Geheimer Rat

[461] Geheimer Rat hieß in den deutschen landesherrlichen Gebieten früher ein Kollegium von Räten (Geheimes Ratskollegium, Geheimes Konseil, Staatsrat), das unmittelbar unter dem Fürsten stand und meist unter dessen Vorsitz über die wichtigsten Landesangelegenheiten beriet. Aus dem Geheimen Rat bildeten sich seit Ende des 17. Jahrh. die Ministerien heraus, ursprünglich meist in der Form eines Ausschusses des Geheimen Rats (Geheimes Kabinett, geheime Konferenz, Kabinettsminister, Konferenzminister). Hierdurch wurde der Geheime Rat allmählich aus den laufenden Geschäften verdrängt. Mit der Entwickelung des Konstitutionalismus verlor er seine Bedeutung; doch hat sich eine solche Körperschaft als begutachtendes Kollegium für wichtige Fragen der Gesetzgebung in manchen Verfassungen erhalten. Es führt meist die Bezeichnung Staatsrat (s.d.), wie z. B. in Preußen, Bayern; in Württemberg heißt es noch jetzt G. R.- Als Titel kam der Ausdruck G. R. (Geheimrat) zuerst für die Mitglieder des Geheimen Ratskollegiums in Ausnahme. Gegenwärtig wird der Titel: Wirklicher Geheimer Rat als Auszeichnung an höchste Beamte verliehen. Derselbe ist in der Regel mit dem Beiwort Exzellenz verbunden. Im übrigen ist G. R. vielfach, z. B. in Preußen, der Titel der obersten Beamten, namentlich der Ministerialdirektoren, der vortragenden Räte in den Ministerien, der ersten Räte in den Kollegien etc. In der Regel ist der Titel dann mit einer Kennzeichnung des Geschäftskreises, dem der Beamte angehört, verbunden, z. B. Geheimer Regierungsrat, Geheimer Finanzrat, Geheimer Justizrat etc. Auch als bloßer Titel wird der Titel G. R. verliehen, namentlich der Titel Geheimer Kommerzienrat an hervorragende Kaufleute und Industrielle, Geheimer Ökonomierat an verdiente Landwirte etc. Ferner erhalten in Preußen auch solche Beamte, wie Kanzlei-, Rechnungsräte, nach längerer Dienstzeit den Titel Geheimer Kanzlei-, Geheimer Rechnungsrat, wogegen übrigens gegenwärtig von seiten der wirklichen, d. h. echten Geheimräte Front gemacht wird. In Bayern gibt es auch »Geheime Hofräte«, insonderheit verdiente Professoren, Anwalte und Schriftsteller, und »Geheimräte«, eine sehr seltene[461] etwa dem preußischem »Wirklichen Geheimen Rat« entsprechende Auszeichnung für Männer der Wissenschaft. Auf ähnlichen Grundsätzen beruht übrigens in allen Bundesstaaten die Verleihung des Prädikats »Geheim«. – Zur Entstehung des Titels G. R. ist zu bemerken, daß »Geheimer« ursprünglich Substantiv ist und »Besorger vertraulicher Geschäfte« bedeutete (ähnlich wie im Lateinischen secretarius). Allmählich ist es Adjektiv geworden und daher mit »Rat« verbunden worden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 461-462.
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