[398] Ehebruch (Adulterium), die wissentliche Verletzung einer bestehenden Ehe durch außerehelichen Beischlaf. Leben in einem solchen Fall beide Personen in verschiedenen Chen, werden also durch den C. zwei Chen verletzt, so spricht man von einem Doppelehebruch (adulterium duplex, Oberhurerei in der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. genannt), während, wenn nur eine der beiden schuldigen Personen verheiratet, ein einfacher E. (adulterium simplex) vorhanden ist. Es erscheint jedoch im letztern Fall nach heutigem Recht auch der nicht verheiratete Teil als Ehebrecher, wofern er nur von der Ehe des an dern Kenntnis hatte. Der Begriff des Ehebruches ist nicht zu allen Zeiten derselbe gewesen. Nach römischrechtlicher Anschauung ist adulterium nur der Bruch der ehelichen Treue durch die Frau und die Störung fremder Ehe durch den Mann, nicht aber der geschlechtliche Verkehr des verheirateten Mann es mit einer unverheirateten Frauensperson. Ebenso hielt es auch das ältere deutsche und das mosaische Recht. Erst das kanonische Recht, die Ehe als Sakrament betrachtend, ahndet die Verletzung der ehelichen Treue nicht bloß an der Ehefrau, sondern in gleicher Weise an dem Ehemann und an der ledigen Konkumbentin eines solchen. Aber dem weltlichen Rechte gegenüber vermochte die kirch liche Auffassung nicht durchzudringen. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. (1532) hatte nicht den Mut, eine durchgreifende Bestimmung zu treffen; Artikel 120 begnügt sich mit der Verweisung auf »die Sage Unsrer Vorfahren und Unsre kaiserlichen Rechte«. Die Landesgesetzgebung bemühte sich vergebens, die Gleichstellung von Mann und Weib durchzusetzen; die Rechtsprechung[398] blieb schwankend, nur bei öffentlichem Ärgernis wurde von Amts wegen eingeschritten, und die Gerichte scheuten sich, die Schwertstrafe zu verhängen. Noch milder beurteilte das Zeitalter der Aufklärung den E., den es als eine die öffentliche Rechtsordnung nicht berührende Verletzung des zwischen den Ehegatten geschlossenen Vertrags ansah. Nach moderner Auffassung ist der E. gerichtet gegen die staatliche Einrichtung der Ehe, als der Grundlage aller rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Darin liegt der Rechtsgrund für die Strafbarkeit des Ehebruches. Dennoch ist die Strafgesetzgebung des 19. Jahrh. zu keiner einheitlichen Behandlung des Ehebruches gelangt. Die Wirkungslosigkeit von Strafdrohungen gegenüber Leidenschaft und Genußsucht, die Unsicherheit der Verfolgung und Bestrafung, wohl auch die Rücksicht auf herrschende Anschauungen haben manche Rechte (so England, Genf, Hamburg 1869) dahin geführt, den E. straflos zu halten; die romanischen Gesetzgebungen strafen zwar sowohl den E. der Frau als auch den des Mannes, den letztern aber nur unter einschränkenden Voraussetzungen (in Frankreich wird nach dem Gesetz vom 27. Juli 1884 z. B. die Frau bei E. mit Gefängnis, der Mann jedoch nur mit Geld gestraft), die einer Straflosigkeit des Mannes fast gleichkommen. Und es kann in der Tat nicht geleugnet werden, daß der E. der Frau sowohl in den Augen der Gesellschaft als auch in rechtlicher Beziehung (wegen der Möglichkeit der Empfängnis) eine wesentlich andere und schwerere Bedeutung hat als der des Mannes. Dennoch hat die auf deutschem Boden erwachsene Strafgesetzgebung grundsätzlich an der Gleichstellung des Mannes mit der Frau festgehalten. Ein Blick in die Zahlenreihen der Kriminalstatistik zeigt freilich, daß Verurteilungen wegen E. äußerst selten sind (im Deutschen Reich etwa 50 Fälle jährlich) und zumeist wegen Doppelehebruchs erfolgen. Nach. dem österreichischen Strafgesetzbuch wird der E. als Übertretung mit Arrest von 16 Monaten, die Frau aber dann strenger bestraft, wenn durch den begangenen E. über die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Geburt ein Zweifel entstehen kann. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 172) wird der E. an dem schuldigen Ehegatten und an dessen Mitschuldigen mit Gefängnis von 1 Tag bis zu 6 Monaten bestraft. Die Bestrafung eines vollendeten Ehebruches setzt aber voraus: einmal, daß die in Frage stehende Ehe, die durch den E. verletzt wurde, wegen dieses Ehebruchs rechtskräftig geschieden, und dann, daß ein besonderer Antrag auf Bestrafung von seiten des verletzten Ehegatten gestellt worden sei. Erstere Bestimmung erscheint deshalb als gerechtfertigt, weil dadurch verhütet wird, daß eine Anzeige wegen angeblich oder wirklich verübten Ehebruches zur Erlangung von Vorteilen oder gar zu Erpressungen benutzt werde, während sich die letztere Bestimmung durch die Rücksichtnahme auf das Familienleben empfiehlt. Dabei ist zu beachten, daß nur der eigentliche Beischlaf als E. erscheint, jeder andersartige, wenn auch sittlich noch so verwerfliche Verkehr mit Personen des andern oder auch desselben Geschlechts unter gar keinen Umständen hierher gerechnet werden kann. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der E. Scheidungsgrund (§ 1565, 15701584), Ehehindernis (§ 1312, 1328), Grund zur Entziehung des Pflichtteils (§ 2338) und zur Beschränkung der Unterhaltspflicht (§ 1611). Vgl. Rosenthal, Die Rechtsfolgen des Ehebruches (Würzb. 1880); Bennecke, Die strafrechtliche Lehre vom E. (Marb. 1884, nur 1. Abt.); Kahn, Ehebruch (Bresl. 1902).