegend von Borgo mitgetheilt.

Zu 19. Die Worte der ersten Jungfrau, wie sie um Wasser bittet, lauten:


»Amor mio, amor mio,

Dammi da bevere!«


Er erwiedert:


»Amor mio, amor mio,

Aqua non ghe n' ho!«


Sterbend seufzt sie:


»Amor mio, amor mio,

Morirò!«


Die Worte der Taube an den Koch lauten:


»Cogo, bel cogo,

Endormènzate al fogo,

Che l'arrosto se possa brusar

E la fiôla della veccia stria non ne possa magnar!«
[182]

Der Herausgeber hat so, wie es eben anging, bei der Erzählung eine Nachbildung versucht, welche nachsichtig beurtheilt werden möge.

Zu 20. Eine Variation hörte ich auch unter dem Namen: »I pomi d'oro« erzählen, da statt der drei goldenen Kugeln drei goldene Aepfel eintreten. Der Held derselben wird als unehliches Kind ausgesetzt und von einem Müller erzogen. Weil aber die Kinder des Müllers ihn einen Bastard nennen, geht er in die Welt und erlebt fast die gleichen Abenteuer, nur tritt an die Stelle der Stute ein Zauberschwert und an die Stelle des Drachenblutes Tigermilch. – Eine weitere Variation der Fluchtscene ist mir nachträglich noch bekannt geworden und ist interessant genug, um dem Inhalte nach angeführt zu werden. Ein auf der Jagd verirrter junger König kommt in die Nähe eines Hänschens im Walde, das ohne Thüre ist. Da nähert sich eine alte Hexe dem Hänschen, tritt unter das Fenster und ruft:


»Bianca, bianca come la neve,

Rossa, rossa come 'na bracia,

Slóngame zò le tue drezze d'oro!«


Darauf erscheint am Fenster ein wunderschönes Mädchen, lässt ihre langen goldenen Haarflechten hinab und zieht die Alte hinauf. Der junge König wartet bis zum nächsten Tage und sobald die Alte fortgegangen ist, schleicht er zum Hänschen, ruft dieselben Worte und wird hinaufgezogen. Das Mädchen erschrickt, wie sie ihn erblickt und erzählt ihm, sie befinde sich hier in der Gewalt der alten Hexe, diese werde ihn aber tödten oder verzaubern, sobald sie ihn finde. Der junge König erklärt sie für seine Braut und beredet sie zur Flucht. Sie nimmt Kamm, Spiegel und Scheere und sie entfliehen auf dem Pferde des jungen Königes. Nach einiger Zeit verfolgt sie die Alte auf einem Schweine reitend, das Mädchen wirft den Kamm hinter sich und es entsteht ein dichter Buschwald. Da ruft die Alte dem »Schweinchen« zu:


»Magna, magna, porcelletto!«


und das Schwein frisst und frisst, bis es hindurch kommt. Dann ruft die Alte:


»Caga, caga, Porcelletto!«


und das Schwein gibt alles wieder von sich und läuft so schnell wie früher. Wie die Alte wieder nahe ist, wirft das Mädchen den Spiegel hinter sich und es entsteht ein See.


»Bevi, bevi, porcelletto!«


befiehlt die Alte, das Schwein säuft den See aus und kommt hindurch. Dann ruft die Alte wieder:
[183]

»Pissa, pissa, porcelletto!«


und das Schwein gibt alles wieder von sich. Das dritte Mal wirft das Mädchen die Scheere hinab und es entsteht ein grosser Dornenwald.


»Magna, magna, porcelletto!«


befiehlt die Alte, aber vergebens, hier frisst das Schwein sich nicht mehr hindurch. Die beiden Flüchtlinge aber gelangen glücklich nach Hause und halten dort fröhliche Hochzeit.

Zu 22. Die Worte der Gänse: »Wir waren draussen« u.s.w. lauten wälsch:


»Siamo state sulla riva del mare,

Abbiamo mangiato, abbiamo bevuto,

La sorella del Tilio abbiamo veduto,

E bella bella,

Come 'na stella

E presto sarà sposa del nostro signor«.


Die Form ist gezwungen und die Verse mögen früher wol anders gelautet haben. »Tilio« ist wol Abkürzung von Attilio, ein noch heute in Wälschtirol vorkommender, jedoch ziemlich seltener Name.

Zu 23. Eine ziemlich veränderte und abgeschwächte Variation dieses Sneewittchenmärchens ist kurz folgende: Drei Mädchen sassen auf einem Söller und spannen, die erste Flachs, die zweite gewöhnlichen Hanf (»canef« d.i. canapa), die jüngste aber feinen Hanf (canevella). Da ritt ein vornehmer Herr vorüber, sah die drei Spinnerinnen und sagte: »Die, welche Flachs spinnt, ist schön, – jene, welche Hanf spinnt, ist auch schön, aber jene, welche den feinen Hanf spinnt, ist die schönste.« Am nächsten Tage gaben die beiden ältern Schwestern der jüngsten Flachs und am dritten Hanf zu spinnen, aber der Herr erklärte sie wieder beide Male für die schönste. Aus Aerger führten die beiden ältern Schwestern die jüngste in den Wald und liessen sie allein. Sie kam nun in ein Haus, wo der wilde Mann mit seinem Weibe wohnte; sie thaten aber dem Mädchen nichts zu Leide, sondern hielten es gut wie ihre Tochter. Durch einen Bettelmann erfuhren die beiden ältern Schwestern, wo ihre jüngste Schwester sei. Eine ging verkleidet mit vergifteten Aepfeln hin und verkaufte einen dem Weibe des wilden Mannes, welche ihn dem Mädchen gab; allein kaum hatte es davon ein wenig gegessen, so fiel es wie todt hin. Der wilde Mann und sein Weib hatten grosses Leid und sie stellten das schlafende Mädchen an das Fenster. Als sie einmal abwesend waren, ritt jener vornehme Herr vorüber, setzte das Mädchenbild auf sein Pferd und ritt nach Hause. Dort stellte er es in einen Glasschrank und liess Niemanden in das Zimmer. Einmal[184] verreiste er und vergass den Schlüssel. Da kam seine Mutter hinein und sah verwundert das schöne Bild; sie sann nach, was die Ursache dieses Zustandes sein möchte und meinte endlich, durch Wärme werde das Mädchen wieder zum Leben kommen. Sie trug es zum Herde; wie sie es aber hinaufstellen wollte, entschlüpfte es ihren Armen und fiel kopfüber zu Boden. Die Erschütterung bewirkte, dass das Mädchen die verschluckte Apfelschnitte wieder von sich gab und erwachte. Da war grosse Freude und als der Sohn zurückkam, hielt er Hochzeit. Sie ahnten aber beide, dass ihre Schwestern sie wieder zu verderben suchen würden. Diese erfuhren es wirklich wieder durch denselben Bettler und gedachten die jüngste Schwester durch zum Kaufe angebotene Schlingen oder Nesteln (stringhe) unversehens zu erwürgen. Allein im Augenblicke, als sie die schändliche That ausführen wollten, erschien der Gemal und erdrosselte beide. Darauf hatten sie für ihr glückliches Leben nichts mehr zu befürchten.

Zu 24. Von diesem allbekannten Märchen gibt es manche Variationen, von denen ich nur Eine mittheilen wollte. Die Ausdrücke: »Vom Aschenschaufelhieb« und »vom Feuerzangenschlag« klingen im Deutschen in ihrer je dreifachen Zusammensetzung viel auffälliger, als im wälschen Dialekte in ihrer einfachen Ableitung von Participien; »dalla palettada« (paletta, von pala, Schaufel) und »dalla mojettada« (von »la molletta«). Die Anspielung wird dadurch eine feinere und drückt das, was sie besagen will, doch mit volksthümlicher Deutlichkeit aus.

Zu 26. Die drei Schönheiten der Welt heissen wälsch: »L' usellin, che parla – l' aqua, che balla – l' arbol, che sona.«

Eine sonst nicht abweichende Variation kennt die Donnerschläge auf dem Zauberberge nicht, sondern nur viele süss bittende und flehende Stimmen, welche den Vorübergehenden zum Umsehen bewegen wollen; schaut er um, so wird er zu Stein. Ebenso stellt sie der Zaubersalbe ein Zauberstäbchen (bacchetta magica) unter.

Viel beträchtlicher ist dagegen die Abweichung in einer andern Variation, die hier auszugsweise angeführt werden soll. Ein junger König zieht in den Krieg und in seiner Abwesenheit kommt seine Gemalin mit drei Kindern, nämlich zwei Knaben und einem Mädchen, nieder; alle drei haben sie schöne goldene Haare. Die alte Königin aber lässt die Kinder in einen Korb legen und in einen Bach werfen, der sie zu einer Mühle trägt, wo sie vom Müller gefunden und erzogen werden. Die junge Königin aber wird in der Küche unter der Abgussplatte eingemauert und nur durch das Mitleid der Mägde, welche ihr immer heimlich etwas zukommen lassen, am Leben erhalten. Unterdessen kehrt der König heim. Mehrere Jahre vergehen[185] und die Kinder in der Mühle werden gross. Einmal gerathen sie mit den andern Kindern des Müllers in Streit und werden von diesen Bastarde genannt. Nachdem der Müller auf ihre Frage sie über ihre Aufnahme in der Mühle belehrt hat, ziehen sie in die Welt, ihre Aeltern zu suchen und leben davon, dass sie von Zeit zu Zeit ihre goldenen Haare verkaufen. So kommen sie in die Stadt des Königs, welcher sie in der Kirche sieht und zu seiner Tafel einladet. Die alte Königin erfährt es und schickt ein vertrautes Weib zu den Kindern, welche den ältesten Sohn beredet, sogleich zur Gewinnung der drei Schönheiten und zwar zunächst der ersten, des singenden Apfels (el pom, che canta) auszuziehen. Er kommt in einen Wald zu einem Alten, welcher ihn belehrt, der singende Apfel befinde sich auf dem nahen Berge inmitten von Schlangen, er solle sich daher ganz mit Spiegeln umbinden, um die Schlangen fliehen zu machen. Er thut es und kommt mit dem singenden Apfel glücklich heim. Darauf sieht der König die Kinder wieder in der Kirche und ladet sie abermals zur Tafel. Aber das Weib der alten Königin beredet den zweiten Sohn, zur Eroberung der zweiten Schönheit der Welt, des tanzenden Wässerleins (l' aqua che balla), auszuziehen. Dieses befindet sich auf einem Berge hinter jenem ersten; der Knabe trifft wieder jenen Alten und bringt mittelst umgebundener Spiegel das tanzende Wässerlein aus der Mitte der Schlangen glücklich heim. Der König sieht abermals die Kinder, macht ihnen Vorwürfe und ladet sie zur Tafel. Da beredet das Weib der Königin den ersten Sohn, auch zur Eroberung der dritten Schönheit der Welt, des schönen grünen Vögeleins (l' usellin bel verd) auszuziehen. Der Alte im Walde belehrt ihn, es sei in einem Thale hinter dem zweiten Berge und er müsse zwischen zwei engen hohen Säulen hindurchreiten, ohne dass er oder das Pferd sie berühre. Das Pferd aber berührt die Säulen mit dem Schweife und Ross und Reiter werden zu Stein. Der zweite Bruder aber gelangt glücklich zum schönen grünen Vögelein, nimmt auf sein Geheiss eine weisse Feder unter seinen Flügeln heraus, berührt damit alle Statuen und verwandelt sie wieder in Menschen; dann kehrt er mit dem Bruder heim. Nun gehen die Kinder zur Tafel des Königs; das Mädchen verlangt, dass auch die eingemauerte Frau zu Tische komme. Dies geschieht, aber der König erkennt sie nicht, weil er sie für todt hält, und sie schweigt. Darauf lassen sie die drei Schönheiten der Welt bringen und ergötzen sich daran. Zulezt frägt das Mädchen das schöne grüne Vögelein, wer ihre Aeltern seien. Nun enthüllt das Vögelein alles, Aeltern und Kinder erkennen und umarmen sich und die böse alte Königin erhält den verdienten Lohn.

Zu 28. Von diesem auch unter dem Namen »el pescador« oder[186] »la fiaba del re delle pesce« (statt – dei pesci, der Fische) allbekannten Märchen gibt es viele Variationen. Eine derselben enthält folgende Abweichungen. Ein Fischer fängt einen ungeheuern Fisch, das ist der König der Fische, welcher dem Fischer verspricht, er werde immer viele Fische fangen, wenn er ihn freigebe. Der Fischer thut es und fängt ihn dar auf ein zweites und ein drittes Mal, da behält er ihn. Er bekommt nun zwei Söhne, zwei Hunde, zwei Pferde und zwei Lanzen. Beide Söhne ziehen, sobald sie gross sind, zugleich aus und kommen zu einer Alten, welche jedem eine kleine Flasche mit hellem Wasser gibt, mit dem Bedeuten, wenn sich das Wasser trübe, sei es ein Zeichen, dass dem andern Bruder ein Unglück zugestossen sei. Darauf trennen sie sich. Der ältere Bruder erlegt einen Drachen und befreit eine Königstochter; sie verspricht ihm die Heirat und gibt ihm ein Pfand, da er noch weiter ziehen muss. Aber ein Schuster zwingt die heimkehrende Prinzessin zu sagen, er habe sie befreit und hält darauf mit ihr Hochzeit. Während des Males erscheint der wirkliche Befreier und der Schuster wird verbrannt. Am folgenden Tage sizt er mit der Prinzessin auf der Altane und sieht ein hellerleuchtetes Schloss, wo nach Angabe der Prinzessin eine böse Hexe wohnt. Er geht heimlich hin; da kommt ihm die Alte mit der Wärmepfanne entgegen und sagt: »Blas doch, ich habe kalt!« Er bläst und wird in Stein verwandelt. Darauf befreit ihn der jüngere Bruder in ähnlicher Weise, wie im mitgetheilten Märchen. Der Zug, dass der andere Bruder nachts zwischen sich und die Prinzessin das blanke Schwert in das Bett legt, kommt auch in dieser Variation vor.

Zu 30. Die Worte des Alten: »Goldene Laterne u.s.w.« lauten wälsch: »Lanterna d'oro coi stoppini d'arzent, dorme o veglia la mia signora!« Ferner:


»Se i galli non cantassero,

Se le campane non suonassero,

Se le ore non battessero,

Tutta la notte quì staria

A farti compagnia, o bell' anima mia!«


Zu 31. »Das Haus des Teufels« – »la casa del diavolo« – ist eine in Wälschtirol öfters gebrauchte Redeweise.

Zu 32. In einer Variation dieses Märchens fehlt der charakteristische Eingang und der Teufel kommt als unbekannter Freier in das Haus der drei Mädchen. Er gibt seinen Frauen statt der Rose einen Apfel, welcher welk und faul wird, sobald sie die verbotene Thüre öffnen. Nur die dritte legt den Apfel vorher in Mehl, wodurch sie denselben frisch erhält.[187] Wie sie sich das dritte Mal vom Teufel selbst wegtragen lässt, täuscht sie ihn durch eine weibliche Strohfigur, welche sie an den Brunnen stellt, als ob sie wasche. Am Ende wird der Teufel, da er keine Frau mehr hat, so zornig, dass er vor Wuth und Galle »krepirt« (l' è crepà). – Zur Wiese vor der Hölle vgl. Simrock's Mythologie S. 472.

Zu 38. Die Worte des Zauberers: »Ich wittere Christengeruch u.s.w.« sind gewöhnlich jene des wilden Mannes, mit denen er auftritt, wenn Jemand in seinem Hause sich versteckt hat: sie lauten reimweise auf wälsch:


»Tim tim tim

Odor de cristianim,

O che ghe n' è o che ghe n' è stà

O che 'n vegnirà.«


Gerhard – wälsch als Diminutiv: Girardim. – Das Märchen wird in vielen Variationen erzählt, deren Kern immer die drei Marternächte bilden. 36 ist, wie angedeutet, aus Fassa, 37 aus Vallarsa, 38 aus der Gegend von Roveredo. Statt der Taube wäre in 38 wol ein Adler besser am Platze, aber ich wollte es, wie überall, genau so wiedergeben, wie ich's erzählen hörte.

Zu 40. Eine Variation weicht in folgender Weise ab. Drei Mädchen gehen in ein Feld arbeiten, da kommt eine grosse Schlange. Die beiden ersten fliehen, die dritte und jüngste aber bleibt, gibt dem Wurme zu fressen und macht sogar im Boden eine Höhlung, in welche sie Wein giesst, damit der Gast sich labe. Nun muss sie mit ihm in sein Haus im Walde gehen, wo er ihr Flachs zu spinnen, Tischtücher zu machen und Damast zu weben gibt, dabei unterstützt sie der Wurm (der Kamin kommt nicht vor) in geheimnissvoller Weise, so dass sie herrlich arbeitet. Darauf entflieht sie mit einem vornehmen Herrn, um dessen Frau zu werden; der Wurm aber verwandelt zur Strafe für die Flucht ihren Kopf in den einer Ziege. Nun will sich der Herr ihrer entledigen, wählt eine Anzahl Mädchen und darunter auch sie und gibt ihnen nach einander Flachs zu spinnen, Tischtücher zu machen und Damast zu weben mit der Erklärung, er wolle jene heiraten, welche am besten und meisten arbeite. Da holt sie jedesmal aus dem Hause der Schlange die dort verfertigte Arbeit und siegt so über ihre Nebenbuhlerinnen. Als sie aber das dritte Mal in's Haus der Schlange kam, sagte ihr diese: »Wenn du befreit werden willst, so musst du mich beim Hochzeitsmale unter deine Kleider nehmen und jede Speise mit mir theilen«. Sie that so und nach dem Hochzeitsmale hatte sie wieder ihre rechte frühere Gestalt.

Zu 41. Auf dieses Märchen bezieht sich offenbar ein Kinderreimspruch,[192] welcher indessen nicht vollständig zu hören ist; er beginnt: »Galletto becchetto; – gallina gastaldina, – oca badessa, – anedra contessa, uccia, che sponze – boazza, che onze, – stanga, che dà, – spazzadora, che spazza« u.s.w.

Zu 51. Der (in der dritten Zeile entstellte) Reimspruch lautet wälsch:


»Pastorello mio, che in man mi tiene,

Sono stato ammazzato sulle pozze di Viena,

Nè per occaso nè per occasione,

Sol per la penna dell' uccello Sgriffone!«


mit den entsprechenden Variationen in den Wiederholungen. So heisst es auch am Anfange, der König sei »sulle pozze di Viena« auf die Jagd gegangen. »Sulle pozze« soll wol so viel sein, wie italienisch »sui poggi« d.i. auf den Anhöhen. Hinter »Viena« ist wol keine besondere Anspielung zu suchen, sondern darunter nur so viel wie Hauptstadt überhaupt zu verstehen, mit leicht erklärlicher volksthümlicher Redefigur. Ich hörte das Märchen von einer Alten in Lizzana erzählen.

Zu 52. Der Spruch: »Bleib fern drei Schritte« u.s.w. lautet wälsch:


»Anima terrena,

Stammi lontana tre passi

E raccontami la tua pena!«


Eine andere ähnliche Spruchformel lautet:


»Se sei anima di Dio,

Parla per parte di Dio;

Se sei anima terrena,

Raccontami la tua pena!«


Zu 53 und 54. Auch diese beiden Märchen – beide selbst nur Variirungen – werden in verschiedener Weise bald so bald anders erzählt. In Nr. 53 lauten die auf die Platte geschriebenen Worte:


»Zuam dal fort,

Che a zento e più ha dat la mort!«


In 54 dagegen:


Zuam Valent

Che ha ferì sette e mazzà zent!«


öfter mit dem scherzhaften Zusatze: »O per non dir pù – zent e dù (due)«. Eine andere Variation ist »Zuam quattordese« – Zuam, che ha mazzà zent e struppià (storpiato) quattordese«. – Das in 54 mit »Batzen« wiedergegebene Wort lautet wälsch »bezzi«, Kleingeld, dann Geld überhaupt.[193] Der Name Johann ist und war in Wälschtirol sehr häufig; kein anderer hat so viele Familien- und Geschlechtsnamen gegeben, wie dieser. Einfach sind: Giovannaz, Giovannazzi, Giovanella, Giovannelli, Giovannetti, Giovannini, dalla Giovanna; – Gianazzi, Gianetti, Gianeselli, Gianot; – Zanat, Zanetti, Zanettin, Zanettelli, Zanetto, Zanei, Zanella, Zanellon, Zanini, Zanol, Zanolli, Zanolini, Zanollo, Zanotelli, Zanoner, Zanner, Dalzani, – Zuanni, Zuannelli; – Tschan, Tschon, u.s.w. In Zusammensetzung mit Tauf- und Ortsnamen oder andern Namen: Zambiasi, Zampedri, Zampiero, Zandonai, Zandonati, Zangiacomi, Zanfranceschi, Zanluca, Zanvettor, Zanzana (Johann Johanna), Degiampietro, Giammóëna, Gianordolo, Zambaldi, Zambelli, Zamboni, Zambotti, Zampari (pare-padre), Zancanella, Zanfei, Zaniboni, Zanzotti, Zampiccoli, Zandarco (Johann von Arco), u.s.w. Alle diese Namen finden sich heute in Wälschtirol vor.

Zu 55. Der Reimspruch: »Was wird sie thun« u.s.w. lautet wälsch:


Cosa faralla? Cosa diralla? Mi non so;

Doman di sera lo porterò:

Cosa g'ho nome? Tarandandò!


Zum Schlusse ist zu bemerken, dass die Spinnerinnen in Wälschtirol den Rocken beim Spinnen gewöhnlich unter dem Arme halten.

Zu 60. Unter dieser Rubrik wurde eine beschränkte Zahl sogenannter Spott- und Trutzgeschichtchen mitgetheilt, wie sie bald von diesem bald von jenem Dorfe erzählt werden. Es ist auch in Wälschtirol schwerlich ein Dorf zu finden, dem von den Nachbarn nicht irgend etwas zum Spotte nachgesagt würde. Auch das bekannte Lalenburger Geschichtchen vom Ochsen, der auf den Kirchthurm gezogen wird, damit er dort das Gras abfresse, wird in Wälschtirol von mehrern Dörfern erzählt. Im obern Nonsberg wissen die Leute die Uebernamen aller Dörfer in langem Reimspruche herzusagen; da gibt es »Christusverbrenner« (brusacristi), »Heiligenvertreiber« (scacciasanti), »Sterngucker« (mira le stelle) u.s.w. Sogar in Reimen neckt man sich; den Leuten von Mechel bei Cles, z.B., empfiehlt man, einen andern Kukuk zu schicken, denn der, den man habe, sei zu alt und könne nicht mehr singen:


»Cucù Cucù da Mechel,

Mandème denter 'n cucù,

Che 'l nos è massa veccl,

Che nol pol cantar pù!«


Aber die von Mechel bleiben die Antwort nicht schuldig und erwiedern, wenn der Kukuk nicht mehr singe, sei es ein Zeichen, dass er genug gesungen[194] habe, man hätte ihnen noch den vom vorigen Jahre zu zahlen:


»Se nol pol cantar pù,

L' è segn, che l'ha canta assà,

Che m' avè ancor da pagiar

Quel dell' ann passà!«


Selbst die Trientiner und Roveredaner necken sich zuweilen mit dem gegenseitigen Spitznamen »fasoi« d.i. fagiuoli, Bohnen.

Auch an andern ähnlichen lustigen Geschichtchen ist kein Mangel, die manchmal so derb sind, dass sie bei der Delikatesse unserer Zeit es unthunlich machen, sie wieder zu geben. Ich weiss nicht, ob folgendes Geschichtchen, welches ich auch erzählen hörte, neu oder bekannt sei; es lautet sehr kurz: »Eine Schnecke kroch zum ersten Stocke eines Hauses hinan und brauchte dazu sieben Jahre. Als sie oben war, fiel sie wieder herab und rief ärgerlich: »Verdammt die Eile, die ich gehabt habe«! Selbst das allbekannte Hebel'sche Geschichtchen vom »Oeffne dich, Beutelein – der Wirth will bezahlet sein!« kann man in Wälschtirol hören und das Reimsprüchlein dazu lautet – allerdings etwas schleppend –:


»Scarsellin, che sei de drio, trati avanti,

Che l' oste vol denari e non vol canti!«


Es sind dies Kleinigkeiten, aber gerade diese zeigen und beweisen am besten, dass Verschiedenheit der Sprache keine Scheidewand zwischen den Völkern bildet.


Schliesslich gelte noch die Bemerkung, dass bei der Erzählung von Märchen der wälsche Volksdialekt eine Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit des Ausdruckes, eine Wärme, eine herzensvolle Naivetät entfaltet, welche man dahinter kaum suchen möchte. Die Märchenerzählung beginnt gewöhnlich mit ihrem: »Gh' era 'na volta ...« oder »in questi anni antich gh' era 'na volta ...« oder »Bisogn saèr, che gh' era 'na volta ...« u.s.w. Unsere Verdopplung des erzählenden Zeitwortes, z.B. er ging und ging – er zog und zog – wird auch im Wälschen ähnlich wiedergegeben: camina, che te camina – tira che te tira u.s.w. Am Schlusse sind mehrfach Reimsprüche beliebt, wie z.B. wenn von Malzeiten die Rede ist:


»Ei ha fat un past un pastom

Ei non me ha dat gnanca 'n bocom;

Era sotta la tavola, che pestava 'l pever

Ei non me ha dat gnanca 'n goz da bever u.s.w.«


Eine ähnliche lautet:
[195]

»Ei ha fat un past un pastom

Ei non me ha dat gnanca 'n boccom,

Im 'ha tirà 'n oss en tella schena

Che l' è ancor quì, che 'l remena!« (weh thun).


Etwas variirend im Fassaner Dialekt:


»E dapô i ha fat 'n nôzô ö 'n nôzom

E una bella gran cöna

Ei mi a trat tel comedom (an den Ellbogen)

Un os, chö amô il me römöna!«


Schliesst das Märchen nicht mit Gastmälern und Hochzeiten, so ist folgender Schluss beliebt:


»Larga la foglia,

Stretta la via,

Contè la vostra,

Che ho contà la mia!«


Mit moralischen Sprüchen und Sentenzen schliessen die Märchen selten; das verstiesse fast gegen den heitern Charakter derselben. Sie sind vorzugsweise zur Unterhaltung, nicht zur Belehrung bestimmt, obwol man daraus lernen kann, wenn man nur lernen will.

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 180-189,192-196.
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