[892] Charta (Chartŭla, lat.; Xἁρτης, griech.), bei den Griechen und Römern ursprünglich der aus dem Mark der Papyrusstaude angefertigte Schreibstoff; bei den Römern später auch für Buch gebraucht. Endlich verstand man darunter auch alles, worauf etwas geschrieben oder gezeichnet war. In dieser Bedeutung ist das Wort auch in die deutsche Sprache übergegangen (Karte, Besuchskarte, Spielkarte, Landkarte). Bei den alten Römern gab es schon nach Qualität und Wert verschiedene Papierarten, die man nach bedeutenden Personen, Fürsten, Fabriken, Städten etc. nannte, z. B. C. Augusta (früher hieratica genannt), C. Claudia, C. Livia, C. amphitheatrica (nach der beim Amphitheater in Alexandria belegenen Fabrik), C. Fanniana, C Saitica (nach der Stadt Saïs), C. Taeniotica (nach einer bei Alexandria gelegenen Landzunge). Die C. emporetica, die schmalste und schlechteste Sorte, von Kaufleuten zu Tüten benutzt, war zum Schreiben unbrauchbar. Im Mittelalter hieß C. Urkunde und so heißt noch heute die große Pariser Archivschule Ecole des chartes. Die Diplomatik (s.d.) beschränkt aber den Ausdruck C. auf die dispositive Urkunde im Gegensatze zur Beweisurkunde (Notitia). Auch historisch verband sich mit dem Worte C. ein neuer Begriff, der der Verfassung, der sich ableitete von der sogen. Magna C. (s.d.) der Engländer. In Rücksicht auf diese sowie auf die Charte constitutionnelle Ludwigs XVIII. von Frankreich gebrauchte man das Wort Charte für geschriebene Verfassungsgesetze überhaupt, wofür aber in der Folge das Wort Konstitution gebräuchlicher geworden ist. In Portugal waren merkwürdigerweise beide Worte die Losungen entgegengesetzter Parteien, indem die 1826 von Dom Pedro verliehene Verfassung von der französischen Partei den Namen Charte erhielt, die Cortesverfassung von 1821 aber Konstitution betitelt war. In England nannten die Radikalreformer 1838 ihr Programm Charte, daher der Name Chartisten (s. Chartismus).