Brom

[446] Brom (v. griech. bromos, »übler Geruch«), Br, chemisch einfacher Stoff, findet sich nicht im freien Zustand in der Natur, aber seine Verbindungen sind sehr verbreitet und begleiten in geringer Menge nicht selten die entsprechenden Chlorverbindungen, mit denen sie große Ähnlichkeit haben. Meerwasser enthält 0,008 Proz. B. als Bromnatrium oder Brommagnesium (das Wasser des Toten Meeres bedeutend mehr); auch finden sich Bromverbindungen in Salzquellen (Schönebeck, Kreuznach, Sulza, Adelheidsquelle, Kissingen, Ohio, Pennsylvanien), in den Staßfurter Abraumsalzen und in ähnlichen Vorkommen in Nevada und Ostindien; Bromsilber kommt als Bromit, zusammen mit Chlorsilber als Embolit vor. Die Silbererze[446] von Mexiko enthalten neben Chlorsilber auch Bromsilber. Seegewächse enthalten mehr B. als das Meerwasser, auch findet es sich in Steinkohle, und in sehr geringer Menge begleitet es die Chlorverbindungen im tierischen Körper. Man gewann B. früher aus den Mutterlaugen der Kochsalzgewinnung aus Meerwasser, der Badesalzdarstellung aus Mineralquellen, auch als Nebenprodukt bei der Jodgewinnung durch Destillation mit Braunstein und Schwefelsäure, jetzt zersetzt man fast nur noch die Mutterlaugen der Carnallitindustrie durch Chlor, indem man die Lauge in einem mit Tonkugeln gefüllten Turm herabrieseln und das Chlor mit Wasserdampf ihr entgegenströmen läßt. Das freigewordene B. entweicht dampfförmig und wird in geeigneten Vorrichtungen kondensiert. Man zersetzt die Lau gen auch unter Anwendung von flüssigem Chlor, wobei die erforderliche Chlormenge genau zu regeln ist. Auch auf elektrolytischem Wege läßt sich B. aus der Mutterlauge gewinnen. In den Fabriken ist dafür zu sorgen, daß die Arbeiter durch die Dämpfe des Broms nicht belästigt werden. Am gefährlichsten ist Berührung der Haut mit dem flüssigen B. Trunksüchtige erkranken in Bromfabriken leicht an Lungenentzündung.

B. bildet eine dunkel braunrote, in dünner Schicht hyazinthrote Flüssigkeit vom spez. Gew. 3,187, riecht und wirkt auf den Organismus wie Chlor, schmeckt schrumpfend und erzeugt auf der Haut sofort eine Wunde. Das Atomgewicht ist 79,96, es erstarrt bei -7° (bei Chlorgehalt viel schwerer) zu einer rotbraunen, blätterigen, fast metallglänzenden Masse, ist bei gewöhnlicher Temperatur sehr flüchtig, siedet bei 63°, bildet einen gelbroten Dampf vom spez. Gew. 5,4, der bis 300° fast ausschließlich aus Molekülen Br2, bei 3000° aber zu 40 Proz. aus Molekülen Br besteht. Es löst sich bei 10° in 30 Teilen Wasser, leichter in Alkohol, Äther, Schwefelkohlenstoff, Chloroform, Chlor- u. Bromwasserstoffsäure und in Bromkaliumlösung. Das gelbrote Bromwasser (100 Teile enthalten bei t 5°: 3,226 Teile B.) zersetzt sich am Licht, wird unter Sauerstoffentwickelung farblos und enthält dann Bromwasserstoffsäure. In schwefliger Säure löst sich B. unter Bildung von Bromwasserstoffsäure. B. verhält sich dem Chlor sehr ähnlich, verbindet sich direkt mit Metallen, aber bei gewöhnlicher Temperatur nicht mit Wasserstoff; mit Kalilauge bildet es Bromkalium und bromsaures Kali, auf organische Substanzen wirkt es bei Ausschluß von Wasser substituierend (bromierend), bei Gegenwart von Wasser oxydierend und daher oft bleichend und desinfizierend. Es ist einwertig, seine Verbindungen gleichen denen des Chlors, werden aber durch Chlor zersetzt, während die Sauerstoffverbindungen des Broms beständiger sind als die entsprechenden Chlorverbindungen. Man benutzt B. im freien Zustand selten als Arzneimittel, häufiger als Desinfektionsmittel in Form von Bromwasser oder als Bromum solidificatum, Würfel oder Zylinder aus Infusorienerde, die 75 Proz. ihres Gewichts B. aufgesogen enthält und nur langsam wieder abgibt. Mehrere seiner Verbindungen (die Bromalkalimetalle, Bromkadmium, Bromsilber, Bromal, Bromoform, Bromipin etc.) werden in der Photographie und als Arzneimittel, andre (Alkylbromide, bromierte Phthaleïne) zur Darstellung von Teerfarben benutzt. Da das B. nur in Glasflaschen versendet werden kann, so verwandelt man einen großen Teil desselben am Fabrikationsort in handliches festes Bromeisen, das später auf andre Präparate verarbeitet wird. B. wurde 1826 von Balard in der Mutterlauge des Meerwassers entdeckt, fand aber erst in neuerer Zeit ausgedehntere Verwendung und wird seit 1864 aus Carnallitmutterlaugen dargestellt. Die Produktion beträgt in Staßfurt und Leopoldshall etwa 600, in Nordamerika 300 Ton. jährlich.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 446-447.
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