Drossel [2]

[210] Drossel (Turdus L), Gattung der Sperlingsvögel und der Familie der Drosseln (Turdidae), gestreckt gebaute Vögel mit mittellangem, fast geradem Schnabel, mittelhohem, schlankem Lauf, stark bekrallten Zehen, bis zur Hälfte des Schwanzes reichenden Flügeln, mittellangem, meist gerade abgeschnittenem Schwanz und weichem Gefieder. Mehr als 100 Arten leben meist in Europa, dem gemäßigten Asien u. Nordamerika; wenige im tropischen Asien, Südamerika und Afrika. Sie leben in Wäldern und Gebüschen und durchfliegen bisweilen ganze Erdteile. Sie sind sehr gewandt, munter, gesellig, aber keineswegs friedfertig, hüpfen auf dem Boden umher und fliegen vortrefflich; ihre Sinne sind hoch entwickelt, und ihre Stimme, die sie vom Beginn des Frühlings bis in den Hochsommer ertönen lassen, ist eine der schönsten unter den Singvögeln. Ihre Nahrung besteht aus Kerbtieren, Schnecken, Würmern, die sie meist vom Boden auflesen, aus allerlei Beeren, auch Kirschen, Weinbeeren etc. Sie nisten bald nach ihrer Ankunft in der Heimat, einige (Wacholder- und Ringdrossel) gesellig, legen 4–6 kleine Eier und brüten 14–16 Tage. Gewöhnlich folgt im Sommer eine zweite Brut. Mit Ausnahme der Amsel ziehen unsre Drosseln im Herbst nach dem Süden, wandern in zahlreichen Gesellschaften und werden in Südeuropa in großer Menge gefangen. Die alten Römer mästeten sie wie Ortolane und Wachteln. Fürs Zimmer eignen sich die Drosseln wegen ihres lauten Gesanges kaum, am besten gedeihen sie im Freien im Gesellschaftsbauer; junge Vögel werden sehr zahm, alte sind nach dem Einfangen höchst ungestüm, gewöhnen sich aber leichter, wenn man sie in Gesellschaft verwandter Vögel bringt. Sie pflanzen sich sogar im Käfig fort. Die Schwarzdrossel (Amsel, Kohl-, Schwarzamsel, Merle. Amselmerle, T. merula L.), 25 cm lang, 35 cm breit, ist schwarz mit orangegelbem Schnabel. Das Weibchen ist oberseits schwarz, unterseits schwarzgrau mit hellgrauen, an Kehle und Oberbrust mit weißlichen und rostfarbenen Flecken. Heimisch ist sie in Laub- und Nadelwäldern Europas bis zum 66.° nördl. Br., findet sich auch in Westasien und Nordwestafrika und verweilt in der Regel jahraus jahrein[210] an derselben Stelle. Sie bevorzugt dichte Gebüsche an Flußufern, ist in neuester Zeit auch in die Gärten eingedrungen und richtet hier bisweilen erheblichen Schaden an. Am liebsten nistet sie auf jungen Nadelbäumen und legt im März und Mai (bisweilen auch dreimal) 4–6 blaß blaugrünliche, hell zimtfarbig oder matt rostfarbig gefleckte Eier. Das Männchen singt vom März bis Juli, vorzüglich des Abends. Die Ringdrossel (Rost-, Schnee-, Schild-, Dianen-, Erd-, Seeamsel, Stabziemer, T. torquatus L.) ist 26 cm lang, 42 cm breit, schwärzlich mit hellen, halbmondförmigen Flecken und weißem Brustband; die Schwingen und Flügeldeckfedern sind bräunlichgrau gesäumt; die Schwanzfedern sind rußschwarz, die beiden äußersten weißgrau gesäumt; der Schnabel ist schwarz. Sie lebt auf hohen Gebirgen, besonders auf den Alpen und im Norden, und kommt im März bis April und September bis Oktober in kleinen Gesellschaften zu uns. Ihr Gesang ist melodienreich, aber etwas heiser. Das Nest steht tief in einem Busch und enthält im Mai hellgrüne Eier mit rotbraunen Flecken (s. Tafel »Eier I«, Fig. 62); bei uns nistet sie nicht unter 1006 m ü. M., aber wohl zweimal, in Skandinavien nur einmal. Die Misteldrossel (Ziemer, Große D., Eichdrossel, Doppelvogel, Schnarre, Schneekater, großer Krammetsvogel, T. viscivorus L.), 26 cm lang, 42 cm breit, ist oben tiefgrau, an den Kopfseiten rostfahlgelb mit dunkelm Bartstreifen, an der Unterseite weißlich und an Brust und Bauch schwärzlich gefleckt; die Schwung- und Steuerfedern sind schwarzgrau, hell graugelb gesäumt, der Schnabel ist dunkel hornfarben. Sie findet sich in ganz Europa und Westasien, südlich bis Nepal, zieht südlich bis Nordwestafrika und Indien, streift aber in gemäßigten Ländern im Winter hin und her. Zugzeit ist Februar bis März, Oktober. Sie frißt Mistelbeeren (Viscum album), deren noch keimfähigen Samen sie mit ihrem Unrat an die Bäume klebt, wo dann bald die Mistel zu wuchern beginnt. Da deren Beeren den Hauptbestandteil des Vogelleims lieferten, so hatten die Alten das Sprichwort: »Turdus sibi ipse malum cacat« (»Die D. macht sich ihr Unglück selbst«). Sie nistet im April, in günstigen Jahren auch zweimal (Juli), auf Bäumen und legt 4–5 blaugrüne, braun und schwarz gefleckte Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 63). Die Wacholderdrossel (Krammetsvogel, Ziemer, Blauziemer, Schacker, T. pilaris L., s. Tafel »Sperlingsvögel I«, Fig. 6), 26 cm lang, 43 cm breit, ist an Kopf, Hinterhals u. Bürzel aschgrau, am Oberrücken kastanienbraun, an Schwung- und Schwanzfedern schwarz; die beiden äußersten Schwanzfedern sind weiß gesäumt, die Kehle dunkel rostgelb, schwarz gefleckt, die braunen Federn der Brustseiten weißlich gerandet, am Unterkörper weiß, der Schnabel ist gelb. Sie ist heimisch in den großen Birkenwaldungen des Nordens von Europa und Asien bis zum Jenissei, erscheint bei uns in Scharen im Spätherbst, verteilt sich über ganz Mitteleuropa und geht bis Nordafrika und Turkistan. Seit etwa 80 Jahren nistet sie auch in Deutschland in Wäldern, Obstpflanzungen und selbst in Gärten auf Bäumen und verweilt hier oft auch im Winter. Zugzeit ist März bis April, Oktober bis November. Ihr Gesang ist unbedeutend; Mitte April bis Mitte Juni legt sie 5–6 grüne, rotbraun gefleckte Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 60). In Ostpreußen werden in manchen Jahren gegen eine Million gefangen. Die Singdrossel (Zippe, Weiß-, Sommer-, Krag-, Berg-, Zierdrossel, T. musicus L., s. Tafel »Stubenvögel I«, Fig. 5), 22 cm lang, 34 cm breit, oben ölgrau, unten gelblichweiß, braun gefleckt, bewohnt den größten Teil Europas, besonders den Norden, auch Nord- und Mittelasien, und wandert bis Nordwestafrika und Südpersien. Zugzeit ist März, September bis Oktober. Ihr Gesang ähnelt einigermaßen dem der Nachtigall; ihre Lockstimme ist: Zipp, Zipp. Durch ihren Unrat sät sie Ebereschen (Sorbus), Wacholdersträucher u. dgl. auf Mauerzinnen an. Im Herbst wird sie sehr fett und schmackhaft, im Frühjahr kündigt sie dem Jäger die Ankunft der Waldschnepfen an. Sie nistet bei uns Mitte April bis in den Juli in größern Waldungen auf schwachen Bäumchen oder im Gebüsch und legt 4–6 meergrüne, schwarz oder schwarzbraun gefleckte Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 61). Die Weindrossel (Rot-, Winter-, Buntdrossel, Zippe, Ziemer, Winesel, Bäuerling, T. iliacus L.), 22 cm lang, 35 cm breit, ist oberseits olivenbraun, unterseits weißlich, an den Brustseiten rostrot, am Hals gelblich, überall mit dreieckigen und runden braunen Längsflecken; der Schnabel ist schwarz. Sie nistet im Norden Europas und Asiens, selten in Deutschland, und zieht mit dem Krammetsvogel März bis April und Oktober bis November durch Deutschland bis Nordafrika und Nordwestindien. In der Gefangenschaft ist sie ein fleißiger Sänger. Über die Spottdrossel s. d.; Stein- und Blaudrossel, s. Steindrossel.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 210-211.
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