Magna Charta

[78] Magna Charta (lat., engl. the Great Charter, »die große Charte« oder »der große Freiheitsbrief«), in England das Staatsgrundgesetz, das 1215 Adel und Geistlichkeit dem König Johann ohne Land abnötigten und dadurch den Grund zu der englischen Verfassung und dem Konstitutionalismus in England legten, der in der Folgezeit auch in den Kontinentalstaaten zur Geltung kam. Die M., die am 18. Juni 1215 erlassen wurde, bestätigt in 63 Artikeln frühere Gesetze Eduards des Bekenners, die Veränderungen Wilhelms I., die Charta libertatum von Heinrich I. und bewilligt Erweiterungen und Reformen. Ihre Bedeutung besteht darin, daß sie sich auf die gesamte Nation erstreckt und die uralten Grundsätze der persönlichen Freiheit der angelsächsischen Zeit mit den ständischen Rechten des normannischen Lehnsstaates verbindet. Namentlich wurde festgesetzt, daß zu außerordentlichen Gelderhebungen die Einwilligung einer allgemeinen Reichsversammlung notwendig sei, zu der alle Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen, Barone und alle unmittelbaren Vasallen zu berufen seien. Alle Vorrechte, die der König den Baronen bewilligen würde, sollten von ihnen auch den Untervasallen zugestanden werden. Die fremden Kaufleute sollten keinen willkürlichen Zöllen und Abgaben unterworfen sein, London sowie alle Städte und Flecken ihre alten Rechte und Gewohnheiten behalten. Die Gerichte sollten jedermann offen stehen, die Gerechtigkeit nicht verzögert, verkauft oder verweigert werden. Kein freier Mann sollte gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt oder sonst beschädigt werden, es sei denn durch Urteilsspruch von Richtern seinesgleichen und auf Grund der geltenden Landesgesetze. Der Gerichtshof für gemeine, d. h. gewöhnliche Klagen (Court of common pleas, Common bench) sollte fortan nicht mehr der Person des Königs folgen, sondern stets an einem bestimmten Ort seine Sitzungen halten. Die Forsten und Wasser sollten freigegeben werden. König Johann schon trachtete, diese Akte kraft der Lossprechung seitens des Papstes Innozenz III. zu brechen, und starb darüber im Kampfe mit seinem Volk. Unter Heinrich III. wurde 6. Nov. 1217 noch ein besonderer Freiheitsbrief, die Charta de foresta (Charter of the forest), erlassen, der die königlichen Forstrechte beschränkte; auch wurde unter ihm und seinen Nachfolgern die M. oft durch neue Urkunden bestätigt, freilich zunächst mit Weglassung der auf die Rechte der Reichsstände bezüglichen Klauseln. Doch ist auch der Inhalt dieser spätestens seit der Bestätigung der Freibriefe durch Eduard 1. (1297) allgemein anerkanntes Recht geworden. Der erste Druck der M., die lateinisch geschrieben war, erschien 1507. Die besten Ausgaben lieferten Blackstone in »The Great Charter and Charter of the forest« (Oxf. 1753), Thompson in dem »Historical essay on the M« (das. 1829) und Stubbs in den »Select charters and other illustrations of English constitutional history« (8. Aufl. 1895). Vgl. Lau, Die Entstehungsgeschichte der M. (Hamb. 1857); Hatschek, Englisches Staatsrecht (Tübing. 1905, Bd. 1); Mc Kechnie, Magna Carta, a commentary on the great charter of King John (Glasgow 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 78.
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