[893] Dieppe (spr. djepp'), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Niederseine, an der Mündung des Flüßchens Arques in den Kanal, zwischen den Kreidefelsen der Küste gelegen, Knotenpunkt an der Westbahn, besteht aus der eigentlichen Stadt und der durch das Hafenbassin von ihr getrennten Fischervorstadt Le Pollet, wozu noch die Vorstadt Barre am Abhang eines Hügels im SW. kommt. D. hat einen sichern Hafen von fast 10 m Wassertiefe, dessen Eingang ein von zwei Dämmen eingefaßter, durch drei Batterien geschützter Kanal bildet, und der einen Vorhafen mit zwei Bassins sowie einen neuen Vorhafen mit zwei weitern Bassins umfaßt; ferner hat sie ein die Stadt beherrschendes malerisches Schloß (von 1435, jetzt Kaserne) mit vier Türmen, eine schöne gotische Kirche (St.-Jacques), ein Stadthaus mit Bibliothek (25,000 Bände) und Museum, ein Theater, eine Statue des Seehelden Duquesne, besuchte Seebäder (mit Kasino) und zählt (1901) 22,503 Einw., die Schiffbau, Schiffahrt, Fischfang (Heringe, Makrelen und Stockfische), Austernzucht, Maschinen-, Tabak- und Spitzenfabrikation, Baumwollspinnerei, berühmte Schnitzerei (in Horn, Elfenbein und Buchsbaum) etc. und bedeutenden Handel (besonders mit England) betreiben. 1899 sind in D. 1818 Schiffe mit 475,825 Ton. eingelaufen. Der gesamte Warenverkehr belief sich im Generalhandel auf 342 Mill., im Spezialhandel auf 148,2 Mill. Fr. Zur Einfuhr kommen besonders Kohlen, Teer, Eisen, Zement, Maschinen, zur Ausfuhr Seiden-, Wollen- und Baumwollenwaren, Wein, Branntwein, Porzellan und Vieh. Von D. gehen regelmäßig Dampfboote nach Newhaven und Grimsby in England. Es hat ein Collège, eine Schifffahrts- und eine Spitzenschule und ist Sitz eines Seehandelsgerichts und zahlreicher Konsulate, darunter eines deutschen. D. (wahrscheinlich von deep, »tief«) war anfangs ein Dorf, von wo Wilhelm der Eroberer 1066 nach England übersetzte; aus der Verschmelzung des alten Dorfes mit Boutheilles und Beotheville entstand die Stadt D., die schon damals dem Erzbischof von Rouen gehörte. Der französische König Philipp August belagerte in seinem Streit mit Richard Löwenherz die Stadt. Im 15. Jahrh. entriß Karl VII. D. den Engländern, worauf Talbot es vergeblich belagerte. Seit der Mitte des 14. Jahrh. war D. als See- und Handelsplatz berühmt und mächtig. Von hier aus wurde die Westküste Afrikas besucht und Petit-Dieppe an der Mündung des Gambia gegründet, auch Kanada von hier aus für die Franzosen in Besitz genommen. Die Blüte Dieppes litt durch die Auswanderung der Hugenotten und wurde durch das Bombardement der Engländer und Holländer 22. und 23. Juli 1694 völlig vernichtet. Nach dem Ryswyker Frieden mußten die Einwohner ihre Häuser wieder aufbauen, aber die Blüte der Stadt konnte man nicht wieder hervorrufen, zumal die Konkurrenz Le Havres erdrückend wirkte. Im deutsch-französischen Kriege wurde D. vom General v. Manteuffel 9. Dez. 1870 durch eine mobile Kolonne besetzt und blieb bis zum Sommer 1871 in der Gewalt der Deutschen. Vgl. Vitet, Histoire de 1). (Dieppe 1841); Asseline[893] (16191703), Les antiquités et chroniques de la ville de D. (hrsg. von Hardy, das. 1874, 2 Bde.); Bouteiller, Histoire de la ville de D. (das. 1878).