[602] Anwaltskammer (Advokatenkammer), eine zur Wahrung der Interessen des Anwaltsstandes für einen bestimmten Bezirk errichtete Körperschaft. Für jeden Bezirk eines Oberlandesgerichts und am Sitze des letztern besteht eine A., die sich aus den innerhalb des Bezirks zugelassenen Rechtsanwalten zusammensetzt. Die A. bei dem Reichsgericht besteht aus den bei ihm zugelassenen Rechtsanwalten. Der A. liegen die Bewilligung der Mittel zur Bestreitung des für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Aufwandes und die Bestimmung des Beitrages der Mitglieder ob, ferner die Feststellung der Geschäftsordnung für die Kammer und den Vorstand sowie die Prüfung und Abnahme der von dem letztern zu legenden Rechnung. Die Kammer wählt aus ihren Mitgliedern den aus 915 Mitgliedern bestehenden Vorstand auf 4 Jahre mit der Maßgabe, daß alle 2 Jahre die Hälfte der Mitglieder ausscheidet. Der Vorstand hat Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer auf Antrag zu vermitteln, ebenso Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis zwischen einem Mitgliede der Kammer und dem Auftraggeber auf Antrag des letztern; er hat Gutachten, die von der Landesjustizverwaltung, sowie solche, die in Streitigkeiten zwischen einem Mitgliede der Kammer und seinem Auftraggeber von den Gerichten gefordert werden, zu erstatten; ferner hat er die Aussicht über die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu üben und als Ehrengericht in der Besetzung von fünf Mitgliedern die ehrengerichtliche Strafgewalt zu handhaben. Dieses Ehrengericht, bei dem die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft durch die Staatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts wahrgenommen werden, besteht aus dem Vorsitzenden der A., seinem Stellvertreter und drei andern Mitgliedern des Vorstandes und kann auf Warnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 3000 Mk. und auf Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft erkennen. Gegen das Urteil des Ehrengerichts ist das Rechtsmittel der Berufung an den Ehrengerichtshof gegeben, der aus dem Präsidenten des Reichsgerichts als Vorsitzendem, drei Mitgliedern des Reichsgerichts und drei Mitgliedern der A. bei dem Reichsgericht besteht. Vgl. Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, § 4197. In Österreich bestehen die Advokatenkammern nach dem Gesetz vom 6. Juli 1868 aus sämtlichen in die Advokatenliste eingetragenen Advokaten, die in dem derzeit bestehenden Sprengel jeder Kammer ihren Wohnsitz haben. Die Advokatenkammer besorgt ihre Geschäfte teils unmittelbar in Plenarversammlungen, teils mittelbar durch einen Ausschuß, der (wie der Präsident) auf 3 Jahre gewählt wird. Das Disziplinarrecht über die Advokaten übt nach dem Disziplinarstatut vom 1. April 1872 zunächst der Ausschuß. Ein Advokat, der die Pflichten seines Berufes verletzt oder die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigt, unterliegt der Disziplinarbehandlung durch den Disziplinarrat, der am Sitze jeder Advokatenkammer in der Zahl von 7,9 oder 15 Mitgliedern besteht. Disziplinarstrafen sind Verweis, Geldstrafen bis 300 Gulden, Einstellung der Ausübung der Advokatur und Streichung von der Liste.