Fischgift

[621] Fischgift, eine im Fleisch unsrer Marktfische bisweilen vorhandene Schädlichkeit, die nach dessen Genuß Erkrankungen hervorruft. Diese Schädlichkeit wird erzeugt durch Bakterien, die in dem verdorbenen, Fleisch wuchern und Ptomaine erzeugen, denen die giftige Wirkung zuzuschreiben ist. Kranke Fische enthalten in manchen Fällen Toxine und Toxalbumine, die auf den Menschen giftig wirken. Es scheint bakterielle Fischinfektionen zu geben, welche die Fische taum oder nicht schädigen, Menschen aber, die diese, zische essen, krank machen. Fischvergiftungen mit choleraähnlichem Brechdurchfall hat man beobachtet besonders nach dem Genuß von Schellfischen, Hering, geräucherten Flundern, Stör, Stockfisch, Brassen (Pagrus und Sparus), Pfeilhechten (Sphyraena) etc., Vergiftungen mit juckendem Hautausschlag, Fieber, Schwindel, Kopfschmerz nach Genuß von Thunfisch, Stöcker (Caranx), schwere Nervenerscheinungen, Lähmungen nach Genuß von Stören, Schleien. Besonders häufig treten Massenvergiftungen durch schlecht konserviertes Fleisch von Acipenser-Arten in Südrußland (Wolgagebiet) auf. Die Behandlung hat sich auf möglichst schnelle Entleerung des Magens durch Brechmittel, Ausscheidung der giftigen Stoffe durch Harn und Darm sowie auf Bekämpfung der Symptome zu richten. – Fettreiche Fische sind schwer verdaulich, und Fischfett verursacht bei Menschen, die an Fischgenuß nicht gewöhnt sind, leicht Durchfall, gelegentlich Übelkeit und Erbrechen (Aal, Lebertran). Einzelne Organe gewisser Fische sind zu manchen Jahreszeiten für den Menschen giftig, besonders der Rogen der Barbe in der Laichzeit (Barbencholera), seltener der Rogen von Karpfen, Schleie, Hecht, Brachsen, Sparus maena (Laxierfisch). Bei den Fugusischen in Ostasien aus der Gruppe der Igelfische (Diodon, Chilomycterus, Tetrodon etc.) sind die Eierstöcke, auch Leber, Hoden, Magen, Darm so giftig, daß sie seit alters zu Mord und Selbstmord benutzt werden. Aalblut enthält ein Toxalbumin, das im Blute des Menschen wie Schlangengift wirkt. Auch das Blut der Neunaugen ist giftig; ein von ihrer Haut abgesondertes Gift wirkt vom Magen aus auch nach dem Kochen (besonders häufig im Jamburgschen Kreise in Rußland). An der Ostsee läßt man die Neunaugen vor dem Rösten sich im Salz zu Tode laufen. – Viele Fische besitzen Giftdrüsen in der Haut und im Mund als Waffe, ihr Fleisch ist ungiftig, so die Muräne (Muraena helena und M. moringa) am Gaumen, der Knurrhahn (Cottus scorpio) am Kiemendeckel, der Seeadler (Myliobates aquila) und der Stechrochen an der Afterflosse, der Stöcker (Caranx) vor der Rückenflosse, das Petermännchen (Trachinus draco) an der vordern Rückenflosse und am Kiemendeckel, der Schriftbarsch (Serranus scriba) am Bauch etc. Vgl. Autenrieth, Das Gift der Fische (Tübing. 1833); D'Acras, Essai sur les accidents causés par les poissons (Par. 1877); Savtschenko, Atlas des poissons vénéneux (Petersb. 1886); Bottard, Les poissons vénimeux (Par. 1889); Coutiere, Poissons venimeux et poissons vénéneux (das. 1899); Pellegrin, Les poissons vénéneux (das. 1899); Kobert, Über Giftfische und Fischgifte (Rostock 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 621.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika