Ödland

[905] Ödland (Ödung, Unland), alle Ländereien, die bei überhaupt möglicher Kultur derzeit völlig ertraglos sind oder einer den Verhältnissen nicht entsprechenden[905] unwirtschaftlichen Benutzungsart unterliegen, die infolgedessen in der Regel nur eine äußerst geringe Rente abwirft. Man unterscheidet im allgemeinen Heide-, Sand-, Kalk- und Moorödland. Eine besondere Art bildet die Steppe Rußlands. Charakteristische Ödlandgebiete in Deutschland sind: die Lüneburger Heide, die schleswig-holsteinischen Heiden und und Moore, die Emsmoore, die preußischen Sandwüsten der Kassubei, die Eifel etc. (etwa 670 QM.). Europa besitzt zurzeit mindestens noch eine Ödlandsfläche von 22,000 QM., d.h. eine Fläche etwa so groß wie Deutschland, Österreich-Ungarn, Holland und Dänemark zusammengenommen. Die Kultur des Ödlandes ist eine der wichtigsten Fragen unsrer Zeit. In Deutschland wurden Aufforstungen von Heideödland bereits um die Mitte des 16. Jahrh. durch Forstordnungen angebahnt, um dem drohenden Holzmangel vorzubeugen. Auch Friedrich d. Gr. ist als Kultivator in dieser Richtung bekannt (Tuchler Heide). Aber erst im 19. Jahrh. wurden Aufforstungen in großartigem Maß ausgeführt, in neuerer Zeit besonders unter Zuhilfenahme der Dampfpflugkultur. Solche Aufforstungsgebiete sind z. B. die Lüneburger Heide, die schleswig-holsteinischen Heiden etc. Die ersten Kulturarbeiten auf deutschem Sandödland bestanden in der Bindung und Bewaldung der Dünen und wurden gegen Ende des 18. Jahrh. begonnen. Aufforstungen von Binnensandödland werden besonders in Ost- und Westpreußen seitens der Staatsforstverwaltung ausgeführt, die derartige Ödländereien in ausgedehnter Weise zu Kulturzwecken aufkauft. Von deutschen Gebirgsödlandsaufforstungen sind besonders zu nennen die des Eifelgebiets (begonnen 1860), des Westerwaldes, der Vogesen, des Erzgebirges etc. In Dänemark ist man sehr tätig an der Aufforstung der Heiden in Jütland, auch Holland beeilt sich, sein O. aufzuforsten. Die großartigsten Bestrebungen für Ödlandsaufforstung weist aber Frankreich auf in der (bereits vollendeten) Bewaldung seiner Dünen (90,000 Hektar, begonnen 1780), der Aufforstung der noch vor 30 Jahren sumpfigen Wüste der Landes (800,000 Hektar) und der Gebirgsödländer in den Alpen, Pyrenäen, Cevennen etc. Mit der Aufforstung der letztern gehen die Berasung der Gebirgsgründe und die Wildbachverbauung Hand in Hand. Die österreichischen Ödlandskulturen betreffen die Aufforstung der Steinwüste des Karstes seit 1868, der Banater Wüste, die Aufforstung und zugleich die Verbauung der Wildbäche in den Hochgebirgen etc. Auch in Rußland ist man an die Aufforstung der ungeheuern Ödlandsflächen herangetreten. Für die erste Ödlandsaufforstung sind nur Nadelhölzer geeignet. In Betracht kommen: die gemeine Kiefer (Sandödland), die Schwarzkiefer und die Parolinianakiefer (Pinus pyrenaica, Karst, bez. Kalködland), die Seestrandskiefer (Landes), die Berg- und Krummholzkiefer (für höhere Lagen) und die Fichte (der Baum des Gebirgsödlandes, abgesehen vom Kalködland des Karstes). Von Laubhölzern eignen sich nur die Birke, Akazie und einige Pappeln (z. B. Silber-, Schwarz- und kanadische Pappel) auf Sandböden. Die fast stets erforderliche Bodenvorbereitung besteht in der Entwässerung der nassen Heiden und des Moorödlandes, in der Bodenbindung des lockern oder gar flüchtigen Ödlandes, dann auch des beweglichen Gebirgsödlandes, und in der Bodenlockerung bei dem besonders mit Ortstein versetzten Heideödland. Zur Entwässerung genügt oft ein einfaches System von Entwässerungsgräben, manchmal muß eine förmliche Kanalisation stattfinden (z. B. Landes, holländische Moore etc.). Die Bindung flüchtigen Ödlandes (vor allem Flugsand) wird erzielt durch eine entsprechende Deckung (Binnensand) oder Erzeugung einer gewissen Sandvegetation (Düne). Übliche Deckmaterialien sind: Äste, Strauchwerk, Stroh, Schilf, Heidekraut, Heide- oder Moorplaggen, auch kann Erde oder Lehm aufgebracht werden. In neuester Zeit bindet man den Flugsand mit Topinambur (Helianthus tuberosus). Über den Dünenbau s. Dünen, S. 274. Die Bodenlockerung (Durchlüftung, Umbruch) erfolgt durch Pflügen mittels Gespannen oder Dampfmaschinen oder durch Rigolen mittels Handarbeit. Der Zweck ist ein Durchbrechen des in Heideödland häufig vorkommenden Ortsteins, der dem Pflanzenwuchs hinderlich, selbst verderblich werden würde.

Der Holzanbau erfolgt durch Saat oder Pflanzung. Man sät auf den geeggten Pflugstreifen oder auch auf den rauhen Schollen. Im Hochgebirge macht man oft Schneesaaten. Zur Pflanzung auf Heideödland wird hauptsächlich Kiefer (1–2jährig) und Fichte (2–3jährig) in der Regel als wurzelfreie Saat- und Schulpflanze verwendet. Im holländischen Gelderland macht man Ballenpflanzung mit vierjährigen Kiefern. Der gepflügte Heideboden ermöglicht die Spalt- oder Klemmpflanzung, die mit den verschiedensten Instrumenten am meisten im Gebrauche steht. Außer der Kiefer werden besonders im ungarischen Flugsandgebiete die Pappel und Akazie angebaut. Für Kalködlandsaufforstungen (besonders am Karst) wird die Schwarzkiefer in der Regel als zweijährige Saalpflanze verwendet. Moore der Ebene sind nicht der Forstkultur im großen, sondern der Landwirtschaft zuzuweisen. Bei Aufforstungen von Hochmooren im Gebirge ist zunächst Entwässerung vorzunehmen. Zur Pflanzung nimmt man stärkeres verschultes Material und macht gewöhnliche Spatenpflanzung. Für sumpfige Flächen ist auch die sogen. Klumpskultur anzuwenden, wobei Erdhügel (Klumps) in etwa 15metrigem Verband aufgeworfen (3–5 m im Durchmesser) und diese mit (15–20) 3–4jährigen Fichten bepflanzt werden. Die nötige Erde wird aus den Entwässerungsgräben (0,9 m breit und 1,3 m tief) entnommen, die jeden Klumps umgeben und untereinander in Verbindung stehen. Über die landwirtschaftliche Kultur des Ödlandes, die nur auf den Mooren der Ebene angewendet werden kann, s. Moor, S. 119. Die Rohrkultur auf Sumpfödland und die Futterlaubwirtschaft sind von ziemlich geringer Bedeutung. Vgl. Grieb, Das europäische O., seine Bedeutung und Kultur (Frankf. a. M. 1898); Heinrichsen, Ent- und Bewässerung, Urbarmachung von Ödländereien (Stuttg. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 905-906.
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